"Benfica? Kann einem angst und bange werden"

Tristan Ebertshäuser
13. Februar 201714:33
Theo Redder gewann mit dem BVB den DFB-Pokal und den Europapokal der Pokalsiegerimago
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Mit 5:0 hat Borussia Dortmund 1963 Benfica, die damals beste Mannschaft Europas, im Achtelfinale hochkant aus dem Europapokal der Landesmeister geworfen. Vor dem erneuten Duell in der Champions League der beiden Klubs (Di., 20.45 Uhr im LIVETICKER) spricht der frühere BVB-Verteidiger Theo Redder, der zwischen 1963 und 1969 115 Spiele für die Schwarz-Gelben bestritt, im SPOX-Interview über das "Jahrhundertspiel". Der mittlerweile 75-Jährige äußert sich zudem zu den jüngsten Auftritten der Dortmunder, die ihm wenig Hoffnung machen.

SPOX: Herr Redder, am Dienstag steht das Champions-League-Spiel gegen Benfica an. Werden Sie es sich anschauen?

Theo Redder: Ja, natürlich guck ich mir das Spiel an! Ich gehöre ja zum Ältestenrat des BVB und normalerweise lädt der Verein uns da schon auch mal ein. Aber wir waren gerade erst beim Spiel gegen Sporting vor Ort, daher bleiben wir diesmal hier.

SPOX: Freuen Sie sich darauf?

Redder: (Lacht) Naja, man sagt ja immer: "Die Hoffnung stirbt zuletzt." Was wir am Samstag gegen Darmstadt abgeliefert haben, war nicht so berauschend, aber das wissen die Jungs selbst. Als alter, erfahrener Hase weiß ich natürlich, dass solche Spiele passieren können. Aber das war schon eine mittlere Katastrophe, es passte gar nichts. Wenn man dann an Lissabon denkt, eine Mannschaft die Tabellenführer ist und das Heimspiel hat, kann einem angst und bange werden. Optimistisch bin ich im Moment nicht gerade.

SPOX: Obwohl der BVB in der Königsklasse meist sein schöneres Gesicht gezeigt hat?

Redder: Ich glaube, wir haben in der Vorrunde insgesamt ein bisschen besser gespielt. Man hat natürlich immer wieder mal Ausreißer nach unten, aber was mir ein bisschen Sorge macht, ist unsere Abwehr. Ich habe nicht das Recht, zu kritisieren, wir haben früher ja auch nicht immer gut gespielt. Man kann nur hoffen, dass das einigermaßen über die Bühne geht. Sie haben Recht: International haben wir bis jetzt hervorragend gespielt. Vielleicht klappt das am Dienstag auch und man kann sich so das nötige Selbstvertrauen für die restlichen Spiele holen.

SPOX: Sie waren selbst Verteidiger und als giftiger Zweikämpfer bekannt. 1963 gelang Ihnen mit dem BVB, was der Verein nun wieder schaffen will: Benfica im Achtelfinale auszuschalten. Wie?

Redder: Ich war wohl eher der Typ "robuster Spieler" und das Hinspiel in Lissabon war mein erstes großes internationales Spiel. Wir haben dort zwar nur mit 1:2 verloren, aber wenn man ehrlich ist, hätte es genauso gut 1:5 oder 1:6 ausgehen können. Es ging ständig nach dem Motto: Latte, Pfosten, Hans Tilkowski. Und wir waren gerade in der Abwehr ziemlich überfordert. Man darf nicht vergessen, Benfica war damals Europapokalsieger in Serie und hatte natürlich eine Bomben-Mannschaft. Wir hatten viel Glück, auch wenn wir uns in der zweiten Halbzeit stabilisierten.

SPOX: Im Rückspiel gelang schließlich der legendäre 5:0-Sieg.

Redder: Wir konnten eigentlich nur gewinnen. Wir hatten ja eine coole Mannschaft und richtig gute Spieler mit Timo Konietzka, Lothar Emmerich, Aki Schmidt oder Franz Brungs, der mit drei Toren seine Sternstunde hatte. Und dann kam uns etwas entgegen: Es war eisig kalt, der Boden gefroren - das waren die Lissaboner mal gar nicht gewohnt. Außerdem fehlte ihnen Eusebio, der Spieler, der vielleicht den Unterschied gemacht hätte. Ich sag mal so: Die Portugiesen sind nicht richtig warm geworden und auf einmal stand es 2:0, 3:0 und wir hatten leichtes Spiel.

SPOX: Die Kälte war also ein entscheidender Grund für die BVB-Sternstunde?

Redder: Was uns vielleicht noch geholfen hat ist Folgendes: Im Estadio da Luz hatten sie ein Flutlicht, da waren wir fast geblendet. Und unser Flutlicht in Dortmund schien nicht ganz so hell. (lacht) Ohne unseren Sieg schmälern zu wollen, war es einfach so, dass alles passte. Die Fans, der gefrorene Boden - und wir spielten richtig guten Fußball.

SPOX: Zwischen der 33. und der 36. Minute gelangen dem BVB drei Tore.

