Die Mutter aller Hässlichkeiten

Daniel Reimann
29. April 201413:40
Und plötzlich brannten ihm die Sicherungen durch: Juanitos übler Tritt gegen Lothar Matthäusimago
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Im Halbfinal-Rückspiel gastiert Real Madrid mal wieder beim FC Bayern München (20.30 Uhr im LIVE-TICKER). Eine Partie, die meist Spektakel, Emotionen und tolle Tore bot - und das stets mit gutem Ende für die Bayern. SPOX blickt zurück auf fünf unvergessliche Duelle.

8.4.1976, Halbfinal-Rückspiel, 2:0: Chancenlos mit 9 Mann

Jaime D.P. wollte eigentlich nur ein Fußballspiel live erleben. Mit seiner Frau, die im sechsten Monat schwanger war, seinem Bruder und seinem Schwager ergatterte er Eintrittskarten fürs Halbfinalhinspiel im Bernabeu.

Dank eines frühen Führungstreffers sah alles nach einem märchenhaften Abend aus - doch Referee Erich Linemayr brachte die Madrid-Fans noch gehörig auf die Palme.

Ein verwehrter Eckball kurz vor dem Ausgleich, Sepp Maiers Nasenbrecher-Zusammenstoß mit Roberto Martinez und ein vermeintlich zu Unrecht nicht gegebener Elfmeter verärgerten die königliche Anhängerschaft gewaltig. Insbesondere Jaime, der sich kurzerhand entschloss, aufs Spielfeld zu stürmen und Linemayr mit einer knallharten Rechten seine Unzufriedenheit kundzutun.

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Uli Hoeneß ging als Erster dazwischen, wenig später griff auch Sepp Maier ein. "Ich habe mich todesmutig dazwischen gehechtet, den Hund in den Schwitzkasten genommen und der Polizei übergeben", berichtet er stolz. Jamie ging als "El Loco del Bernabeu" in die Geschichte ein.

Im Rückspiel auf deutschem Boden war für die Königlichen schließlich nichts mehr zu holen. Ein Doppelpack von Gerd Müller besiegelte Bayerns Finaleinzug.

Die Legionäre Paul Breiter und Günther Netzer wurden gnadenlos ausgepfiffen und zeigten einen miserablen Auftritt. "Wir haben mit neun Mann gespielt", klagten die Real-Fans hinterher. Bayern hingegen sicherte sich im Finale den dritten Titel in Serie.

1976: Chancenlos mit neun Mann

1987: Die Mutter aller Hässlichkeiten

2000: Abreibung und Abschied

2001: Trauma-Bewältigung dank Jerry

2012: "Ich bin einfach blind durchgelaufen"

8.4.1987, Halbfinal-Hinspiel, 4:1: Die Mutter aller Hässlichkeiten

Es begann schon ein wenig hässlich. Was Klaus Augenthaler da im Fallen produzierte, war auf den ersten Blick nicht gerade ein Leckerbissen für Fußball-Ästheten. Während ihm das Standbein leicht wegknickte, schwang er sein rechtes Bein eher rustikal durch und drückte die Kugel damit aus 19 Metern durch die Beine seines Gegenspielers in Richtung Tor.

Während das Stadion bereits jubelte, musste sich der verdutzte TV-Reporter erst die Augen reiben, ehe er realisierte: "Der Ball ist drin!" Irgendwie war der Ball unhaltbar rechts unten eingeschlagen. Die Abzüge bei der Haltungsnote nahmen die Bayern gerne in Kauf.

In der Folgezeit wurde es hässlich für Madrid. Innerhalb von 25 Minuten schraubten die Bayern den Vorsprung auf drei Tore hoch, den Königlichen drohte eine krachende Blamage. Was dann passierte, beschrieb der "Guardian" wie folgt: "Nachdem Real wie eine Pub-Truppe verteidigte, war es womöglich nicht überraschend, dass sie sich schließlich auch so benahmen."

Es war Juanito, der für die Mutter aller Hässlichkeiten sorgte. Er suchte sich den zu Boden geschubsten Lothar Matthäus als Opfer aus, nachdem dieser einen Real-Spieler gefoult hatte. Mit etwa zehn schnellen Schritten Anlauf stieg er Matthäus herzhaft in den Rücken. Und noch während Schiedsrichter Bob Valentine dazwischen ging, verpasste Juanito Bayerns Libero noch einen üblen Stollenabdruck auf die rechte Wange. "Dass sich Lothar nicht den Kiefer bracht, war ein Wunder", erinnerte sich Andi Brehme.

Die Folge: Rote Karte für Juanito, eine Rekord-Geldstrafe von Seiten des Vereins, eine fünfjährige Sperre im Europapokal und auch: Das Ende seiner Karriere bei Real. Ein paar Monate später wechselte er nach Malaga. Ach ja: Das Spiel endete 4:1, bei Real flog auch noch Mino vom Platz.

1976: Chancenlos mit neun Mann

1987: Die Mutter aller Hässlichkeiten

2000: Abreibung und Abschied

2001: Trauma-Bewältigung dank Jerry

2012: "Ich bin einfach blind durchgelaufen"

8.3.2000, Zwischenrunde, 4:1: Abreibung und Abschied

Schon im Hinspiel wurden die Königlichen nach Strich und Faden vermöbelt. Vier wunderschöne Tore von Mehmet Scholl, Stefan Effenberg, Thorsten Fink und Paulo Sergio besiegelten einen 4:2-Auswärtssieg und standen stellvertretend für eines der besten Bayern-Spiele der letzten Jahre.

