Manchester City hat beim 1:0 gegen Atletico Madrid die Tür zum Halbfinale der Champions League im wahrsten Sinne des Wortes aufgestoßen. Die Erkenntnisse zum Spiel.
Dieses Atletico musste bestraft werden
Man darf einen Trainer nicht dafür verteufeln, wenn er einen wenig ansehnlichen Plan gefunden hat, um seine Spiele zu gewinnen, wenn der Plan oft genug aufgeht und die Gegner keine Lösung finden. Solange die Vorgehensweise von Klub und Mannschaft angenommen wird, stellt sie für diesen Trainer auch kein Problem dar.
Dennoch ist es legitim, kein Fan davon zu sein, wenn eine Mannschaft auf höchstem Niveau so ziemlich alles zerstört, was ein Fußballspiel so schön machen kann. Geht das Duell zwischen Manchester City und Atletico Madrid torlos aus, würde es viele Ergebnisexperten geben, die einen Ansatz zum Lob für diesen Auftritt Atleticos finden.
Aber bei allem Respekt für Defensivfußball: Wenn eine hochkarätig besetzte Champions-League-Mannschaft, die als amtierender Meister Spaniens die Farben der Primera Division vertritt, es über 90 Minuten nicht schafft, einen einzigen Torschuss hinzubekommen, endet die Akzeptanz. Und dann ist es okay, dass diese Mannschaft das Spiel verliert.
Es ehrt Griezmann und Co., dass sie dieses Spiel mitmachen
Atletico verteidigte im Etihad-Stadion so intensiv, dass Trainer Diego Simeone nur noch in zwei Reihen spielen ließ. "Sie haben im 5-5-0 gespielt", sagte Kevin De Bruyne und sprach über die Schwierigkeit, die Madrider Wand zu durchbrechen.
Joao Felix und Antoine Griezmann, offiziell aufgestellt als Stürmer, wichen auf die Außenpositionen im Mittelfeld, um die Räume eng zu machen.
Es verblüfft manchmal, dass die Atletico-Angreifer dieses Spiel mitmachen. Und oft verblüfft es noch mehr, dass Atletico überhaupt so viel Geld in die Hand nimmt, um Offensivspieler zu kaufen, wenn sie eine Nebenrolle in ihrer eigentlichen Aufgabe spielen. Es ehrt sie, dass sie das Spiel ihres Trainers beherzigen.
So oder so: Dieses Atletico Madrid, das erstmals unter Simeone ohne eigenen Torschuss blieb, musste bestraft werden und wurde mit der Niederlage bestraft.
Wie es geht, gut zu verteidigen, ohne so bieder zu spielen, beweist auf der anderen Seite ManCity. In der laufenden Saison hat City weniger Tore kassiert als Atletico und auch bei der direkten Begegnung hatte Atletico zwar keine Lust auf Angriff, aber die zarten Kontermöglichkeiten wurden auch im Keim erstickt.
Ist Pep vielleicht ein besserer Simeone?
Guardiola hat die bessere Bank
Irgendwann, wenn die Grundidee nicht mehr greift oder die Spieler, die diese Grundidee umsetzen sollen, müde werden, helfen Spielerwechsel. Und genau an diesem Punkt ist der Unterschied in der Kadertiefe beider Mannschaften aufgefallen.
Während Guardiola mit Jack Grealish, Phil Foden und Gabriel Jesus drei Granaten bringen konnte und den Grundgedanken, Atletico mit einer breiten Präsenz im Zentrum zu begegnen, weiter ausspielen und sogar etwas verbessern konnte, hatte Simeone für die Fortführung seiner Mauertaktik nicht die gleichen Möglichkeiten.
Vor allem der Ausfall von Hector Herrera, der sich bei der Nationalmannschaft Mexikos verletzte und wegen einer Muskelverletzung ausfiel, hat Simeone einen Strich durch die Rechnung gemacht. Der Mittelfeldbeißer war in den Duellen gegen Manchester United - vor allem in Old Trafford - ein entscheidender Faktor.
gettyCunha war keine Hilfe für Simeone
Er meldete Bruno Fernandes in Manchester komplett ab, erlangte unfassbare viele Ballgewinne und glänzte auch in der Weiterverarbeitung. Der Mexikaner kann sicherlich nicht mehr auf Dauer die Intensität gehen, die ihn auszeichnet und die von Simeone verlangt wird. Von daher verwundert es auch nicht, dass er am Saisonende wohl in die MLS geht, aber bis dahin ist er ein wichtiger Faktor für die besonderen Aufgaben.
