Der FC Bayern München hat durch den Verkauf von Reservisten und ehemaligen Jugendspielern in diesem Sommer erstaunlich viel Geld eingenommen. Entwickelt sich daraus ein Geschäftsmodell?
Die Bosse des FC Bayern München um Sportvorstand Hasan Salihamidzic verantworten eine in vielerlei Hinsicht erstaunliche Transferphase: Mit Sadio Mané und Matthijs de Ligt lotsten sie - historisch betrachtet äußerst ungewöhnlich - zwei Stammspieler von internationalen Topklubs nach München. Trotz wiederholter Basta-Absagen durfte Robert Lewandowski letztlich für 45 Millionen Euro zum FC Barcelona wechseln.
Der beachtlichste Umstand dieser Transferphase gelang dem FC Bayern aber im Schatten des öffentlichen Getöses um diese Star-Wechsel: Mit dem Verkauf eines Haufens Reservisten und ehemaligen Jugendspielern nahmen die Münchner zusammengerechnet 53,5 Millionen Euro ein, durch den bevorstehenden Abgang von Joshua Zirkzee zum FC Bologna werden wohl noch einmal rund 8 Millionen dazukommen.
Unabhängig davon generierte der FC Bayern in diesem Sommer bereits mehr Geld durch Verkäufe als jemals zuvor und durchbricht mit den Zirkzee-Millionen die Einnahme-Schallmauer über Transfers in Höhe von 100 Millionen Euro.
Mit Blick auf die Einkaufspreise der nun abgegebenen Spieler erwirtschaftete der FC Bayern zudem ein gewaltiges Plus. Tanguy Nianzou (jetzt für 16 Millionen Euro zum FC Sevilla) und Omar Richards (jetzt für 8,5 Millionen zu Nottingham Forest) kamen ablösefrei. Marc Roca (jetzt für 12 Millionen zu Leeds United) und Chris Richards (jetzt für 12 Millionen zu Crystal Palace) kosteten deutlich weniger, als sie nun einbrachten.
Chris Richards ist der teuerste Abgang unter den ehemaligen Jugendspielern, aber auch die einst größtenteils gratis verpflichteten Talente Christian Früchtl, Ron-Thorben Hoffmann, Lars Lukas Mai, Christopher Scott, Alex Timossi Andersson, Nicolas Kühn und Armindo Sieb generierten zusammengerechnet eine beträchtliche Summe.
FC Bayern: Diese Spieler brachten in dieser Transferphase Ablösesummen ein
Spieler | Klub | Ablöse (in Euro) |
Robert Lewandowski (33) | FC Barcelona | 45 Millionen |
Tanguy Nianzou (20) | FC Sevilla | 16 Millionen |
Chris Richards (22) | Crystal Palace | 12 Millionen |
Marc Roca (25) | Leeds United | 12 Millionen |
Omar Richards (24) | Nottingham Forest | 8,5 Millionen |
Lars Lukas Mai (22) | FC Lugano | 1,6 Millionen |
Christopher Scottt (20) | Royal Antwerpen | 1,4 Millionen |
Alex Timossi Andersson (21) | SC Heerenveen | 550.000 |
Nicolas Kühn (22) | Rapid Wien | 500.000 |
Christian Früchtl (22) | Austria Wien | 500.000 |
Ron-Thorben Hoffmann (23) | Eintracht Braunschweig | 300.000 |
Armindo Sieb (19) | Greuther Fürth | 50.000 |
Reserve, Leihen oder einfach nur mittrainieren lassen
Wie waren diese Wertsteigerungen möglich? Einigen ehemaligen Jugendspielern genügten Einsätze bei der viertklassigen Reserve, um sich für Wechsel zu größeren Klubs zu empfehlen. Und das ist durchaus der Sinn der Sache. "Natürlich versuchen wir, Meister zu werden. Aber die Priorität ist es, Talente zu entwickeln", sagte Reserve-Trainer Martin Demichelis zuletzt im Interview mit SPOX und GOAL. "Nach der letzten Saison sind acht unserer Spieler Profis bei verschiedenen Vereinen geworden. Darauf bin ich stolz."
Andere nutzten Leihen als Präsentations-Plattform für höhere Aufgaben, wie beispielsweise Chris Richards bei der TSG Hoffenheim oder auch der vor einem Abschied stehende Zirkzee beim RSC Anderlecht. Bei den schon als Profis verpflichteten Nianzou, Roca und Omar Richards scheint es unterdessen tatsächlich ausgereicht zu haben, dass sie einige Monate lang mit all den Münchner Stars trainierten. Chancen, sich in Pflichtspielen zu empfehlen, bekamen sie schließlich kaum.