Von Euphorie beflügelt, stichelte Giovanne Elber nach dem Spiel in Richtung des Gegners: "Dieser Trainer, Camacho, Caramba oder wie der heißt, hat vor dem Spiel im spanischen Fernsehen gesagt, die Deutschen können nur kämpfen und Fußball in Deutschland ist nur bumm, bumm, bumm. Nächstes Mal soll er die Fresse halten." Dass er Madrids Coach Vicente del Bosque mit Nationalcoach Jose Antonio Camacho verwechselt hatte, war bei diesem eindeutigen Statement eher Randnotiz.

Das Rückspiel in München mutierte zu einer Gala sondergleichen. Wie schon anno 87 erhielten die Königlichen eine saftige Abreibung im Olympiastadion. Scholl und Elber stellten nach 30 Minuten die Weichen auf Sieg, Routinier Fernando Hierro hingegen wusste überhaupt nicht, wie ihm geschah. Alexander Zicklers Doppelpack in der Schlussphase besorgte die Krönung. Doch der größte Moment blieb einem Anderen vorbehalten.

In der 90. Minute erleuchtete auf der Tafel an der Seitenlinie das letzte Mal die legendäre Nummer 10, als Lothar Matthäus für Patrick Anderson Platz machte. Das Stadion erhob sich, Matthäus verabschiedete sich von seinen Teamkollegen und Gegenspielern persönlich. Mit Tränen in den Augen klatschte er ein letztes Mal die Bayern-Bank ab. Zwei Tage später wechselte er nach New York.

1976: Chancenlos mit neun Mann

1987: Die Mutter aller Hässlichkeiten

2000: Abreibung und Abschied

2001: Trauma-Bewältigung dank Jerry

2012: "Ich bin einfach blind durchgelaufen"

9.5.2001, Halbfinal-Rückspiel, 2:1: Trauma-Bewältigung mit Jerry

Ein Jahr ganz im Zeichen der Trauma-Bewältigung. Im Viertelfinale schalteten die Bayern Manchester United aus. Beide Spiele gegen die Red Devils wurden gewonnen. Ein klein wenig Genugtuung für die verhängnisvolle Nachspielzeit von 1999. Im Halbfinale ging es - wie schon im Jahr zuvor - gegen Real Madrid.

Nachdem die Königlichen Bayern in der Vorsaison noch ausgeknockt und sich den Titel geholt hatten, standen diesmal die Zeichen auf Rache. Nach dem 1:0 im Hinspiel wurde Jens Jeremies in München zum tragischen Helden. Nur drei Wochen nach seiner Knie-OP opferte er sich für das Team auf, zeigte eine überragende Partie und traf sogar zum 2:1-Endstand.

Der Lohn: Das Finale, das Bayern gegen Valencia schließlich im Elfmeterschießen gewann und damit endgültig das Trauma von 1999 besiegte. Doch der Preis, den Jeremies dafür bezahlt hatte, war hoch: Acht Monate lange fiel er mit Knieproblemen aus. Selbst nach seinem Comeback wurde er nie wieder der Alte.

1976: Chancenlos mit neun Mann

1987: Die Mutter aller Hässlichkeiten

2000: Abreibung und Abschied

2001: Trauma-Bewältigung dank Jerry

2012: "Ich bin einfach blind durchgelaufen"

17.4.2012, Halbfinal-Hinspiel, 2:1: "Einfach blind durchgelaufen"

Man konnte nicht so recht verstehen, weshalb Jose Mourinho einmal mehr auf seinen Landsmann setzte. Wieder einmal erhielt Fabio Coentrao in einem wichtigen Auswärtsspiel den Vorzug vor Marcelo. Auswärts deshalb, weil der Portugiese zu jener Zeit im heimischen Bernabeu sogar Pfiffe kassierte. Wieder einmal machte er eine schlechte Figur.

Gegen Arjen Robben hatte der Linksverteidiger mehrmals das Nachsehen, doch so richtig übel wurde es erst in der 92. Minute. Philipp Lahm, nicht unbedingt als Erfinder des offensiven Tempodribblings bekannt, wagte einen letzten Antritt über rechts. Mit einer einfachen Körpertäuschung tanzte er Coentrao aus, der Madrilene senste tölpelhaft ins Leere.

Lahm zog zur Mitte, und brachte die Kugel scharf vors Tor, wo Mario Gomez ihn in ultimativer Gomez-Manier zum 2:1 versenkte - und hinterher wie folgt kommentierte: "Ich bin einfach blind durchgelaufen, weil ich mir dachte, der wird jetzt reinkommen. Ich weiß gar nicht, mit welchem Körperteil ich den reingemacht habe." Fußball-Ästhet Jose Mourinho hingegen moserte über eine "etwas hässliche Partie".

1976: Chancenlos mit neun Mann

1987: Die Mutter aller Hässlichkeiten

2000: Abreibung und Abschied

2001: Trauma-Bewältigung dank Jerry

2012: "Ich bin einfach blind durchgelaufen"