Franco Baresi gehört zu den größten Milan-Legenden aller Zeiten. Im SPOX-Interview spricht der Ex-Libero über die Faszination der Champions League, die Favoriten in der anstehenden Saison und die Chancen der deutschen Teams. Außerdem klärt er auf, was es mit seinem Spitznamen "Franz" auf sich hat und was das legendäre Milan-Team um van Basten, Gullit und Co. so stark gemacht hat.
Der AC Milan ist unweigerlich mit dem Namen Franco Baresi verbunden. 531 Spiele bestritt der heute 49-Jährige in 20 Jahren für Milan - dem einzigen Verein seiner Karriere.
Mit den Rossoneri gewann er u.a. sechs Scudetti und drei Landesmeistercups bzw. Champions Leagues.
15 Jahre lang trug Baresi, der 1982 Weltmeister und 1994 Vize-Weltmeister mit den Azzurri wurde, die Kapitänsbinde bei den Mailändern. 1989 fehlten ihm nur 39 Punkte zur Wahl des Weltfußballers des Jahres.
Der Titel ging an seinen Teamkameraden Marco van Basten, Dritter wurde mit Frank Rijkaard ebenfalls ein Milan-Spieler. Baresi ist heute in der Marketing-Abteilung der Rossoneri tätig.
SPOX sprach mit Baresi über die am Dienstag beginnende Champions-League-Saison und seine großartige Karriere.
SPOX: Herr Baresi, was macht die Faszination der Champions League aus?
Franco Baresi: Faszination ist genau das richtige Wort. Es ist das wichtigste Turnier, auf das alle hinarbeiten. Die Spieler können sich der Fußballwelt präsentieren und all ihre Qualitäten einem großen Publikum zeigen. Das alles spornt dich als Spieler enorm an und macht großen Spaß - vor allem, wenn man dann auch noch weit kommt. Die Champions League vermittelt einzigartige Eindrücke, die die Meisterschaft nicht auf Lager hat.
SPOX: Was sind die größten Unterschiede zwischen den nationalen Meisterschaften und der Champions League?
Baresi: Die Atmosphäre ist eine andere. Mann misst sich mit anderen Kulturen und unterschiedlichen Realitäten. Es geht gegen die besten Klubs und Spieler und man trifft auf einen ganz anderen Enthusiasmus in neuen Stadien.
SPOX: Was ist Ihre schönste Erinnerung an diese Trophäe?
Baresi: Das schönste Gefühl ist klarerweise der Moment des Triumphes. Wenn man es bis ins Finale schafft und dann auch noch gewinnt, bricht alles aus einem heraus. Ich kenne auch die andere Seite, denn ich habe auch Endspiele verloren. Besonders in Erinnerung ist mir unser erster Finalsieg 1989 gegen Steaua Bukarest in Barcelona geblieben. Dann der Erfolg im Finale von Wien. Und natürlich der Triumph in Athen gegen den FC Barcelona. Ich habe damals nicht gespielt, aber dieser Sieg war ein ganz besonderer, da wir in diesem Jahr auch den Scudetto geholt haben.
SPOX: Wen schätzen Sie in der anstehenden CL-Saison am stärksten ein?
Baresi: Der große Favorit heißt Barcelona. Nicht nur, weil sie Titelverteidiger sind, sondern auch, weil sie ein eingespieltes Team sind, das eine automatisierte Spielweise und eine gewisse Kultur hat. Dadurch gehen sie mit einem Vorsprung ins Rennen. Dann gibt es die üblichen Verdächtigen: Real, das auf dem Transfermarkt groß zugeschlagen hat, ManUtd und auch auf die italienischen Teams sollte man aufpassen.
SPOX: Was trauen Sie Chelsea mit Carlo Ancelotti, Ihrem ehemaligen Teamkollegen, zu?
Baresi: Die Blues darf man natürlich auch nicht vergessen. Sie scheinen ein richtig gutes Team zu haben, das sich zudem in den letzten Jahren jede Menge Erfahrung und Vertrauen in die eigenen Mittel geholt hat. Zusätzlich bringt Carlo jetzt all seine Erfahrung und damit auch eine große Euphorie mit.
SPOX: Wie wichtig ist der Trainer, um die Champions League zu gewinnen?
Baresi: Um eine große Mannschaft erfolgreich zu coachen, muss man in erster Linie die vielen Topspieler gut führen können. Es muss ein positives Ambiente geschaffen und der Teamzusammenhalt gefördert werden. Die Qualität der Spieler trägt dann selbstverständlich auch ihren Teil dazu bei.
SPOX: Wie steht es um "Ihre" Rossoneri?
Baresi: Im vergangenen Jahr blieben wir hinter unseren Erwartungen zurück. Seit diesem Sommer ist ein Erneuerungsprozess im Gang. Inter und Juve haben viel investiert und zwei schlagkräftige Teams auf die Beine gestellt. Wir wünschen uns, dass die italienischen Teams wieder für Furore in Europa sorgen. Das ist uns in letzter Zeit nicht gelungen.
SPOX: Was erwarten Sie sich von den deutschen Mannschaften?
Baresi: Der FC Bayern kann eine Überraschung werden. Ganz wichtig wird der Start, denn durch gute Resultate kommt auch das Selbstbewusstsein. Die Bayern sind erfahren und haben die Fußballgeschichte mitgeschrieben. Kurzum: Auf sie muss man immer ein Auge werfen.
SPOX: Was macht die Bayern gefährlich?
