Hebt Matthijs de Ligt den FC Bayern auf eine neue Stufe?
Auch im Defensivbereich wird sich beim FC Bayern einiges tun. Der Top-Transfer des Sommers ist immerhin ein Innenverteidiger - zumindest in Sachen Ablösesumme. "Er ist einer der talentiertesten Innenverteidiger der Welt", sagte Nagelsmann und sprach dabei vor allem über die Defensivqualitäten des Niederländers: "Er ist regelrecht süchtig nach Verteidigen, er will Tore verhindern. Er weiß, wie man vorwärts verteidigt, ins Mittelfeld, das passt hervorragend zu uns."
Außerdem sei de Ligt ein Anführer. Genau der Typ Spieler, der den Bayern in der vergangenen Saison fehlte. Defensiv wird sich aus gruppentaktischer Sicht nicht viel bei den Bayern ändern. Aber der 22-Jährige soll das entscheidende Puzzleteil auf individueller Ebene sein. Von ihm erhoffen sich die Münchner, dass er auch seine Mitspieler besser macht. Inkonstanz wie im Debütjahr von Nagelsmann soll es nicht mehr geben.
Kaum Beachtung fand bisher aber, dass de Ligt auch ein sehr guter Aufbauspieler ist. Er kann die vorderste Pressinglinie mit Pässen und kurzen Dribblings überspielen - und das sehr zuverlässig. Das hat den Bayern in der letzten Saison häufig gefehlt. Der Spielaufbau war oftmals zu behäbig und leicht unter Druck zu setzen.
FC Bayern: Spielaufbau als große Baustelle
Das zeigte sich auch im Testspiel gegen Manchester City wieder. Bayern verlor zahlreiche Bälle, bevor sie die Mittellinie überquert hatten. Die Münchner ließen sich sehr schnell zu langen Schlägen nach vorn verleiten, die anschließend kein Mitspieler kontrollieren konnte. Wenn es keinen Offensivspieler gibt, der diese Bälle zuverlässig festmachen kann, muss der Spielaufbau eben größtenteils flach erfolgen.
Nach wie vor hängt hier im Mittelfeld zu viel an Joshua Kimmich. Der Mittelfeldstratege wurde von City gut aus dem Spiel genommen, weshalb er sich zunehmend in die Verteidigung zurückfallen ließ, um Bälle abzuholen. Damit hatten die Bayern dann nur noch Marcel Sabitzer im Zentrum.
Der Österreicher hatte zwar einige gute Szenen, in denen er sein Potenzial andeutete. Trotzdem blieb der Spielaufbau meist zu hektisch und unsauber. Es wird für Nagelsmann eine der Hauptaufgaben sein, Bayern pressingresistenter zu machen. Einige der Angriffe gegen Manchester City waren sehr gut vorgetragen und zeigten, dass die Spieler grundsätzlich das Potenzial haben, selbst ein sehr gut organisiertes Angriffspressing aufzulösen.
Spieler wie Jamal Musiala könnten hier ein Schlüssel zum Erfolg sein. In der zweiten Halbzeit zeigte er sich mehrfach trotz Gegnerdruck im Mittelfeld und befreite sich anschließend mit kurzen Doppelpässen oder schnellen Drehungen. Die restlichen Mittelfeldspieler sind noch stärker auf ihre Positionierung und jene der Mitspieler angewiesen. Stimmen nur Kleinigkeiten nicht, sind die Bayern anfällig für sehr gefährliche Ballverluste.
Dreier- oder Viererkette beim FC Bayern, Herr Nagelsmann?
Bleibt die große Frage, die Julian Nagelsmann bereits seit Amtsantritt im Sommer 2021 begleitet: Wird es nun eine Dreier- oder eine Viererkettenformation? Vermutlich beides. Denn mit Noussair Mazraoui kommt weitere Flexibilität in den Kader. Gegen Manchester City saß der Neuzugang von Ajax zunächst auf der Bank.
Nominell hätte man von einer Viererkette ausgehen können, in der Benjamin Pavard als Rechtsverteidiger spielte. Taktisch formierten sich die Bayern aber eher in einem 3-4-1-2, das vor allem gegen den Ball sehr klar zu erkennen war. Kingsley Coman spielte als Flügelverteidiger auf der rechten Seite. Weil Pavard sich im Spielaufbau aber eher wie ein Rechtsverteidiger verhielt, entstanden in Ballbesitz mehrfach Strukturen einer Viererkettenformation. Nur im tiefen Spielaufbau agierte der Franzose wie ein typischer Bestandteil einer Dreierkette, dann orientierte er sich nach außen und stand meist höher als die anderen Innenverteidiger.
Nagelsmann bestätigte anschließend auf der Pressekonferenz, dass Pavard in dieser Partie als Bestandteil einer Dreierkette eingeplant war. Dass es trotzdem oft nach einer Viererkette aussah, unterstreicht die fließenden Übergänge zwischen mehreren Formationen - gerade innerhalb der 90 Minuten. Zur Pause kam dann Mazraoui für Coman und eben nicht für Pavard. Gegen dominante Teams wie Manchester City könnte sich das 3-4-1-2 als probate Option erweisen. Defensiv stand das Team über weite Strecken sehr stabil, weil immer mindestens drei Spieler hinten absicherten. Außerdem waren die Außenspieler schnell genug, um etwaige Lücken auf dem Flügel schließen zu können. Bayern konnte den Ball mehrfach in aussichtsreichen Positionen gewinnen, verpasste es aber, aus den Kontersituationen mehr zu machen.
Sind Gegner hingegen individuell klar unterlegen, könnte es weiter auf eine Viererkette hinauslaufen, um möglichst viele Offensivspieler auf den Platz bringen zu können. Es ist also auch in der kommenden Saison damit zu rechnen, dass Nagelsmann mehrere Formationen im Werkzeugkasten hat, mit denen er die angesprochenen Probleme beheben und die vielen Chancen nutzen möchte, eigentlich sogar muss. Denn Nagelsmann dürfte auch mit Blick auf seine bisherige Titel- und Punkteausbeute großes Interesse daran haben, dass das Projekt "Zeitenwende" funktioniert.
FC Bayern: Trainer mit dem besten Punkteschnitt (mindestens 20 Spiele)
Trainer (Amtszeit) | Spiele | Punkte pro Spiel |
Hansi Flick (2019-2021) | 86 | 2,53 |
Jupp Heynckes (2017-2018) | 41 | 2,49 |
Jupp Heynckes (2011-2013) | 109 | 2,43 |
Pep Guardiola (2013-2016) | 161 | 2,41 |
Carlo Ancelotti (2016-2017) | 60 | 2,28 |
Niko Kovac (2018-2019) | 65 | 2,26 |
Julian Nagelsmann (seit 2021) | 43 | 2,26 |