Thorgan Hazard kommt aus einer Fußballer-Familie: Neben seinen Brüdern Eden und Kylian waren auch seine Eltern Profis. Er selbst wechselte vor der Saison endgültig vom FC Chelsea zu Borussia Mönchengladbach. Im Interview spricht er über Jose Mourinho, Lucien Favre, den Trainerwechsel und die Gerüchte über einen Wechsel in der Winterpause.
SPOX: Herr Hazard, in Ihrer Kindheit mussten Sie oft in den sauren Apfel beißen und sich von Ihrem Bruder Eden die Bälle um die Ohren schießen lassen. Wieso sind Sie dann eigentlich nicht gleich Torhüter geworden?
Thorgan Hazard: Ich habe damals Eden nachgeeifert und wollte auch im Feld spielen, rennen, schießen und so weiter. Ich musste immer in den Kasten, weil ich eben der Jüngere war. Das war besonders im Winter nicht so schön. Ich habe immer gefroren und Eden hat sich warm geschossen. (lacht) Als mein zweiter Bruder Kylian so weit war und mitgespielt hat, haben wir ihn zwischen die Pfosten gestellt.
SPOX: Neben Eden und Ihnen spielt auch Kylian professionell Fußball. Auch Ihre Eltern haben Karrieren als Fußballer hingelegt. Profi zu werden war in Ihrer Familie also alternativlos?
Hazard: Fußball hat in unserer Familie auf jeden Fall immer schon die Hauptrolle gespielt. Auch meine Onkel und Cousins haben gekickt. Unsere Eltern haben uns aber keineswegs dazu gedrängt, Fußball zu spielen. Wir hatten freie Wahl, die dann letztlich wenig überraschend ausfiel. Wir haben aber auch Tennis und Tischtennis gespielt oder Leichtathletik gemacht. Als ich Eden Fußball spielen gesehen habe, wollte ich das als kleiner Bub auch können und bin ihm gefolgt.
SPOX: Wie sah es in Ihrer Kindheit aus, haben Sie pausenlos zusammen gekickt?
Hazard: Ja, ständig. Wenn das Wetter schön war, ging es im Garten zur Sache, ansonsten im Haus. Das fand dann unsere Mutter nicht so prickelnd, da wir in schöner Regelmäßigkeit irgendwelche Gegenstände kaputt geschossen haben. Wir hatten eine normale Kindheit und haben typische Dinge getan, die Brüder in einem solchen Alter eben gerne tun.
SPOX: Welchem Verein haben Sie damals die Daumen gedrückt?
Hazard: Wir fanden alle die französische Nationalmannschaft super, da sie um die Jahrhundertwende herausragend gut war. Belgien spielte für uns keine große Rolle, das Team war einfach zu schwach. Zinedine Zidane und Thierry Henry waren zwei unserer großen Idole, daher haben wir hauptsächlich die Franzosen verfolgt. Auf Vereinsebene schauten wir häufig die Spiele von Real, Milan, ManUnited oder Arsenal.
SPOX: Ab wann war klar, dass Sie eine Karriere als Profifußballer einschlagen möchten?
Hazard: Fußball war für uns zunächst nur ein großer Spaß. Als Eden mit 14 Jahren nach Frankreich ins Nachwuchsleistungszentrum des OSC Lille ging und mit 16 bereits bei den Profis mit dabei war, hat uns das natürlich auch inspiriert und Hoffnung gemacht. Ich bin dann ebenfalls mit 14 zum RC Lens gegangen, Kylian später mit 15 nach Lille. Von da an haben wir konzentriert an uns gearbeitet, um wie Eden professionell Fußball zu spielen.
SPOX: Und Sie haben den Versuchungen wie Partys oder Frauen immer widerstehen können, die in diesem Alter allmählich auf den Plan kommen?
Hazard: Ich kenne meine Frau, seitdem ich 15 bin. Eden ging mit seiner Frau zur Schule. Dieses Kapitel war also frühzeitig geschlossen. (lacht) Wir haben Partys wie alle andere Jugendlichen auch gefeiert, nur nicht jedes Wochenende. Wenn wir mal frei hatten, war es uns nicht verboten, die Sau herauszulassen. Alles in Maßen eben.
