Trotz eines überragenden Kroos belegte die deutsche Auswahl vor drei Jahren aber nur den vierten Rang. In diesem Jahr machte es die U 17 besser und holte bei der EM im eigenen Land den Pokal.
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Junioren-Titel kein Selbstläufer
Ein Selbstläufer ist die Karriere nach einem Junioren-Titel freilich nicht. Vom Team, das beim Vorgängerturnier 1992 U-16-Europameister wurde, schafften es beispielsweise lediglich Lars Ricken und Kai Michalke in die Stammelf eines Bundesligisten.
Weitere Leistungsträger von 1992: Till Bettenstaedt, Conny Wieland und Carsten Hinz. Hinz, der später als Physiotherapeut die deutsche U-18-Nationalmannschaft betreute, steht symbolisch für die einstige Siegermannschaft, aus der letztlich nur einige wenige den Sprung ins Profi-Geschäft schafften.Ballack damals noch unbekannt
Der damalige Trainer Bernd Stöber erzählt: "Hinz war mein Spielmacher. So eine Mischung aus Torsten Frings und Michael Ballack."
Ballack, wie Ricken, Hinz und Co. ebenfalls Jahrgang 1976, fehlt in den Spielerlisten von 1992. Stöber gesteht: "Den Namen kannte ich damals überhaupt nicht."
Zehn Prozent schaffen den Sprung
Von 140 bis 150 Spielern, die pro Jahrgang gesichtet werden, schaffen nur etwa zehn Prozent den Sprung in den Profibereich, sagen die DFB-Trainer aufgrund ihrer Erfahrungswerte.
Welche der frisch gebackenen Europameister haben das Potenzial, eine Profikarriere zu starten? Wer tritt in die Fußstapfen von Toni Kroos? SPOX hat die DFB-Bubis bei der EM-Endrunde unter die Lupe genommen:
Marc-Andre ter Stegen (Tor, Borussia Mönchengladbach)
Stark im Eins-gegen-eins. Seine langen, präzisen Abstöße sind eine Waffe. Spielte in fünf Endrunden-Partien dreimal zu Null und musste nur zwei Gegentore hinnehmen. "Durch seine spezielle Ausstrahlung ist er eine echte Persönlichkeit und einer unserer Führungsspieler", sagt Trainer Marco Pezzaiuoli.
Fazit: Ob er es jemals so weit bringt wie sein großes Vorbild Oliver Kahn, steht in den Sternen. Die Anlagen dazu hat er allemal.
Bienvenue Basala-Mazana (Abwehr, 1. FC Köln)
Pfeilschneller Rechtsverteidiger, der sich häufig in die Offensive einschaltet und Druck über seine Seite erzeugt. Erzielte im Halbfinale gegen Italien mit seinem ersten Länderspieltor das entscheidende 2:0.
Fazit: Einer von drei Spielern, die Jogi Löw während des Turniers explizit aufgefallen sind. Das sagt schon sehr viel aus. Arbeitet er weiter konstant an sich, wird er sein nächstes Ziel erreichen: den Sprung in den Profikader des FC.
Shkodran Mustafi (Abwehr, Hamburger SV)
Extrem robust im Zweikampf, in der Luft kaum zu überwinden. Dirigiert seine Vorderleute auf dem Platz lautstark und ist Chef in der Abwehr. Hat schon einen Profivertrag in der Tasche: Er wechselt im Sommer zum FC Everton.
Fazit: HSV-Nachwuchschef Jens Todt im SPOX-Interview zu seiner Perspektive: "Ob er tatsächlich den Sprung in den Profikader des FC Everton schafft, kann man jetzt noch nicht voraussagen. Allerdings hat er den absoluten Willen und die fußballerischen Voraussetzungen dazu."
Robert Labus (Abwehr, Hamburger SV)
Groß, schlank, kopfballstark. Erinnert von seinem Bewegungsablauf her an Per Mertesacker. Köpfte nach einer Ecke das 1:0 gegen England im zweiten Turnierspiel.
Fazit: In seiner Entwicklung noch nicht ganz so weit wie Mustafi. Muss beim HSV weiter reifen, um seinem großen Traum näher zu kommen: "Einmal in der Premier League spielen."
Marvin Plattenhardt (Abwehr, 1. FC Nürnberg)
War bei der EM in jeder Partie von Beginn an als Außenverteidiger dabei, kann aber auf der linken Seite alle Positionen spielen.
Fazit: Profi-like sind seine Schnörkellosigkeit und seine Aggressivität im Zweikampf. Muss aber an seinem schwächeren rechten Fuß arbeiten und hat Probleme mit schnellen Gegenspielern, wie beispielsweise dem Niederländer Luc Castaignos im EM-Finale.
