Thiago Silvas Abschied von PSG: Das nächste Verbrechen

Thiago Silva (r.) will PSG verlassen.
© imago images / PanoramiC

Trotz starker Leistungen beim Champions-League-Finalturnier und Thomas Tuchels Charme-Vorstoß verlässt Kapitän Thiago Silva (35) Paris Saint-Germain aller Voraussicht nach. Profitieren wird davon wohl der FC Chelsea, der genau einen wie ihn sucht.

Cookie-Einstellungen

"Thiago Silva zu verkaufen, ist ein Verbrechen", sagte der damalige Stürmer des AC Milan Antonio Cassano im Sommer 2012. "Ohne ihn brauchen wir uns in der nächsten Saison keine Ambitionen auf Meisterschaft oder Champions League zu machen." Und nun ja, Cassano sollte Recht behalten.

Bis dahin war Milan noch ein Milan, das diesen klangvollen Namen verdient: 2011 italienischer Meister, 2012 im Champions-League-Viertelfinale, europäische Spitzenklasse. Doch dann verkaufte Milan Abwehrchef Silva (zeitgleich mit Stürmer Zlatan Ibrahimovic) für rund 42 Millionen Euro an Paris Saint-Germain und hörte langsam damit auf, Milan zu sein. Titel holte der Klub wie von Cassano prognostiziert seitdem nicht mehr und schlitterte gar ins Tabellenmittelfeld der Serie A.

Thomas Tuchel kämpft für Thiago Silvas Verbleib bei PSG

Silva wurde bei seinem neuen Klub PSG bald zum Kapitän ernannt und führte die Mannschaft in den darauffolgenden acht Jahren zu 18 nationalen Titel. Teure Stars kamen und gingen, doch Silva blieb und man glaubte ihm seine Identifikation mit dem Klub.

Das Champions-League-Finalturnier in Lissabon hätte die Krönung dieser Beziehung werden können, doch PSG verlor das Finale trotz einer tadellosen Leistung Silvas in der Innenverteidigung mit 0:1 gegen den FC Bayern München (die Highlights im Video) - und begeht jetzt das gleiche "Verbrechen" wie einst Milan: Thiago Silva abzugeben.

"Leider war es mein letztes Spiel für Paris", sagte Silva im französischen Fernsehen. "Ich bin traurig darüber und danke allen Fans für ihre Liebe. Ich liebe diesen Klub." Er wolle trotz seiner bereits 35 Jahre noch drei bis vier Saisons weiterspielen und würde das am liebsten bei PSG machen, doch der Klub verweigerte ihm offenbar eine Vertragsverlängerung.

Zu Silvas Unverständnis und übrigens auch zum Unverständnis von Trainer Thomas Tuchel, der nach dem Finale auf dessen Zukunft angesprochen wurde. "Ich muss mit Leonardo über dieses Thema sprechen", kündigte Tuchel ein Gespräch mit dem Sportdirektor an. "Wir werden mit dem Verein und mit ihm versuchen, die Situation zu klären. Wie auch immer es ausgeht: Er wird für immer in meinem Herzen sein."

Thiago Silva und Paris Saint-Germain verloren das Champions-League-Finale gegen den FC Bayern München mit 0:1.
© imago images / Poolfoto
Thiago Silva und Paris Saint-Germain verloren das Champions-League-Finale gegen den FC Bayern München mit 0:1.

Warum Thiago Silva die ideale Verstärkung für Chelsea wäre

Vermutlich kommt Tuchels Charme-Vorstoß aber zu spät, übereinstimmenden Berichten zufolge ist sich Silva bereits mit dem FC Chelsea einig und soll dort noch in dieser Woche einen Vertrag unterschreiben. Dieser Transfer würde die Titelambitionen des Tabellenvierten der vergangenen Premier-League-Saison weiter untermauern.

Mit Timo Werner und Hakim Ziyech hat Chelsea bereits die ohnehin schon hervorragend besetzte Offensivabteilung weiter verstärkt. Die Verpflichtung des Mittelfeldspielers Kai Havertz für angeblich rund 80 Millionen Euro von Bayer 04 Leverkusen steht darüber hinaus wohl unmittelbar bevor.

Als Schwachstelle galt aber schon in der vergangenen Saison die Defensive, kein Klub der oberen Tabellenhälfte kassierte mehr Gegentore als Chelsea (54). Den zweifelsohne talentierten, aber größtenteils noch jungen Verteidigern fehlte eine erfahrene Führungsperson, ein nervenstarker Stabilisator. Einer wie Thiago Silva.

Dass PSG trotz einer sehr offensiven Grundausrichtung mit nur fünf Gegentoren (der FC Bayern kassierte acht) ins Champions-League-Finale eingezogen war, ist zu großen Teilen sein Verdienst. Ob seines Alters fehlende Schnelligkeit macht er mit perfektem Stellungsspiel und unbändigem Kampfgeist wett. Nachdem er sich beim Halbfinale gegen RB Leipzig (3:0) eine blutende Wunde am Mund zugezogen hatte, spielte er einfach mit einem Taschentuch zwischen den Zähnen weiter.

Als Thiago Silva mit 20 Jahren um sein Leben kämpfte

So etwas ist für Silva aber nur eine Kleinigkeit, er erlebte schon deutlich Schlimmeres. Zum Beispiel 2005, da starb er im Alter von 20 Jahren als Spieler von Dynamo Moskau nämlich beinahe an Tuberkulose. Ein halbes Jahr lag Silva im Krankenhaus. "Irgendwann habe ich gedacht, da kommt er nicht mehr lebend raus", erzählte seine Mutter Dona Angela.

Doch Silva stand es durch, kämpfte sich zurück. "Mittlerweile rede ich wieder über Meistertitel, aber der größte Sieg meiner Karriere war der Sieg gegen die Tuberkulose", sagte er später. Bei seinem nächsten Klub Fluminense Rio de Janeiro fand Silva seine Fitness und Form wieder, ehe er 2009 zu Milan wechselte, den Klub in seiner zweiten Saison zum bis heute letzten Meistertitel führte - und ihn am liebsten zu weiteren Titeln geführt hätte.

"Ich habe immer gesagt, dass ich Milan nicht verlassen will", beteuerte er, nachdem Milan das "Verbrechen" begangen hatte, ihn zu verkaufen. Groll hegte Silva aber schon damals keinen, stattdessen kündigte er eine Rückkehr nach seinem Karriereende an. Womöglich steht Silva dann aber vor einem Dilemma, denn im Zuge seiner emotionalen Abschiedsrede nach dem verlorenen Champions-League-Finale sagte er auch: "Ich werde in einer anderen Rolle zu diesem Klub, den ich liebe, zurückkehren." Und diesmal meinte er PSG.

Thiago Silvas Karrierestationen

ZeitraumKlub
2004Esporte Clube Juventude
2004 bis 2005FC Porto
2005 bis 2006Dynamo Moskau
2006 bis 2009Fluminense
2009 bis 2012AC Milan
seit 2012Paris Saint-Germain
Artikel und Videos zum Thema