Die Weltrevolution hat begonnen! Oder?

Carlo Ancelotti hat seine eigene Idee vom Fußball
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Spiel mit dem Ball: Kreation von Torchancen

Nach den ersten Wochen unter Ancelotti beschworen viele Kritiker die Bayern-Revolution herauf: weniger Hin- und Hergeschiebe, weniger Ballbesitz, mehr vertikales Spiel, mehr Torchancen. Dabei stand viel unter dem Eindruck des Supercups gegen Borussia Dortmund, als die Bayern "nur" 48 Prozent Ballbesitz hatten. Für bare Münze sollte man diese teils polemischen Aussagen dennoch nicht nehmen, teilweise werden sie auch statistisch widerlegt.

So hatten die Bayern in den ersten fünf Bundesligaspielen der neuen Saison laut Opta im Schnitt 70,9 Prozent Ballbesitz, unter Guardiola waren es 71,0. Auch die These des zielgerichteteren Spiels widerlegen die Zahlen: Unter Pep gaben die Bayern durchschnittlich 18,4 Torschüsse ab, bei Ancelotti sind es bislang 17,6. Schon nach dem 6:0 gegen Werder Bremen überschlugen sich die Lobeshymnen des "neuen" Fußballs, derzeit werden die Bayern für die 15 Saisontore nach fünf Spielen gefeiert. Fakt ist aber auch: In drei Jahren Guardiola schlug der FCB Werder zu Hause mit 5:0, 6:0 und 5:2 und nach fünf Spielen hatte man auch in der vergangenen Saison 15 Tore auf dem Konto. Einschätzungen a la "Alles anders, alles besser" sind also übertrieben.

Einige Unterschiede lassen sich bei der Kreation von Torchancen dennoch erkennen: "Auffällig ist, dass unter Ancelotti schneller und riskanter in die Spitze gespielt wird und somit der letzte Pass ungezwungener wirkt, anstatt ausschließlich lange Ballzirkulationen zu forcieren", sagt Dr. Alexander Schmalhofer.

Tatsächlich spielen die Bayern im Schnitt 714,4 Pässe, während es in der Vorsaison noch 728,9 waren. Vor allem im offensiven Drittel wird weniger abgespielt (28,1 Prozent) als noch unter Guardiola (28,9 Prozent), weil dort häufiger der Risikopass gesucht wird.

Schmalhofer macht bei der Entstehung von Möglichkeiten im Ancelotti-Fußball drei zentrale Varianten aus: "Der eingerückte Flügelspieler bindet den gegnerischen Außenverteidiger und wird vom eigenen Außenverteidiger hinterlaufen. Es folgt eine Flanke des Außenverteidigers oder ein Dribbling des Flügelstürmers nach innen. Variante zwei: Der eingerückte Flügelspieler schneidet auf den Flügel und wird vom Außenverteidiger an der Seitenauslinie angespielt. Drittens: Lewandowski oder die eingerückten Flügelstürmer schneiden hinter die Kette in den Strafraum und werden sowohl mit flachen als auch mit hohen Schnittstellenpässen gesucht."

Bei tief stehenden Gegnern suchen die Münchner nicht den Weg durch das Zentrum, sondern über die Flügel und die Halbräume. Um diese ins Spiel zu bringen, versuchen die Münchner, eine Reaktion des Gegners zu erzwingen, beginnend bei den Innenverteidigern: "Dribbelt Hummels mit dem Ball am Fuß an, zwingt er die erste Verteidigungsreihe dazu, ihn anzugreifen. Nur so können Passwege und Räume geöffnet werden. Sauberes Passspiel löst dann schnelle Seitenverlagerungen aus und bringt die gegnerische Defensive in die seitliche Bewegung. So ergeben sich dann zwangsläufig Räume für ein vertikales Zuspiel in den Halbraum", analysiert Schmalhofer.

Diesen besetzen dann beispielsweise die eingerückten Flügelspieler Ribery und Müller: "Ziel ist es, Überzahl gegen den gegnerischen Außenverteidiger herzustellen, um entweder den Ball in die Schnittstelle zu spielen oder auch eine Flanke zu schlagen."