Christopher Buchtmann (Mittelfeld, FC Liverpool)
Ein herausragender Linksfuß, wie man ihn im deutschen Nachwuchsfußball nur selten antrifft. Schießt messerscharfe Standards und hat eine hohe Schnelligkeit mit dem Ball am Fuß. Wird in der Liverpooler Youth Academy zum Left Winger ausgebildet und trainierte bereits mit den Profis.
Fazit: Ist zusammen mit Mannschaftskollege Lennart Thy und dem Niederländer Castaignos ein heißer Kandidat bei der Wahl zum besten Spieler des Turniers. Verbessert er seine taktische Disziplin, kann er einmal ein ganz Großer werden.
Manuel Janzer (Mittelfeld, VfB Stuttgart)
War im Mittelfeld die erste Alternative von Pezzaiuoli, wenn es mal nicht lief. Stand im Gruppenspiel gegen die Niederlande in der Startelf und markierte prompt das 2:0 mit einem herrlichen Distanzschuss.
Fazit: Ist variabel in Mittelfeld und Abwehr einsetzbar und hat trotz seiner geringen Körpergröße ein großes Durchsetzungsvermögen.
Niko Opper (Mittelfeld, Bayer Leverkusen)
Aggressiv am Mann und intelligent im Spielaufbau. Ersetzte "Stammsechser" Matthias Zimmermann im Gruppenspiel gegen die Niederlande nahtlos.
Fazit: War auf den Punkt da, als er gebraucht wurde. Muss sich aber noch weiterentwickeln und zum Führungsspieler in der U 17 reifen, bevor er eine Karriere als Profi anvisiert.
Florian Trinks (Mittelfeld, Werder Bremen)
Vor dem Turnier sagte Pezzaiuoli über ihn: "Florian kann Spiele allein entscheiden." Dass es ausgerechnet im Finale dazu kommt, hätte er sich wohl selbst nicht erträumt. Sogar Jogi Löw war von seinem Siegtreffer angetan: "Das war ein perfekter Freistoß. Besser kann man ihn nicht platzieren. Dazu gehört auch eine ganze Menge Entschlossenheit und Mut."
Fazit: Kam nur schleppend ins Turnier, war in den Gruppenspielen glücklos in seinen Aktionen. Sein Traum-Freistoß im Endspiel entschädigte aber für vieles. Ist frühzeitig in Werders U 19 aufgerückt: Ein gutes Zeichen auf dem Weg zum Profi.
Reinhold Yabo (Mittelfeld, 1. FC Köln)
Sagt von sich selbst, dass er der Chef ist. Und so ist es auch. Absoluter Führungsspieler und Kapitän des Europameisters. Pezzaiuoli bezeichnet in als "Herz" der Mannschaft.
Fazit: Dynamik, Spielübersicht, Führungsqualitäten: Yabo vereint viele Fähigkeiten, die von einem Profi verlangt werden. Macht er so weiter, dann wird er an die Erfolge seines Onkels Anthony Baffoe anknüpfen und in den Profikader des FC vorstoßen.
Matthias Zimmermann (Mittelfeld, Karlsruher SC)
Aggressive Leader im defensiven Mittelfeld. Legte die gegnerischen Spielgestalter reihenweise an die Kette und hat alles, was ein herausragender Sechser braucht.
Fazit: Für sein Alter extrem diszipliniert und taktisch sehr gut geschult. Legt er körperlich noch etwas zu, hat er keine schlechten Aussichten, den Sprung zu den Profis zu schaffen.
Mario Götze (Mittelfeld, Borussia Dortmund)
Überragender Mann im Halbfinale gegen Italien. Ist extrem trickreich, technisch versiert und gedanklich immer einen Tick schneller als sein Gegenspieler. Wurde nach dem Endspiel von Löw geadelt: "Mario Götze hat ein ganz starkes Turnier gespielt."
Fazit: Der Filigrantechniker ist ein Riesentalent. Spielte im Frühjahr in einem Testspiel in Nordhorn bei Dortmunds Profiteam mit - und schoss beim 3:1-Sieg sogar ein Tor. Entwickelt er sich weiterhin auf diesem Niveau, dann wird es nicht sein letztes gewesen sein.
Kevin Scheidhauer (Angriff, VfL Wolfsburg)
Wuchtiger, robuster Stürmer, der im gegnerischen Strafraum immer für Alarm sorgt und sich durch eine große Präsenz auszeichnet.
Fazit: Manchmal etwas ungestüm, muss seine technischen Fähigkeiten verbessern. Seine starke Physis wird ihm bei seinem Ziel, Profi zu werden, sehr hilfreich sein.
Lennart Thy (Angriff, Werder Bremen)
Fand nach seiner Verletzung vor dem Turnier rechtzeitig zur Topform und wurde durch seine drei Treffer zusammen mit Hollands Castaignos EM-Torschützenkönig.
Fazit: Ein ausgesprochener Knipser: vor dem Tor eiskalt, im Abschluss extrem sicher. Solch einen Spielertyp sucht jeder Erstligist.