Nianzou ist gewissermaßen ein Sonderfall: Dem 20-jährigen Innenverteidiger attestieren die Bosse als einzigem aus der Riege der Abgänge weiterhin das Potenzial für eine Zukunft beim FC Bayern. "Wir werden Tanguys Entwicklung genau beobachten, denn der FC Bayern hat die Option, ihn nach München zurückzuholen", sagte Salihamidzic.
Die Münchner sicherten sich bei seinem Verkauf eine Rückkauf-Klausel und ein Matching-Right. Sollte sich der FC Bayern letztlich gegen eine Rückkehr entscheiden, greift eine Weiterverkaufs-Beteiligung - auch der Zirkzee-Deal mit Bologna soll so strukturiert sein. Und auch die aktuelle Ablösesumme könnte bei Nianzou dank diverser Boni dem Vernehmen nach noch um vier Millionen Euro ansteigen.
imago imagesFC Bayern: Real Madrid soll wohl als Vorbild dienen
Spieler billig und/oder früh erwerben, ausbilden und/oder bei den Profis mittrainieren lassen und - sofern sich keine tragende Rolle in der Profimannschaft abzeichnet - teurer weiterverkaufen, womöglich nach einer Leihe: Diese Transferperiode zeigte dem FC Bayern die Funktionstüchtigkeit eines Geschäftsmodells auf, dem laut Bild künftig intensiver nachgegangenen werden soll.
Vor allem bei den schwerreichen Premier-League-Klubs erscheint das Qualitätssiegel "kommt vom FC Bayern" schon ausreichend für ordentliche Investitionen - siehe Omar und Chris Richards oder Roca. Auch wenn ihre Chancen auf einen Durchbruch beim FC Bayern schon bei der Verpflichtung gering sind, gehen Spieler dieses Kalibers heutzutage als gute Wertanlage durch.
Am lukrativsten ist dieses Modell bei Talenten, die wie Chris Richards bereits vor ihrem ersten Profivertrag verpflichtet werden. Genau darauf soll künftig der Fokus liegen. Als Vorbild dient den Münchnern dem Bild-Bericht zufolge Real Madrid, das in den vergangenen Jahren auf diesem Weg hunderte Millionen eingenommen hat. Etliche italienische Klubs wie Juventus Turin, Inter Mailand oder Atalanta Bergamo spezialisierten sich zur Spieler-Präsentation unterdessen auf das Halten von Leihspieler-Armeen, die mit 46 Mann aktuell größte hat Atalanta.
FC Bayern: Nübel und Tillman als nächste Kandidaten
All diese Klubs profitieren dabei von ihren ausgezeichneten Akademien, in denen sie immer mehr und bessere Spieler aus- und weiterbilden. Viel mehr als sie selbst je brauchen könnten. Seit der Eröffnung des 70 Millionen Euro teuren Campus 2017 verfügt der FC Bayern ebenfalls über eine topmoderne und entsprechend große Ausbildungsstätte.
Durch den Umzug der Jugendabteilung vom Klubgelände an der Säbener Straße in den Norden der Stadt hat sich die Anzahl an Internatsplätzen mehr als verdoppelt. So können mehr Talente aus der Ferne entwickelt werden, wie zuletzt beispielsweise der US-Amerikaner Chris Richards (kam mit 18) oder der Niederländer Zirkzee (kam mit 16).
In diesem Sommer verpflichtete der FC Bayern für seine drei ältesten Nachwuchsmannschaften (Reserve, U19, U17) bereits 13 Spieler von anderen Klubs. Für den 17-jährigen Kroaten Lovro Zvonarek, den 16-jährigen Dänen Jonathan Asp und den gleichaltrigen Noah Aseko von Hertha BSC waren sogar Ablösesummen in niedriger Millionen-Höhe fällig. Es kamen Talente vom FC Barcelona oder Juventus Turin, aus Südkorea oder Nigeria. Womöglich verstärkt einer davon irgendwann die Profimannschaft, viel eher dienen sie aber als gute Wertanlage.
Noch bevor es bei ihnen soweit ist, könnten im kommenden Sommer aber zwei aktuell verliehene Spieler Geldbeträge abwerfen: Der einst ablösefrei vom FC Schalke 04 verpflichtete Alexander Nübel ist bei der AS Monaco weiterhin Stammkeeper, der selbst ausgebildete Malik Tillman legte einen beachtlichen Start beim Rangers FC aus Glasgow hin. Für beide dürfte es einen Markt geben.