Absage von Hoffenheim: Brasilien belegt Firmino mit lebenslangem Bann
Hoffenheim legte jedoch sein Veto gegen die Abstellung ein. "Ernst Tanner sagte, dass Roberto größere Chancen habe, in Hoffenheim Fuß zu fassen, wenn er die ganze Zeit in Deutschland bleibe. Eine rationale und völlig verständliche Sichtweise", sagt Rapp. "Allerdings kann der brasilianische Verband in solchen Fällen recht deutlich werden und quittiert eine Nichtabstellung nicht selten mit einer lebenslangen Nichtberücksichtigung. Roberto wusste das."
Mit Engelszungen redeten Firmino und sein Berater auf Tanner ein, er möge ihn doch bitte freigeben. Tanner blieb bei seiner Entscheidung. "Der Verband antwortete postwendend per Fax, innerhalb von 30 Minuten, dass er Roberto nie wieder berücksichtigen werde. Man kann sich vorstellen, was es für einen jungen Spieler bedeutet, voraussichtlich nie für sein Land auflaufen zu dürfen. Roberto war tieftraurig, aber er hat es akzeptiert und weiter an sich gearbeitet."
So sehr, dass seine zweite Saison bei Hoffenheim deutlich vielversprechender wurde (sieben Tore, vier Vorlagen). Nach der Sommervorbereitung mauserte sich Firmino zum Stammspieler. Seine körperlichen Defizite hatte er im Kraftraum und im Wald nicht nur aufgearbeitet, er entwickelte sich zum Vorzeigeprofi. Ex-Videoanalyst Spors hebt dabei die Laufleistung hervor. "Dass er außerordentliche Fähigkeiten im kreativen Bereich hat, war sofort klar. Bei ihm kam aber dazu, dass er in puncto Intensität ganz vorne mit dabei war. Er war der Spieler mit den meisten Sprints im Verhältnis zur Gesamtlaufleistung. Das ist für seine Position ungewöhnlich."
Die Hoffenheimer Spielidee von damals, die von Ralf Rangnick implementiert und später von Gisdol fortgeführt wurde, sei Firmino laut Spors extrem entgegengekommen. "Das aggressive Pressen hat er sehr gut angenommen. Roberto ist ein sehr fleißiger Spieler, der immer eine hohe Intensität auf den Rasen gebracht und viele Bälle erobert hat. Die Kombination aus diesen Eigenschaften und seiner enormen Kreativität hat ihn zu etwas ganz Besonderem gemacht."
Firmino sei mit einer "natürlichen Aggressivität" ausgestattet. Diese habe sich besonders ausgezahlt, wenn es darum ging, ein schnelles Umschaltspiel zu erzwingen. "Ihm diese taktische Marschroute näher zu bringen, fiel auf fruchtbaren Boden. Wir mussten ihm nicht die Aggressivität beibringen, sondern nur eine Anleitung mit an die Hand geben, wie er damit umzugehen hat."
Firmino hatte sich seinen Weg, wie schon zu Figueirense-Zeiten, als er sich gegen alle Widerstände durchsetzte, selbst geebnet. Seine Karriere behielt aber eine gewisse achterbahneske Inkonstanz. Die Spielzeit 2012/13 verkam für Hoffenheim und Firmino zu einer Horrorsaison, die beinahe im Abstieg der Kurpfälzer gemündet hätte.
Aufbauhilfe beim Italiener
"Roberto erlebte viele Höhen, aber auch einige Tiefen in Hoffenheim", sagt Rapp. "Besonders in der Saison 2012/13, in der Hoffenheim fast abgestiegen wäre, gab es schwierige Zeiten. Wir saßen gemeinsam beim Italiener und haben ihm seine besten Szenen gezeigt, um ihn aufzubauen. Wir haben ihm gesagt: 'Schau Dir die Videos an, Du musst Dich wieder auf Deine Stärken besinnen.'" Doch Firmino habe nicht gewusst, was er zuvor besser oder anders gemacht habe. Sogar ein Wechsel stand im Raum.