SPOX: Ihr dritter Bruder Ethan ist zwölf Jahre alt. Es scheint, als wäre für ihn der Fußball nicht die ganz große Leidenschaft wie bei seinen Brüdern.
Hazard: Er spielt für Braine-le-Comte in unserer Heimat. Bei diesem Klub haben wir auch angefangen. Der Unterschied zu uns ist: er ist jetzt meistens allein zu Hause, seine drei Brüder sind nur selten da. Er erlebt eine andere Kindheit als wir und hat weniger Sparringspartner innerhalb der Familie, mit denen er im Garten kicken kann. Fußball ist für ihn mehr ein Hobby.
SPOX: Kylian dagegen wechselte im Sommer nach Ungarn zu Ujpest Budapest. Wem ähnelt er als Spielertyp mehr, Eden oder Ihnen?
Hazard: Ich denke, er erinnert eher an Eden. Er ist in etwa so groß wie er, sehr schnell und technisch gut. Nachdem er in Belgien zum Profi wurde, hat er sich dazu entschieden, den nächsten Schritt in Budapest gehen zu wollen. Dort läuft es ziemlich gut für ihn, er darf regelmäßig spielen und trifft auch ins Tor. Er ist weit weg, aber ihm gefallen die Stadt und das Leben dort sehr.
SPOX: In Ihrer Jugendzeit wurden Sie häufig mit Eden verglichen, den damals viele als Wunderkind bezeichnet haben. Störten Sie diese Vergleiche?
Hazard: Nein, eigentlich nie. Als Eden nach Lille ging und man mich sozusagen entdeckt hat, blieben Vergleiche natürlich nicht aus. Das fand ich aber nicht schlimm. Als ich dann von Chelsea nach Belgien ausgeliehen wurde, konnten die Leute sehen, welcher Typ Spieler ich bin und die Vergleiche haben deutlich nachgelassen. Mittlerweile gibt es das gar nicht mehr, Vergleiche sind auch schwachsinnig. Vielleicht hat man das jetzt eingesehen. (lacht)
SPOX: In welcher Regelmäßigkeit stehen Sie mit Ihren Brüdern in Kontakt?
Hazard: Wir haben eine Whatsapp-Gruppe zu dritt und tauschen uns dort häufig aus. Ethan hat noch kein Handy, er wird irgendwann später dazu stoßen. Natürlich wird auch immer wieder miteinander telefoniert, da sich unsere Familien gut verstehen und man auch Neuigkeiten von den Kindern hören möchte. Leider ist es sehr schwierig, sich persönlich zu treffen, da jeder mit seinem Verein in einem anderen Land viel unterwegs ist und auch die Ferienzeiten unterschiedlich sind. Das ist natürlich schade, aber so ist es eben nun einmal.
SPOX: In letzter Zeit hieß es aus England einige Male, Eden wäre unter Jose Mourinho beim FC Chelsea nicht mehr besonders glücklich. Ist das wirklich so?
Hazard: Das kann letztlich nur Eden beantworten. Bislang hat er zu mir noch nie gesagt, dass er unglücklich sei. Daher gehe ich schwer davon aus, dass es ihm bei Chelsea weiterhin gefällt. Diese Saison ist etwas komplizierter, aber ich denke, dass Jose Mourinho schon im letzten Jahr bewiesen hat, sehr gut mit Eden zusammen zu arbeiten. Einige Journalisten mögen es eben, wenn es nicht rund läuft und suchen dann nach Problemen. Ich habe aber noch nie davon gehört, dass eines zwischen Mourinho und Eden bestünde.
SPOX: Chelsea hat Sie 2012 aus Lens losgeeist, dann aber sofort zu Zulte-Waregem nach Belgien verliehen. Welche persönliche Beziehung haben Sie zu den Blues?
