Die renommierte englische Zeitung Guardian veröffentlicht alljährlich eine Liste der 60 größten Talente der Welt. In der letzten Ausgabe war der Jahrgang 2005 an der Reihe - und der FC Bayern München mit Mathys Tel, Lovro Zvonarek, Paul Wanner und Arijon Ibrahimovic gleich vierfach vertreten. Ein fünftes Talent aus dieser Liste wechselt im kommenden Sommer nach München: Luka Parkadze aus Georgien.
In den Nullerjahren waren Georgier in der Bundesliga noch omnipräsent. Der SC Freiburg hatte mit Levan Kobiashvili, Alexander Iashvili, Levan Tskitishvili und Giorgi Kiknadze zeitweise sogar vier Georgier gleichzeitig im Kader. Und dazu auch noch Tobias Willi, aber der ist tatsächlich gebürtiger Freiburger.
Seit Kobiashvilis Karriereende 2014 bei Hertha BSC wartet die Bundesliga auf ihren nächsten Georgier. Vor zwei Jahren beobachtete der FC Bayern angeblich Khvicha Kvaratskhelia, damals beim russischen Erstligisten Rubin Kasan unter Vertrag. Letztlich entschieden sich die Münchner gegen einen Transfer. Ein Fehler, wie sich herausstellen sollte: Kvaratskhelia wechselte zum SSC Neapel und verwandelte sich dort zu Kvaradona.
Im vergangenen August verpflichtete der FC Bayern mit Parkadze stattdessen einen anderen Georgier: Der 17-jährige Offensivallrounder unterschrieb laut Klubangaben "einen langfristigen Vertrag" ab 2023. "Wir kennen Luka schon seit einiger Zeit und haben ihn immer wieder von unseren Scouts beobachten lassen. Zudem hat er im Probetraining hier am FC Bayern Campus einen glänzenden Eindruck hinterlassen", sagte Campus-Leiter Jochen Sauer damals.
Luka Parkadze: Sein bisheriger Werdegang bei Dinamo
Genau wie Kvaratskhelia entstammt auch Parkadze der Jugendabteilung von Dinamo Tiflis, dem berühmtesten Klub des kleinen Landes am Kaukasus. Dinamo gewann einst zweimal die sowjetische Meisterschaft und 1981 den Europapokal der Pokalsieger, im unabhängigen Georgien ist Dinamo uneinholbarer Rekordmeister und amtierender Titelträger.
Parkadze debütierte in der vergangenen Meistersaison mit nur 17 Jahren, vier Monaten und 14 Tagen für die Profimannschaft. Rekord ist das aber keineswegs, Dinamo testet seine besten Talente traditionell äußerst jung. Vielleicht aus Überzeugung, vielleicht auch aus finanziellen Zwängen: Gleich 16 Spieler waren bei ihrem Debüt noch jünger als Parkadze, Kvaratskhelia beispielsweise fast ein ganzes Jahr.
Generell werden den beiden durchaus Ähnlichkeiten in der Spielanlage nachgesagt, beide sind flink und in der Offensive flexibel einsetzbar. Parkadze könne "sowohl als Flügelstürmer als auch im Zentrum spielen", sagt Luka Lagvilava im Gespräch mit SPOX und GOAL. Der Blogger befasst sich intensiv mit dem georgischen Fußball und betreibt den Twitter-Account GeorgianFooty. Laut Lagvilava liegen Parkadzes Stärken im Dribbling und Passspiel, nachvollziehbarerweise habe er aber noch Defizite im physischen Bereich.
Seiner physische Konstitution nicht zuträglich war auch eine Corona-Erkrankung im Spätsommer. "Mir wurde gesagt, dass seine Form und Fitness nach der Infektion nachgelassen haben und er den Trainingsumfang der Profimannschaft daraufhin nicht mehr stemmen konnte", erklärt Lagvilava. "Seitdem ist er sozusagen im Wiederherstellungsmodus."
FC Bayern: Parkadze überzeugte bei Pleite gegen Deutschland
War Parkadze zuvor noch mehrmals hintereinander Teil der Profimannschaft, reichte es seitdem nur mehr zu drei Kaderplätzen und zwei Kurzeinsätzen. Im Herbst spielte er stattdessen hauptsächlich für die damals noch drittklassige Reserve, kam dort jedoch oft nur von der Bank. Im Dezember gelang immerhin der Aufstieg in die 2. Liga, wo Parkadze seit dem Start der neuen Saison Ende Februar aber nur einmal zum Einsatz kam.
Das Interesse des FC Bayern dürfte Parkadze nicht im Trikot von Dinamo, sondern der georgischen U17-Nationalmannschaft geweckt haben. Beim direkten Duell mit Deutschland vor ziemlich genau einem Jahr machte er trotz einer 0:3-Niederlage positiv auf sich aufmerksam. "Ich bin mir sicher, dass er die Bayerns-Scouts in diesem Spiel überzeugt hat", sagt Lagvilava.
Mit Paul Wanner, Arijon Ibrahimovic und Tarek Buchmann traf er damals übrigens auf gleich drei künftige Kollegen. Dass es anschließend tatsächlich zum Wechsel nach München kam, sei laut Lagvilava in Georgien eine "gewaltige News-Bombe" gewesen: "Wir hatten noch keinen Spieler, der direkt zu so einem starken Klub wie dem FC Bayern gewechselt ist."
In München ist Parkadze zunächst für die U19 oder die Reserve eingeplant.