Robocop-Real und Kahns Flutschfinger

SPOX
16. April 201212:29
Cl-Achtelfinale, März 2007: Die Bayern retten den 2:1-Sieg über Real Madrid über die ZeitImago
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Bayern München gegen Real Madrid - "zwei Riesen in Flammen" treffen am Dienstag im Champions-League-Halbfinale zum 19. Mal aufeinander (20.15 Uhr im LIVE-TICKER). Es gab viele legendäre Spiele im "Clasico de Europa". SPOX blickt zurück, u.a. auf Juanitos Monsterfoul, Beckhams Schneebälle und den Untergang des letzten deutschen Fußballmythos.

Woher der Begriff genau kommt, ist kaum überliefert. Auch, was er denn genau bedeutet, ist ein großes Mysterium. Vermutlich waren die Redakteure der "Marca" die ersten, die dem Ungetüm "la bestia negra" Leben einhauchten.

Anfang des Jahrtausends erschuf die spanische Presse das Feindbild, es hat sich bis heute gehalten. Der große Rivale von Real Madrid wurde plastisch, wobei die Meinungen auseinanderdriften, wie sich "la bestia negra" denn nun ins Deutsche übersetzen lässt: Wörtlich als schwarze Bestie, die mittelalterliche Pest oder schlicht: der Angstgegner. SPOXGetty

Da bleibt ein bisschen Spielraum. Wenige Interpretationsmöglichkeiten lässt die tiefe Abneigung, die beide Klubs besonders in den 80er Jahren gegenseitig hegten. 18 Mal trafen sich Real und Bayern auf europäischer Bühne, die Bilanz spricht bei zehn Siegen und nur sechs Niederlagen dabei für die Münchner.

Wobei in den K.o.-Phasen in Landesmeistercup und Champions League beide jeweils viermal weiterkamen und die Statistik da ausgeglichen ist. "Bayern München und Real Madrid: zwei Riesen in Flammen, wenn sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen", schrieb die "Marca" vor wenigen Tagen.

Die Geschichte und Geschichten der 18 Spiele sind teils mythisch, teils tragisch, manche davon heute in der Art unvorstellbar. SPOX blickt auf fünf der legendärsten Duelle zwischen dem FC Bayern und Real Madrid zurück.

8. April 1987, Halbfinale im Landesmeistercup, Bayern München - Real Madrid 4:1

Es ist die Zeit, als deutsche Fußballer gleichgesetzt werden mit Kampfmaschinen und humorlosen Tretern - nicht ganz zu Unrecht. Real reist als leichter Favorit ins Olympiastadion, mit Haudegen wie Buyo, Camacho, Gordillo oder Gallego in der Mannschaft, die - wie sich herausstellen sollte - selbst auch ganz gut austeilen können und so gar nicht dem eigenen Klubanspruch des feinen Spiels genügen.

Die Bayern spielen sich in der ersten Halbzeit in einen Rausch und führen nach 37 Minuten schon 3:0. Am Ende sehen die 75.000 ein 4:1 und eins der hinterhältigsten Fouls der Europacupgeschichte.

Lothar Matthäus liegt nach einem Foul bereits am Boden, als Real-Hitzkopf Juanito - Jahre zuvor nach einem Kopfstoß gegen einen Schiedsrichter schon für 24 Monate aus dem Verkehr gezogen - dem verletzten Matthäus brutal in die Rippen steigt, direkt vor den Augen von Schiedsrichter Bob Valentine.

Der ist als Schotte der rustikalen Gangart zwar nicht abgeneigt, kann angesichts der Brutalität und Rücksichtslosigkeit Juanitos aber gar nicht anders, als dem Spanier Rot zu zeigen. Juanito wird von der UEFA für fünf Jahre für alle europäischen Wettbewerbe gesperrt. Auch Kollege Mino fliegt später noch vom Platz.

Grund genug für die Real-Fans, beim Rückspiel im Bernaubeu ziemlich wild auszuticken. Eisenstangen, Knüppel, Steine, Feuerwerkskörper fliegen den Bayern-Spielern entgegen, auch ein Messer landet aufgeklappt wenige Meter neben Torhüter Jean-Marie Pfaff. Was der belgischen Ulknudel aber scheinbar vollends egal war. "Ich persönlich weiß gar nicht, was Angst ist!"

