Als Diego Maradona durchdrehte, der FC Barcelona ihn loswerden musste - und er in Neapel unsterblich wurde

Von Oliver Maywurm
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Vier Tore erzielte Maradona auf dem Weg zum WM-Titel, darunter die beiden im Viertelfinale gegen England, die ihn so treffend charakterisieren: Zuerst die Hand Gottes, das regelwidrige Schlitzohr-Tor. Dann der unfassbare Sololauf, der Inbegriff des Genialen. Und im Finale gegen Deutschland lieferte er schließlich den legendären Assist für Burruchaga zum 3:2-Endstand. Die DFB-Elf war geschlagen, Diego stemmte den Pokal in die Höhe.

Mit dem Selbstvertrauen aus Mexiko, der Erkenntnis, tatsächlich der beste Spieler seiner Zeit zu sein, war Maradona in Neapel nun überhaupt nicht mehr zu stoppen. Er führte die Partenopei 1987 zur ersten Meisterschaft der Vereinsgeschichte, dazu auch noch zum Triumph in der Coppa Italia. Die Manie um ihn sprengte danach alle Grenzen: Die Menschen in Neapel benannten ihre Kinder nach ihm, stellten Statuen auf, beteten ihn an. Maradona war überall.

Und es ging ja noch einige Zeit so weiter. 1988 wurde Neapel Vizemeister, Maradona mit 15 Treffern Torschützenkönig. Ein Jahr später stand wieder Platz zwei zu Buche, zudem der UEFA-Cup-Sieg. Maradona hatte Neapel in kurzer Zeit zu einem Weltklub gemacht - doch der Ruhm forderte allmählich seinen Tribut.

Maradonas Lebenswandel kostete ihn einige Jahre

Die ständige Liebe und Hysterie, die ihm in der Stadt zuteil wurde, stieg ihm zu Kopf. Immer häufiger floh er kurzzeitig nach Argentinien, weil er es einfach nicht mehr aushielt, keine Sekunde seine Ruhe zu haben. Man kann gut verstehen, dass ein Mensch da auch mal über die Stränge schlägt. Und das tat Maradona fürwahr, machte Party mit Unterweltbossen, verfiel immer mal wieder dem Kokain. Warum auch nicht, dachte er wohl, er durfte in Neapel ja ohnehin alles.

Ein gutes Jahr hatte er trotz der beginnenden Abgründe aber noch. 1989/90 schenkte Maradona den Neapolitanern den zweiten und bis dato letzten Scudetto, überragende 16 Tore und neun Vorlagen in 28 Einsätzen gingen dabei auf sein Konto. Eigentlich war er mit 29 gerade im besten Fußballer-Alter - doch Maradonas Lebenswandel hatte ihn einige zusätzliche Jahre gekostet.

Die WM 1990, ausgerechnet in Italien, die noch einmal ein absoluter Höhepunkt für ihn werden sollte, aber "nur" mit dem Vizetitel endete, weil im Endspiel die Deutschen zu stark waren, leitete schließlich das langsame Verschwinden von der sportlichen Bildfläche ein. Zumal Maradonas Appell an die Fans, beim Halbfinale mit Argentinien gegen Italien in Neapel doch ihn und nicht ihre eigene Nationalmannschaft anzufeuern, bei den Tifosi dann doch nicht ganz so gut ankam.

Diego Maradona: Unrühmliches Ende in Neapel

Sie liebten ihn natürlich weiterhin, das tun sie bis heute. Doch ein gutes halbes Jahr nach der WM 1990 und längst mit einigen Pfunden zu viel auf den Rippen, war es mit dem aktiven Fußballer Maradona vorbei in Neapel: Denn im Frühjahr 1991 wurde bei einer Dopingkontrolle Kokain in seinem Blut nachgewiesen.

Eine Festnahme vermieden die Behörden aus Angst vor Protesten der Napoli-Fans, die ihren Helden bis aufs Blut verteidigen wollten. Eine Sperre für den grünen Rasen bekam er aber natürlich trotzdem aufgebrummt. "Bei Ermittlungen gegen einen Mafia-Boss stießen wir auf Maradona. Er kaufte beträchtliche Mengen Drogen, die er selbst konsumierte oder einigen Prostituierten weitergab, die er in einem Hotel traf", erklärte der Staatsanwalt Luigi Bobbio damals.

Anderthalb Jahre lang fehlte Maradona im Fußballzirkus, ehe seine Sperre ablief und er beim FC Sevilla nochmal einen erfolglosen Neustart in Europa versuchte. In Neapel werden sie ihm trotz der Eskapaden und des bitteren Ausgangs des Märchens für die knapp sieben Jahre im Verein auf ewig huldigen. Dort, wo Diego Armando Maradona die Familie fand, die ihm Barcelona nie hätte geben können. Weil er wie sie war, wie die Neapolitaner, die sich im Vergleich zum Rest des Landes immer ein bisschen missverstanden fühlen.

"Vor meiner Ankunft wollte sich Paolo Rossi wegen der Mafia in der Stadt nicht dem Team anschließen. Die Wahrheit ist doch, dass sich vor meiner Ankunft niemand Neapel anschließen wollte", sagte Maradona mal. Er verstand sie, die Neapolitaner.

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