Mit einer blutjungen Mannschaft hat Deutschland bei der WM in Südafrika den dritten Platz belegt. Das Team weckte große Erwartungen. Neben Gewinnern wie Thomas Müller gab es aber auch Spieler, die ihre Ziele nicht erreichen konnten. Eine Bilanz.
Die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika ist vorbei. Spanien ist Weltmeister, Deutschland hat wie schon vor vier Jahren mit einem sehr starken dritten Platz abgeschlossen.
Vor allen Dingen aber hat sich Deutschland bei dieser WM von einer neuen, sehr erfrischenden, attraktiven und jungen Seite gezeigt, die die Welt so noch nicht kannte.
Die Perspektive für die Zukunft stimmt, auch wenn die Debatte um die Vertragsverlängerung von Joachim Löw weiter ihre Kreise ziehen wird.
Mit Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm hat die Mannschaft neue Anführer, in Manuel Neuer, Thomas Müller, Sami Khedira oder Mesut Özil Stars geboren.
TorhüterGetty
Manuel Neuer Der Druck muss enorm gewesen sein - aber Neuer hielt bis auf ein paar schwächere Momente gegen England allem stand. Der Schalker spielte eine tolle WM, war trotz seiner Unerfahrenheit ein sicherer Rückhalt und holte sich sogar einen Scorerpunkt. Neuer setzte die schöne Tradition starker deutscher Torhüter bei großen Turnieren fort. Jetzt geht er mit einem deutlichen Vorsprung auf die Konkurrenz in die nächsten Aufgaben.
Tim Wiese So etwas wie der heimliche Pechvogel im Team. Hätte gegen Uruguay seine Chance bekommen, verletzte sich aber kurz davor im Training und verpasste seine ersten WM-Minuten. Kurz vor dem Turnier war er noch etwas unangenehm aufgefallen, als er sich über die Art und Weise beschwerte, wie das Trainerteam ihm die Entscheidung für Neuer mitgeteilt hatte. Bei der WM verhielt sich Wiese aber vorbildlich.
Jörg Butt Das schöne Ende einer fast perfekten Saison. Vor einem Jahr war er noch die Nummer zwei bei den Bayern, vor ein paar Tagen stand er im WM-Spiel um Platz drei im Tor und hielt gut. In einem Zeitraum von zehn Jahren brachte er es auf ganze vier Länderspiele und verabschiedet sich jetzt wieder. Als dritter Torhüter vor allem im zwischenmenschlichen Bereich eine gute Besetzung.
Abwehr
Philipp Lahm Seine Rolle als Kapitän füllte er zwar ruhig, aber doch bestimmt aus - auch auf dem Platz. Seine Rolle als Rechtsverteidiger war in Ordnung, aber nicht mehr so offensiv interpretiert wie früher. Gegen Spanien machte er leider seine schwächste Partie seit langem, nachdem er zuvor auch sehr starke Auftritte hatte. Ob seine Aussagen über die Weiterführung des Kapitänsamts nun damit zu tun hatten oder nicht - das Thema wird die DFB-Elf auch in den kommenden Wochen und Monaten begleiten.
Per Mertesacker Ein eigenartiges Turnier des Bremers: In der Vorrunde allenfalls mittelmäßig, mit einem ganz schwachen Auftritt im letzten Spiel gegen Ghana. In der Phase half ihm Nebenmann Friedrich oft aus der Patsche. Mit Beginn der K.o.-Runde steigerte sich Merte aber von Spiel zu Spiel und war zuletzt wieder der Abwehrchef, der er sein muss.
GettyArne Friedrich Eine der großen Entdeckungen bei der WM. Kam mit der Empfehlung des Bundesliga-Abstiegs mit Hertha BSC zum DFB-Tross. Dort streifte er aber die schlechte Saison schnell ab, wurde zum echten Führungsspieler außerhalb und auf dem Platz. Bis zum Halbfinale zusammen mit Schweinsteiger bester deutscher Feldspieler, dann aber mit einigen Fehlern. Trotzdem: Ganz starkes Turnier von Friedrich, der jetzt in Wolfsburg aufräumen wird.