Baresi: Franck Ribery ist bärenstark. Arjen Robben hat Qualitäten gebracht, die es so noch nicht gab. Dann ist da noch Mario Gomez, der immer seine Tore macht, und einen Luca Toni als Alternative zu haben, ist auch nicht verkehrt.
SPOX: Deutscher Meister wurde zuletzt aber der VfL Wolfsburg.
Baresi: Ja, die große Überraschung des vergangenen Jahres. Die Wolfsburger werden jetzt ins kalte Wasser geworfen und man darf gespannt sein, wie sie sich zurechtfinden. Aber sie haben ja einen tollen Stürmer.
SPOX: Sie meinen Edin Dzeko, hinter dem Milan lange Zeit her war?
Baresi: Ja, er gefällt mir sehr gut. Ich habe ihn einige Male gesehen. Er ist kräftig und hat eine tolle Technik, ein super Stürmer.
SPOX: Sie sind einer der besten Abwehrspieler aller Zeiten. Welche Verteidiger beeindrucken Sie heute?
Baresi: Oh, da gibt es einige. Von Alessandro Nesta und Fabio Cannavaro über John Terry und Rio Ferdinand hin zu Carles Puyol. Viele Innenverteidiger haben in den vergangenen Jahren überragende Leistungen gebracht.
SPOX: Ihr Spitzname "Franz" kommt besonders in Deutschland gut an.
Baresi: Für mich war es immer eine Ehre, mit Franz Beckenbauer verglichen zu werden. Er war für mich ein Held. Ich habe ihn spielen sehen und seine Größe bewundert.
SPOX: Haben Sie ihn persönlich kennengelernt?
Baresi: Ja, wir sind uns ein paar Mal über den Weg gelaufen. Er war immer sehr freundlich. Bereits bei der Weltmeisterschaft 1990, bei der ich gespielt habe, hatte er immer lobende Worte für mich übrig. Ich fühlte mich sehr geschmeichelt.
SPOX: Zurück zu Milan. Was hat die Mannschaft um Marco van Basten, Ruud Gullit und Sie zu so einem besonderen Team gemacht?
Baresi: Der Verein hat seine Mentalität, seinen Zusammenhalt und das Zugehörigkeitsgefühl auf uns Spieler übertragen. Wenn ein Spieler zu Milan kommt, lernt er zuallererst die große Arbeitsmoral kennen, die hier herrscht. Der Klub hat ein ideales Ambiente und die perfekten Bedingungen geschaffen, um gut arbeiten zu können. Dazu kamen ein großer Enthusiasmus und viel Hingabe.
SPOX: Wer waren die Eckpfeiler dieses Superteams?
Baresi: Coach Arrigo Sacchi und Präsident Silvio Berlusconi haben wichtige Rollen gespielt. Wir haben in jenen Jahren etwas Neues auf die Beine gestellt, das man so zuvor nicht kannte. Dieser offensivere und besser organisierte Fußball war unsere Stärke. Uns ist es gelungen, dieses Modell auf unsere großen Champions, wie zum Beispiel die drei Holländer, zu übertragen.
SPOX: Haben Sie als Libero und Abwehrchef damals Einfluss auf Sacchis Taktik genommen?
Baresi: Ich glaube, wir haben beide unseren Teil dazu beigetragen. Es war ein Geben und Nehmen. Sacchi hat völlig neue Ansichten mitgebracht und ist auf eine Mannschaft getroffen, die ihm gefolgt ist und ihn auf diesem Weg unterstützt hat.
SPOX: Der italienische Fußball war zu dieser Zeit in Sachen Taktik führend. Ist das auch heute noch so?
Baresi: Italien ist immer noch ganz vorne, allerdings haben sich auch die anderen weiterentwickelt. Alle sind heute sehr gut organisiert und vorbereitet. Die Trainer wissen mittlerweile alles von allem, es gibt keine Geheimnisse. Deshalb ist es ausgeglichener geworden.
SPOX: Zurück zum heutigen AC Milan. Leonardo hat alles andere als eine leichte Aufgabe auf der Milan-Bank übernommen.
Baresi: Das stimmt, dieses Jahr ist ein besonderes. Dies ist eine große Chance für ihn, er hat die Möglichkeit, viel Erfahrung zu sammeln. Der Kader ist immer noch gut - auch wenn Spieler wie Paolo Maldini und Kaka nicht mehr da sind.
SPOX: Neben Kaka und Maldini hat auch Ancelotti die Mannschaft verlassen. Welcher Abgang schmerzt am meisten?
Baresi: Alle drei waren in den letzten Jahren immens wichtig, aber einen Spieler wie Kaka zu ersetzen, wird alles andere als leicht. Milan hat aber Spieler, die dieser Saison ihren Stempel aufdrücken können. Ich denke da an Ronaldinho oder Pato. Dazu ist noch Klaas-Jan Huntelaar gekommen und Pippo Inzaghi ist ja auch noch da. Das sind Spieler mit großer Qualität und Erfahrung.
SPOX: Die Milan-Fans haben aber auch noch Sie in ihrem Herzen. In der Curva Sud in San Siro gibt es immer noch ein riesiges Spruchband "Baresi 6".
Baresi: Es ist eine große Freude, dass die Tifosi mir nach so vielen Jahren immer noch sehr verbunden sind. Sie zeigen mir regelmäßig ihre Wertschätzung.
Hier geht es zurück zum ersten Teil des Interviews
Franco Baresi im Steckbrief