Klaus Augenthaler macht ob der aggressiven Gangart der Königlichen mit beiden Zeigefingern an den Schläfen den Stier und fliegt nach einem Revanchefoul gegen Hugo Sanchez schon nach einer halben Stunde vom Platz. In den Katakomben "habe ich zehn Zigaretten in fünf Minuten geraucht", am Ende war alle Aufregung aber umsonst. Die Bayern verlieren zwar 0:1, sind damit aber trotzdem weiter.

Teil 2: Robocop-Real und Bayern-Gala im Bernabeu

Teil 3: Kahns Flutschfinger und van Bommels Provokation

16. März 1988, Viertelfinale im Landesmeistercup, Real Madrid - Bayern München 2:0

Rund ein Jahr später treffen beide wieder aufeinander. Wieder gewinnen die Bayern das Hinspiel, diesmal aber nach einer 3:0-Führung und zwei späten Gegentreffern von Butragueno und Hugo Sanchez nur denkbar knapp.

Das Rückspiel machen 100.000 im Bernabeu wieder zu einem zweifelhaften Spektakel. Die aufreizende Lässigkeit von Pfaff im Jahr zuvor ist noch längst nicht vergessen, besonders Hugo Sanchez beginnt von der ersten Sekunde an einen Privatkrieg mit dem Belgier.

Die Zeitung "El Pais" behauptet, Sanchez habe die Mannschaft am Vorabend ins Kino eingeladen, zur Einstimmung auf die Schlacht gegen die Bayern soll der Streifen "Robocop", einer der brutalsten Filme des Jahres 1988, gedient haben."

Als die Spieler das Kino verließen, war die Anweisung klar. Gegen die Bayern gilt es, ein 'Robocop' zu sein", schrieb "El Pais". "Die Geschichte der beiden ist überlagert von Spannungen, Ellbogenchecks und Tritten ins Gesicht. Unter diesen Umständen wäre es reiner Selbstmord, mit einem Sträußchen Blumen in der Hand aufzulaufen."

Am Tag der Anreise mussten die Bayern ihr Hotel in der Stadt räumen, weil gleich mehrere Bombendrohungen eingegangen waren. Das Spiel beginnt mit einem herzhaften Tritt Sanchez' in Pfaffs Brust. Von da an jagen Augenthaler, Norbert Eder und Hansi Flick den Mexikaner förmlich über den Platz.

Pfaffs Reaktion nach dem 0:2 ist weitaus gesundheitsschonender, wenngleich auch ebenso unsportlich. Der Belgier weigert sich beharrlich, wie vorher abgesprochen sein Trikot mit Emilio Butragueno zu tauschen.

Stattdessen trägt Bayerns Zeugwart nach dem Spiel das von Flick in die Kabine. El Buitre soll dankend abgelehnt haben. Im dritten Aufeinandertreffen fliegen die Bayern durch die Niederlage übrigens erstmals gegen Real Madrid aus dem Wettbewerb.

29. Februar 2000, CL-Zwischenrunde, Real Madrid - Bayern München 2:4

Fast zwölf Jahre vergehen bis zum erneuten Aufeinandertreffen. Eine lange Zeit, die auch nicht mehr, wie vor den hässlichen Duellen Mitte der 80er Jahre noch üblich, mit launigen Freundschaftsspielen überbrückt wurde. Man hatte sich nichts mehr zu sagen. Vor dem Spiel sorgen beide Seiten für eine wieder einmal aufgeheizte Stimmung.

"Deutschland ist die Siegesmaschine. Bei jedem Spiel habe ich die Vorstellung, dass unter dem Rasen Hunderte von kräftigen Deutschen sitzen und in die Pedale treten, rudern oder an einer Kurbel drehen. Ich glaube sogar, das Geräusch der laufenden Maschine zu hören: Rrrrrrrrrrr....", schreibt Real-Sportdirektor Jorge Valdano in seinem Buch.

Vicente del Bosque ist damals Trainer der Königlichen, auch der sonst so besonnene Schnäuzer erkennt bei den Bayern "kein Herz, sondern nur Kampf". Oliver Kahn dagegen pflegt die Abneigung gegen bayerische Torhüter, spricht von einer "angenehmen Hölle" im Bernabeu und beginnt flugs seinen eigenen kleinen Feldzug gegen Roberto Carlos.

Was die Bayern aber auf den Rasen zaubern, sollte das Beste sein, das je eine deutsche Mannschaft auf spanischem Boden gespielt hat. Mit dem 2:4 ist Madrid noch bestens bedient, auch im Rückspiel in München kassiert Iker Casillas vier Stück. Die Bayern putzen Real zweimal weg wie nix.

