Diego Forlán, Edinson Cavani, Luis Suárez, Darwin Núñez: Das kleine südamerikanische Land Uruguay produziert seit jeher herausragende Fußballer. Womöglich noch beeindruckender als die Qualität in der Spitze ist aber die Quantität. Laut einer FIFA-Studie arbeitete im Jahr 2021 jeder 485. Mann aus dem etwa 3,5 Millionen Einwohner fassenden Uruguay als Fußballprofi im Ausland.
Einer von 485! Das ist eine sagenhafte Quote, die keine Nation der Welt überbietet. Zum Vergleich: Das wäre wie, wenn rund 86.000 deutsche Männer als Fußball-Legionäre im Ausland ihr Geld verdienen würden. Womöglich brachte ja diese beeindruckende Statistik die Verantwortungsträger des FC Bayern München auf die Idee, dass Uruguay ein formidabler Ort für einen Partner-Klub wäre.
Vertreter der Erstligisten River Plate und Wanderers aus der Hauptstadt Montevideo bestätigten kürzlich einen Austausch mit dem FC Bayern über eine mögliche Zusammenarbeit. "Sie haben uns gesagt, dass sie im Laufe des Monats nach Montevideo reisen werden", verriet River-Präsident Fabián Motta der uruguayischen Zeitung Ovacion Anfang Februar. Auch ein anonymer Wanderers-Manager berichtete bei ESPN von Gesprächen mit den Münchnern. Der FC Bayern wollte sich auf Nachfrage von SPOX und GOAL nicht äußern.
Ein möglicher Partner-Klub in Uruguay könnte als Entwicklungsplattform für Talente aus ganz Südamerika dienen. Nach erster Spielpraxis in der uruguayischen Liga würden die besten irgendwann nach München wechseln, andere gewinnbringend verkauft werden. Die Nachfrage ist bekanntlich groß.
FC Bayern: Zuletzt lag der Fokus auf den USA und China
Für den FC Bayern wäre ein solches Engagement eine Rückkehr auf den südamerikanischen Talente-Markt, den er nach dem Drama um Breno verlassen hatte. Der brasilianische Innenverteidiger kam 2008 im Alter von 18 Jahren für zwölf Millionen Euro nach München, fand sich dort aber nie zurecht und landete wegen Brandstiftung letztlich im Gefängnis. "Wir werden keinen jungen Spieler aus Südamerika mehr holen, das hat keinen Sinn", sagte der damalige Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge 2011.
Infolgedessen orientierte sich der FC Bayern in Richtung anderer Kontinente. Seit 2018 besteht eine Partnerschaft mit dem MLS-Klub FC Dallas aus den USA, seit 2020 mit dem FC Wuhan Three Towns aus der chinesischen Super League. Von beiden Klubs wechselten auch schon Spieler nach München. Der US-Amerikaner Chris Richards wurde nach einigen Profieinsätzen im vergangenen Sommer für zwölf Millionen Euro an Crystal Palace verkauft; der 19-jährige Keeper Shaoziyang Liu avancierte zum ersten Chinesen in der Geschichte des FC Bayern und ist aktuell an den österreichischen Zweitligisten Grazer AK verliehen.
Bei diesen Partnerschaften gibt es nicht nur sportliche Hintergedanken, es geht jeweils auch um die Erschließung der riesigen Wachstumsmärkte USA und China. In New York und Shanghai eröffnete der FC Bayern schon vor Jahren Auslandsbüros, 2022 folgte ein weiteres in der thailändischen Hauptstadt Bangkok. Beim angedachten Engagement in Uruguay dürfte dagegen wohl tatsächlich die Suche nach Talenten im Vordergrund stehen.
Etliche Spitzenklubs engagieren sich bereits in Südamerika, allen voran die beiden berühmtesten Fußball-Konstrukte der Welt. Red Bull verfügt mit Bragantino über einen Ableger in Brasilien, die City Football Group ist mit Montevideo City Torque in Uruguay vertreten. Bei beiden Klubs wurde nach der Übernahme kurzerhand das Logo geändert. Ob ins rot-weiße Wappen von River Plate oder ins schwarz-weiße der Wanderers bald blaue Bayern-Karos integriert werden?
FC Bayern: So könnte eine Partnerschaft umgesetzt werden
Partnerschaften mit ausländischen Klubs oder Unternehmen sind in Uruguay sehr gängig, tatsächlich gibt es zur Erleichterung der Umsetzung sogar ein eigenes System. Für einen bestimmten Zeitraum können Klubs ihre gesamte Verwaltung an eine eigens dafür gegründete sogenannte SAD (Sociedad Anónima Deportiva) abtreten. Laut Ovacion kommt dieses Konstrukt aktuell bei sechs der 16 Erstligisten zur Anwendung. Dem ESPN-Bericht zufolge will auch der FC Bayern eine SAD gründen und auf diesem Wege für 15 Jahre die Kontrolle bei River Plate oder den Wanderers übernehmen.
"Wenn es sich um einen Vorschlag handelt, der wirtschaftlich und sportlich auf allen Seiten passt, werden wir ihn unseren Partnern vorlegen und sie werden ihn in einer Versammlung genehmigen", sagte River-Präsident Motta. Dem Vernehmen nach ist sein Arbeitgeber finanziell arg angeschlagen. In jüngerer Vergangenheit habe es auch schon Gespräche mit "anderen Klubs aus den USA und Europa" gegeben. Dabei soll es sich unter anderem um Atlético Madrid und Inter Miami gehandelt haben. David Beckhams MLS-Klub sei gleichzeitig auch an den Wanderers interessiert gewesen.
Sowohl bei River Plate als auch bei den Wanderers handelt es sich übrigens um Traditionsklubs, die mit ihren berühmten Namensvettern aus Buenos Aires und Wolverhampton weder verwandt noch verschwägert sind. Beide gewannen sogar schon ein paar Meistertitel, jedoch vor Einführung des Profifußballs im Jahr 1932. Mit vier Titeln liegt River Plate im Rekordmeister-Ranking auf Platz drei, die beiden Großklubs Uruguays Peñarol (51 Titel) und Nacional (48) sind aber eher außer Reichweite. In der kürzlich gestarteten neuen Saison überzeugten bisher vor allem die Wanderers: Nach drei Spieltagen liegen sie auf Platz zwei hinter Peñarol.