Jerome Boateng Zuerst war er draußen, am Ende aber eine feste Größe und dazu noch variabel einsetzbar. Obwohl er nie auf seiner Lieblingsposition in der Innenverteidigung eingesetzt wurde, zeigte er doch auf links oder rechts in der Viererkette ansprechende Leistungen, die in der Zukunft auf mehr hoffen lassen. Einen Stammplatz hat er noch nicht sicher - Boateng ist aber auf einem sehr guten Weg.
Marcell Jansen Er war der Wackelkandidat, weil er erst im Verlauf der Vorbereitung fit wurde. Der Notstand auf der linken Seite (in der Abwehr und im Mittelfeld) ermöglichten ihm aber einige Kurzeinsätze, bei denen Jansen im Großen und Ganzen sehr vernünftig spielte. Jansen ist da, wenn man ihn braucht.
Holger Badstuber Es begann so verheißungsvoll mit dem Spiel gegen Australien. Badstuber sollte Podolski den Rücken freihalten und tat dies souverän. Gegen die offensivstarken Serben aber ging er förmlich ein, auch wenn er beim entscheidenden Gegentreffer nur ein Teil einer langen Fehlerkette war. Von da an raus aus der ersten Elf. Auch, weil die Linksverteidigerposition einfach nicht seine ist. Dafür ist Badstuber nicht schnell und wendig genug.
Dennis Aogo War lange auch einer der Streichkandidaten, rutschte aber in letzter Sekunde doch noch ins Team, weil Löw in der Abwehr und im Mittelfeld die Alternativen ausgingen. Gegen Uruguay mit einer durchschnittlichen Leistung, die so nicht für weitere Einsätze von Beginn an reicht. Er bleibt aber mindestens im erweiterten Kader.
Serdar Tasci Er machte sich große Hoffnungen auf den Platz neben Mertesacker in der Innenverteidigung und spielte dann am Schluss doch nur 60 Sekunden. Besonders nach Heiko Westermanns Ausfall schien Tasci gute Chancen zu haben, aber spätestens nach Friedrichs überzeugenden Vorstellungen hätte ihn nur noch eine Verletzung in die Mannschaft spülen können.
Mittelfeld
Sami Khedira Es bestanden durchaus Zweifel, ob und wie Khedira die Ballack-Rolle neben Schweinsteiger ausfüllen würde. Aber der Stuttgarter füllte sie bestens aus. Khedira zeigte sein Potenzial und dass er trotz seiner wenigen Länderspiele und seine Jugend schon Führungsqualitäten hat. Die Anfragen aus dem In- und Ausland ließen deshalb nicht lange auf sich warten. Jetzt schon eine feste Größe - Ballack-Rückkehr hin oder her.
Bastian Schweinsteiger Der internationale Durchbruch für den "neuen" Schweinsteiger. Der Chef - nicht nur im Mittelfeld. Er füllte das Vakuum, das Ballack hinterlassen hatte, perfekt aus. Wurde im Turnierverlauf immer mehr zur entscheidenden Figur im deutschen Spiel und wehrte sich im Halbfinale gegen Spanien als einziger mit allem, was er hatte gegen die Niederlage. Ein überragendes Turnier von Schweinsteiger.
GettyMesut Özil Er zeigte sein komplettes Spektrum - leider aber auch einige Male sein Phlegma. Sensationellen Spielen folgten schwächere Auftritte. Trotzdem ist Özil der Spielmacher dieser Mannschaft, der an einem guten Tag den Unterschied auch gegen große Mannschaften ausmachen kann. Neben seinem tollen Auge und seiner Technik bleibt aber auch eine nicht ausreichende Chancenverwertung im Gedächtnis. Trotzdem: Seine erste war eine gute WM.