Firmino wechselte nicht. Noch nicht. "Am zweiten Spieltag siegte Hoffenheim mit 5:1 gegen den HSV, Roberto war an allen fünf Toren direkt beteiligt", sagt Rapp. "Das war der Startschuss in seine größte Saison in Hoffenheim." Pfannenstiel stimmt ihm zu: "Aus meiner Sicht war die vorletzte Hoffenheim-Saison seine beste. Danach standen die Schwergewichte aus England, Spanien und Italien Schlange." Kein Wunder, wirft man einen Blick in die Statistik: 22 Tore sowie 16 Vorlagen stehen zehn Treffern und zwölf Assists in der darauffolgenden Spielzeit, seiner letzten im Dress der TSG gegenüber.
41 Millionen Euro überwies der FC Liverpool im Sommer 2015 für Firmino. Brendan Rodgers sollte von seinem Königstransfer jedoch nicht viel Freude haben. Drei Monate nach dem Firmino-Deal musste der Coach der Reds seinen Hut nehmen und Platz für Jürgen Klopp machen.
"Dass Klopp übernommen hat, war das Beste, das aus Robertos Sicht passieren konnte", sagt Pfannenstiel. "Er weiß genau, was der Trainer von ihm erwartet: Diszipliniertes Pressen, hohes, aggressives Anlaufen." Ebenjene Eigenschaften, die Spors als Vorzüge im Spiel des flexiblen Angreifers ausgemacht hatte. Pfannenstiel beteuert. "Klopps Spielweise passt wie die Faust aufs Auge."
Firmino, übrigens im November 2014 vom brasilianischen Verband "begnadigt" und mittlerweile fester Bestandteil der Selecao, hatte in Liverpool mit deutlich weniger Anpassungsschwierigkeiten zu kämpfen. Schon in seiner ersten Saison an der Mersey brachte er es auf 31 Pflichtspieleinsätze, trat zehnmal als Torschütze und achtmal als Vorlagengeber in Erscheinung. Seit jeher zeigt die Formkurve konstant nach oben, gemeinsam mit Sadio Mane und Mohamed Salah bildet er ein brillantes Trio.
"Mo Salah, weltklasse, aber nicht jeden Tag. Sadio Mane, weltklasse, aber nicht jeden Tag. Roberto Firmino, weltklasse, fast jeden Tag", adelte Klopp seine Nummer 9, die später erheblichen Anteil am Champions-League-Sieg 2019 und an der ersten englischen Meisterschaft nach 30 Jahren für Liverpool im Jahr 2020 haben sollte. Firminos Wegbegleiter bescheinigen ihm, seit dem Wechsel einen abermaligen, herausragenden Schritt nach vorne.
"Für mich ist Roberto der unauffälligste Weltklassespieler"
"Er ist noch stabiler geworden, für mich ist Roberto der unauffälligste Weltklassespieler, den es gibt", schwärmt Spors und begründet: "Er hat die Fähigkeiten selbst zu glänzen, aber lässt oftmals die anderen glänzen, weil er so viel arbeitet. Es ist kein Zufall, dass er bei Klopp unantastbar ist." Pfannenstiel ist indes der Meinung, dass Firminos Leistungen in der Öffentlichkeit zu wenig Wertschätzung erfahren. "Alle sprechen über Mane und Salah. Aus meiner Sicht ist Roberto Liverpools MVP. Er ist derjenige, der am meisten läuft, die Räume schafft und extrem viele Chancen kreiert."
Obwohl Firmino es offenbar bestens versteht, seine beiden Teamkollegen einzusetzen und sich selbst im Hintergrund zu halten, lesen sich seine Liverpool-Zahlen seit 2015 ansprechend. In wettbewerbsübergreifend 277 Partien, knipste er 84-Mal, 67 Tore legte er auf.
Mahatma Gandhi hat einmal gesagt: "Stärke wächst nicht aus körperlicher Kraft, vielmehr aus unbeugsamem Willen." Roberto Firmino hat während seiner aufwühlenden Karriere eindrucksvoll belegt, wie groß die Berge sein können, die ein Mensch mit dem Glauben an sich selbst zu versetzen vermag. Ein Glaube, der in den rauen Straßen Maceios laufen lernte, sich in Florianopolis und Hoffenheim immer wieder aufrappelte und mittlerweile die höchsten Gipfel des Fußballsports erklommen hat.