Redder: Ich weiß gar nicht mehr genau, wer das 1:0 gemacht hat, ich habe mir die Artikel auch nicht aufgehoben. Das ist jetzt 53 Jahre her! Schön war es, als Borussia zum 50. Jubiläum des Duells 2013 Eusebio eingeladen hat. Ich konnte ihn persönlich betreuen und wir sind gemeinsam zum Essen gegangen. Das war ein wunderbares Erlebnis! Allerdings war er zu dieser Zeit bereits sehr krank und ist leider vier oder fünf Wochen später gestorben.

SPOX: Lassen Sie uns noch einmal zum Rückspiel zurückkommen. Hatte irgendjemand im Stadion Rote Erde diesen Kantersieg für möglich gehalten?

Redder: Die Stimmung war euphorisch, die Rote Erde war ausverkauft. Und wenn man so hört, wer damals alles dabei gewesen sein will, dann müssen nicht wie offiziell erlaubt 42.000 sondern 150.000 Leute im Stadion gewesen sein. (lacht) Da werden Geschichten erzählt, jeder Zweite war angeblich im Stadion. Trotz der Niederlage im Hinspiel wussten wir aufgrund der vorhin beschriebenen Gegebenheiten, dass es zumindest nicht undenkbar ist, das Ding noch zu drehen. Wir haben die Leistung in den folgenden Spielen ja auch bestätigt und sind bis ins Halbfinale gegen Inter Mailand gekommen.

SPOX: Nach den drei schnellen Toren muss im Stadion die Hölle los gewesen sein.

Redder: Ja, allerdings! Man kann das natürlich nicht damit vergleichen, was sich heute auf der Südtribüne abspielt. Vor allen Dingen lief es gesitteter ab. Aber der Jubel war groß und nach Abpfiff kamen die Zuschauer auf das Feld gelaufen, was heute natürlich unmöglich ist. Die haben uns die Sachen praktisch vom Körper gerissen. Man konnte ein bisschen Angst kriegen, alle wollten einen berühren. Aber es gab keine Randale oder so etwas.

SPOX: Wie haben Sie als noch sehr junger Spieler auf den Platzsturm reagiert?

Redder: Man hat sich beeilt, in die Kabine zu kommen. Da war natürlich Feierabend. Aber auf dem Platz spielte sich schon einiges ab. Manche kamen erst später rein, wurden von den Menschen auf den Schultern getragen. Damals ging das noch. Das wäre heute ein Ding der Unmöglichkeit.

SPOX: Hat es das Dortmunder Selbstverständnis verändert, diese internationale Startruppe aus dem Europapokal geworfen zu haben?

Redder: Borussia ist geprägt von Tradition. Die Mannschaft, die 1956/57 zwei Mal in Folge Deutscher Meister wurde, hatte schon eine Ära geprägt. Dann war Dortmund 1961 schon wieder im Endspiel, 1963 wieder Deutscher Meister und im DFB-Pokalfinale, das wir gegen Hamburg verloren haben. Dortmund war schon immer eine Fußball-Hochburg und die Rivalität zu Schalke hat das noch weiter nach oben getrieben. Die Fußball-Begeisterung in Dortmund hat eine lange Tradition.

SPOX: Welchen Stellenwert hat das Spiel für Sie persönlich?

Redder: Für mich persönlich hat es einen sehr hohen Stellenwert und natürlich auch im Verein. Man spricht immer vom "Jahrhundertspiel". Aber Borussia hat mittlerweile so viele Erfolge gefeiert. Es gab nicht nur ein grandioses Spiel, an dem man sich jetzt festhalten muss. Ich war jung, bin mit 22 gerade in die Mannschaft gekommen. Anschließend bin ich 1965 noch deutscher Pokalsieger und 1966 Europapokalsieger geworden, das sind natürlich auch Spiele, die nachklingen. Leider ging es dann wegen einer schweren Leistenverletzung bei mir irgendwann nicht mehr weiter.

SPOX: Verraten Sie uns noch ihren Tipp für Dienstag?

Redder: Am liebsten wäre mir natürlich ein Sieg. Ein Unentschieden wäre auch noch gut, zur Not akzeptiere ich auch eine 1:2-Niederlage. Ab einem 0:2 wäre es ganz schwer. Die Mannschaft scheint mir im Moment nicht so stabil zu sein - vor allem die Abwehr. Da ist keine Ordnung drin, da fehlt uns ein Mann wie Mats Hummels. Ich kann momentan jedenfalls nicht so recht an einen Sieg glauben, wenn ich mir die Rückrundenspiele bisher anschaue. Aber wir haben ja auch immer wieder Ausreißer nach oben.

SPOX: Was macht Ihnen Hoffnung?

Redder: Wenn ich an das Spiel in Madrid denke, da haben wir richtig gut gespielt, hatten jede Menge Konterchancen. Naja, aber das ist zwei, drei Monate her. Man muss das schon realistisch sehen: Wir haben gerade gegen den Tabellenletzten verloren und die waren die klar bessere Mannschaft. Der Trainer hat jetzt viel Arbeit, um wieder das nötige Selbstvertrauen aufzubauen und die richtige Aufstellung zu finden. Aber das ist nicht so einfach.

SPOX: Ein Sieg würde helfen.

Redder: Ganz bestimmt! Aber den hätten wir gegen Darmstadt auch gut gebrauchen können (lacht)!

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