Hazard: Für junge Spieler ist es unheimlich schwer, dort in die erste Mannschaft zu rutschen. Chelsea ist schließlich einer der größten Klubs der Welt. Es gibt zahlreiche Spieler, die wie ich dort unter Vertrag stehen und ausgeliehen werden, um eines Tages zurück zu kehren und den Sprung nach ganz oben zu schaffen. Chelsea ließ mich träumen, selbst als ich für die zweite Mannschaft auflief und kurze Zeit bei den Profis mit trainierte. Darauf bin ich heute noch stolz, ich kann nur Positives über den Verein sagen.
SPOX: Wie kam es eigentlich, dass Sie bei den Blues landeten und wenig später wieder verliehen wurden?
Hazard: Chelsea wollte mich haben und sie bezahlten den Preis, den Lens für mich aufgerufen hatte. Es gab nicht viele Klubs, die diese Summe zahlen wollten, da ich zuvor in der 2. Liga bei Lens nicht sehr häufig zum Einsatz kam. Als ich bei Chelsea unterschrieb, war klar, dass ich direkt wieder verliehen werde. Ich war letztlich nur einen Monat dort. Ich wollte nicht nur in der zweiten Mannschaft spielen, sondern als fester Bestandteil einer Profimannschaft meinen eigenen Weg einschlagen.
SPOX: Welchen Eindruck hinterließ Mourinho bei Ihnen?
Hazard: Ich kenne Jose Mourinho nicht wirklich, da ich ihn in meiner Zeit in London nur ein einziges Mal gesehen habe. Wir haben uns dann über meine erste Saison bei Zulte-Waregem unterhalten. Ich kann Ihnen daher nicht sagen, wie er sich im Mannschaftskreis oder in der Kabine verhält.
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Thorgan Hazard im Steckbrief
SPOX: Nach zwei guten Spielzeiten in Belgien ging es für Sie per Leihe nach Mönchengladbach, die Borussia verpflichtete Sie nach der ersten Saison dann fest. Zu Beginn der aktuellen Spielzeit trat mit Trainer Lucien Favre derjenige zurück, der Sie in Gladbach haben wollte. Hatten Sie eine Vorahnung, dass er hinwerfen würde?
Hazard: Nein. Es kam aus dem Nichts und war ein echter Schock für mich. Wir hatten bis dato zwar jedes Saisonspiel verloren, aber es waren wiederum erst fünf Partien gespielt. Es wäre in meinen Augen wahrscheinlicher gewesen, dass sich nach fünf Niederlagen der Klub von ihm trennen möchte. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass Lucien Favre zu diesem frühen Zeitpunkt von sich aus hinwirft. Ich kann ihn jetzt im Nachhinein verstehen. Er wollte, dass sich etwas Grundlegendes innerhalb der Mannschaft ändert. Die Siegesserie, die wir daraufhin auf Anhieb unter Andre Schubert gestartet haben, gibt ihm letztlich Recht.
SPOX: Wie haben Sie an jenem Tag von Favres Rücktritt erfahren?
Hazard: Er hat jeden einzelnen Spieler angerufen. Es fühlte sich komisch an und ist auch das erste Mal, dass ich einen Trainerwechsel mitmache.
SPOX: Mit Favre konnten Sie sich tiefgehend auf Französisch unterhalten. Dass das nun nicht mehr geht, ist schade für Sie, oder?
Hazard: Natürlich. Lucien Favre hat häufig und intensiv mit mir gesprochen. Wir standen in regem Austausch, ich wusste genau, was er von mir wollte. Er hat mir dank der gemeinsamen Sprache den Start in einem fremden Land vereinfacht. Er war es auch, der mich davon überzeugt hat, fest nach Gladbach zu kommen. Ich bin wegen ihm hier, daher war es für mich persönlich natürlich sehr schade, dass er aufgehört hat.
SPOX: Wie läuft die Kommunikation mit Schubert?