Keinen Effekt erzielte Simeone beispielsweise mit der Einwechslung des Ex-Herthaners Cunha, der aus der Tiefe kommend, den Ball dingfest machen sollte, aber in seinen Aktionen sehr fahrig wirkte und somit nicht für die Entlastung und für die Kontermomente sorgen konnte, die man von ihm erwartet hatte.
Die Spielerwechsel - dazu gleich später mehr - sorgten letztlich dafür, dass ManCity dieses Spiel in der zweiten Halbzeit an sich reißen und damit letztlich sehr verdient gewinnen konnte.
Atletico dagegen scheiterte in der zweiten Halbzeit, weil der ursprüngliche Plan löchrig wurde und es von außen keine Möglichkeiten mehr gab, so nachzujustieren, dass man das Spiel über die gesamten 90 Minuten durchziehen kann.
Guardiola muss in Madrid die Trickkiste weglassen
Man hatte gespannt darauf gewartet, wie die Startelf des Pep Guardiola gegen Atletico aussehen würde. Wie intensiv sich der Katalane mit Atletico beschäftigte, sah man dem Trainer Manchester Citys im Vorfeld an. Ja, es war sogar eine große Portion Anspannung zu spüren.
Da ist der Faktor Diego Simeone, der schon einmal Pep Guardiola an den Rand der Verzweiflung brachte und dessen Spielstil für Mannschaften wie ManCity ziemlich unangenehm werden kann. Und da ist die Tatsache, dass Pep vor Duellen dieser Art den Hang hat, zu verkopft zu werden.
Zu oft stand sich Pep dabei selbst im Weg und machte mit einem Matchplan, den selbst seine eigenen Spieler nicht nachvollziehen konnten, vieles kaputt.
Und auch diesmal musste man vor dem Anpfiff rätseln: Wie sieht die Viererkette aus? Man vermutete gar kurz eine Dreierkette, weil Nathan Ake sogar in seiner Paraderolle als Innenverteidiger bisher gerade mal bei einem Drittel aller City-Pflichtspiele in dieser Saison in der Startelf stand. Nun brachte ihn Pep als linken Verteidiger.
Foden wird immer wichtiger für Pep
Und vor allem: Ist es eine gute Idee, Bernardo Silva als falsche Neun aufzustellen? Würde der Portugiese im Massiv der beiden Atletico-Ketten nicht verloren gehen? So kam es dann auch.
Bernardo Silva hatte in den 90 Minuten genau zwei Ballkontakte im Strafraum, er wich dafür nach links aus, um vor allem De Bruyne die Räume für eine Strafraumpräsenz zu eröffnen.
Doch wirklich aufgegangen ist der Plan, als Guardiola Foden und Grealish brachte. Beide Spieler, von denen man zumindest einen in der Startelf erwartete, erhöhten den Druck auf Atletico und Fodens brillanter Pass auf De Bruyne wenige Augenblicke nach seiner Einwechslung sorgte auch für die verdiente Führung. Und auch danach sorgte der Engländer für viele gefährliche Momente.
Der Nationalspieler macht es so Guardiola immer schwerer, auf ihn zu verzichten. Gerade, wenn City nach wie vor keinen echten Stürmer hat und Guardiola jedes Mal aufs Neue eine Lösung sucht, ist Foden eigentlich immer jemand, auf den man setzen kann.
Guardiola hat jetzt mit dem FC Liverpool am Wochenende in der Liga die nächste knifflige Aufgabe zu lösen und gleich danach wartet schon das Rückspiel in Madrid. Bleibt Pep bei sich und greift nicht zu sehr in die Trickkiste, ist das Halbfinale möglich.
Denn die Kader- und Spielqualität gibt es einfach her, dass Guardiola auf sein Personal und seine Grundidee vertrauen kann.