Giovane Elber, erwiesenermaßen Brasilianer, prescht voreilig nach vorne. "Der Trainer von Real, Camacho, Caramba, oder wie der heißt, hat gesagt, dass die Deutschen nur kämpfen und nicht kombinieren. Heute hat er etwas gelernt. Nächstes Mal soll er seine Fresse halten."

Wäre Elber mal lieber ruhig geblieben: Ein paar Wochen später treffen sich beide im Halbfinale erneut - die Bayern scheiden mit 0:2 und 2:1 aus und Real holt sich wenig später im Finale von Paris beim 3:0 über Valencia den Titel.

Teil 1: Juanito ist Lothars bester Freund

Teil 3: Kahns Flutschfinger und van Bommels Provokation

24. Februar 2004, CL-Achtelfinale, Bayern München - Real Madrid 1:1

"Jetzt verbrüdern sich die Deutschen schon mit dem Wettergott, wenn es gegen Real Madrid geht", schrieb die "AS" vor dem Hinspiel. München begrüßte die Königlichen mit Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt, der Schnee hatte Süd-Deutschland fest im Griff.

Das Abschlusstraining der Real-Stars im Olympiastadion mutierte zur Schneeballschlacht, Ivan Helguera wurde von David Beckham mit der weißen Pracht eingeseift. Im Spiel froren Becks, Figo, Zidane, Ronaldo und Co. regelrecht fest, die Bayern waren klar überlegen, schossen aber "nur" ein spätes Tor durch Roy Makaay (75.).

In der 83. Minute bekam Real nach einem Foul von Ze Roberto an seinem Kumpel Ronaldo einen Freistoß zugesprochen. 30 Meter Tornentfernung, zentrale Position. Eigentlich Blasphemie, es von dort direkt gegen Oliver Kahn zu versuchen. Roberto Carlos, der unumstrittene König der Freekicks, tat's trotzdem und wie immer mit riesen Anlauf und ordentlich Schmackes.

Der Ball war nicht sonderlich schnell unterwegs, ein flaches Ding ohne Drall und dann auch noch Richtung Torwarteck. Kahn tauchte ab und war in Gedanken schon beim Abwurf. Der Ball flutschte ihm zwischen Brust, Schultern und angewinkelten Armen durch und kullerte über die Linie.

Nach Abpfiff ließ Kahn seine Handschuhe im Fünfmeterraum liegen. "Jetzt muss ich das Rückspiel in Madrid halt alleine gewinnen", sagte er trotzig. Daraus wurde nichts. Real gewann dank Zidane mit 1:0, übrigens im wohl schlechtesten Spiel zwischen dem FC Bayern und Real Madrid.

Kahns Fehler und das damit verbundende Aus der Bayern im Achtelfinale wurde in Spanien mit höchstem Genuss registriert. "Marca"-Redakteur Diego Torres schrieb: "Es war der wohl endgültige Untergang des letzten deutschen Fußballmythos."

20. Februar 2007, CL-Achtelfinale, Real Madrid - Bayern München 3:2

Am Spieltag machte die "Marca" mit einem Dreck verschmierten Gesicht von Oliver Kahn auf und titelte: "Das ist der Feind". Als wahres Hassobjekt sollte sich aber später ein anderer Bayernspieler herausstellen.

In einem Spiel voller bemerkenswerter Abwehrfehler führte Real bis zur 88. Minute mit 3:1, ehe Mark van Bommel alles in einen Rechtsschuss aus knapp 20 Metern legte und den Ball durch Sergio Ramos hindurch ins rechte Eck hämmerte.

Van Bommel zelebrierte seinen Treffer mit einer eindeutigen "F*** you"-Geste Richtung Real-Fans. Der Niederländer, der 2006 mit dem FC Barcelona die Champions League gewonnen hatte, entschuldigte sich eher halbherzig für die Aktion. "Ich muss mich bei den Fans entschuldigen. Ich habe nichts gegen sie, aber gegen einige Spieler von Real."

Spieler und Funktionäre der Königlichen waren derart über diese "inakzeptable Provokation" empört, dass der Verein bei der UEFA eine Sperre für van Bommel für das Rückspiel beantragte. Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge reagierte gelassen: "Da kann gar nichts passieren, das ist lächerlich."

Er sollte Recht behalten. Die UEFA verzichtete auf eine Sperre und van Bommel zog mit den Bayern durch ein 2:1 im Rückspiel ins Viertelfinale ein.

Teil 1: Juanito ist Lothars bester Freund

Teil 2: Robocop-Real und Bayern-Gala im Bernabeu