Hazard: Mit Andre Schubert ist es etwas komplizierter. Das ist aber auch normal und ich hoffe, dass sich das mit der Zeit regeln wird. Ich verstehe auch die deutsche Sprache immer besser. Wenn wir über fußballerische Dinge reden, dann ist es für mich am besten, da vieles universell ist. Geht es um andere Themen, wird es schon ein bisschen schwieriger. Dann muss Ibrahima Traore helfen und übersetzen.
SPOX: In einem Interview hatten Sie gesagt, dass es noch kein direktes Gespräch zwischen Ihnen und Schubert gab. Wurde das zwischenzeitlich nachgeholt?
Hazard: Ich möchte zunächst klarstellen: ich habe mich nicht darüber beschwert, dass der Trainer nicht mit mir sprechen würde. Das wurde falsch wiedergegeben. Ich spreche kaum Deutsch, Andre Schubert spricht kein Französisch, wir beide sprechen nur mittelmäßig Englisch - da ist es normal, dass wir uns nicht ständig die Ohren abkauen und ich einen anderen Austausch mit ihm habe als zuvor mit Lucien Favre. Mittlerweile haben wir uns zusammengesetzt und über seine Spielidee sowie meine Rolle auf dem Feld gesprochen.
SPOX: Wie eignen Sie sich eigentlich die deutsche Sprache an, bleibt dafür viel Zeit?
Hazard: Ich habe ein Sprachbuch und versuche, so oft es geht autodidaktisch zu lernen. Leider haben wir viele englische Wochen und Termine, so dass ich nicht ständig dazu komme. Ich habe eine kleine Familie, die ich natürlich auch regelmäßig sehen möchte, so dass ich mich in der Freizeit nicht immer darum kümmern kann. Wenn wir aber mit der Borussia unterwegs sind, lerne ich im Hotel. Leider ist Deutsch ziemlich schwierig.
SPOX: Seit dem Trainerwechsel sitzen Sie häufig nur auf der Bank. Werden Sie bereits ungeduldig?
Hazard: Ich resigniere nicht, ich möchte aber mehr spielen und bin unzufrieden mit meinen aktuellen Einsatzzeiten. Alles andere wäre ja auch verwunderlich. Ich habe auch im letzten Jahr nicht extrem häufig gespielt, bin aber geduldig geblieben und habe bei meinen Einsätzen meiner Meinung nach ordentliche Leistungen gebracht. In dieser Saison lief es bislang unglücklich für mich: unter Lucien Favre durfte ich spielen, aber wir gewannen nicht. Unter Andre Schubert komme ich nur selten zum Zug, aber wir gewinnen. Blöd für mich, aber super für das Team. So kann es im Fußball eben gehen.
SPOX: Es gab bereits erste Gerüchte um einen möglichen Abgang in der Winterpause. Ist da etwas dran?
Hazard: Ich denke nicht an einen Wechsel, da ich mich hier in Mönchengladbach durchsetzen möchte. Wenn ich aber sehe, dass sich meine Situation nicht verbessert und festgefahren ist, muss ich mir über Lösungen Gedanken machen. Für den Moment werde ich im Training weiterhin alles dafür tun, damit der Trainer nicht an mir vorbeikommt.
SPOX: Ab dem Jahr 2018 greift für den FC Chelsea eine Rückkaufklausel. Wäre das für Sie noch einmal Thema?
Hazard: Da Chelsea diese Möglichkeit besitzt, kann das Kapitel für mich nicht geschlossen sein. Es bleibt also rein vertraglich möglich, dass ich eines Tages zurückkehre. Momentan ist der Gedanke an Chelsea aber ganz weit weg, da ich mich für Gladbach entschieden habe und mich hier beweisen möchte.
SPOX: Und eines Tages spielen Sie dann zusammen mit Ihren beiden Brüdern?
Hazard: Absolut. Ich hoffe, dass wir eines Tages zusammen für einen großen Klub spielen werden. Sollte das nicht möglich sein, kann ich mir auch vorstellen, dass es in fortgeschrittenem Alter passieren wird, um am Ende der Karriere etwas Spaß zu haben. Vielleicht ja in unserer Heimat Belgien.
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Thorgan Hazard im Steckbrief