Toni Kroos Er hatte das Pech, dass seine angestammten Positionen im linken oder zentralen offensiven Mittelfeld belegt waren. Also machte er einfach auf der Doppel-Sechs oder im rechten Mittelfeld eine gute Figur. Kroos deutete sein enormes Potenzial an, viele hätten ihn sich im Halbfinale von Beginn an gewünscht. Er ist noch nicht drin in der ersten Elf. Seine Zeit wird aber kommen.
Thomas Müller Bester Torschütze des Turniers. Bester Nachwuchsspieler des Turniers. Sechs Spiele, fünf Tore, drei Assists. Kreativster deutscher Spieler und die Entdeckung des Turniers. Selbst die Spanier waren froh, dass Müller wegen zweier Lappalien im Halbfinale gelbgesperrt fehlte. Er verkörpert die Zukunft und den neuen Stil des deutschen Fußballs. Eine Traum-WM für Müller, der vor einem Jahr noch in der dritten Liga kickte.
Lukas Podolski Mit Licht und Schatten. Licht: Seine Tore, seine Unbekümmertheit, sogar sein Defensiveinsatz. Schatten: Teilweise schwaches Passspiel, Chancentod gegen Serbien. Löw vertraut weiter auf ihn, auch wenn die Konkurrenz (Kroos) ihm schon dicht im Nacken sitzt. Spielerisch fiel Podolski einige Male im Vergleich zum Rest ab. Allerdings muss man auch sagen, dass Podolski als gelernter Stürmer nicht unbedingt im linken Mittelfeld zu Hause ist.
GettyPiotr Trochowski Auch er war lange einer der Wackelkandidaten und schmorte lange auf der Bank. Als dann seine große Chance zur Bewährung kam, verpatzte er sie mit einer fahrigen Leistung gegen Spanien. Trochowski stagniert seit zwei Jahren, bald wird es in dieser Verfassung nicht mehr für die DFB-Elf reichen.Marko Marin Er sollte eine Art Geheimwaffe sein und bekam zu Beginn gleich zwei Chancen bei Kurzeinsätzen gegen Australien und Serbien. Beide Male wusste er aber kaum überzeugen. Leider konnte er seine größtenteils starke Form aus der Bundesliga nicht bis zur WM konservieren.
Angriff
Miroslav Klose Vor der WM war er schon abgeschrieben. Zu langsam, nicht in Form, ohne Selbstvertrauen. Dann aber explodierte Klose förmlich, auch wenn er zu Beginn noch einige Chancen leichtfertig vergab. Wurde immer besser und bissiger und war mit drei Toren gegen England und Argentinien der Garant für das Erreichen des Halbfinals. Eine Rückenverletzung hielt ihn davon ab, auch noch den Rekord von Ronaldo zu erreichen. Einziger Schatten: Sein dummer Platzverweis gegen Serbien. Trotzdem hat es Klose bei der WM erneut allen gezeigt.
Cacau Er stand nach der Vorbereitung fast schon mit zwei Beinen im Team. Löw vertraute aber auf Klose und sollte damit Recht behalten. Trotzdem begann Cacau stark und mit einem Tor. Gegen Ghana von Beginn an aber nicht so stark wie sonst. Auch das Uruguay-Spiel war nicht besonders erfolgreich. Aber Cacau brachte mit seiner frischen Art eine wichtige Facette ins deutsche Team.
GettyMario Gomez Leider knüpfte er an seine durchwachsene Saison bei den Bayern an. Hatte nach seinen Einwechslungen keine Bindung zum Spiel, wirkte übermotiviert. Keine gute WM, die Gomez schnell abhaken muss. In der Nationalmannschaft immer noch nicht richtig angekommen.
Stefan Kießling Seine Position als mitspielender Stürmer war mit Klose und Cacau schon doppelt besetzt. Dazu kam Kießlings Schwäche im Torabschluss, die ihn zu einem WM-Touristen machte. Immerhin sein erstes großes Turnier, bei dem er ein bisschen reinschnuppern durfte. In Zukunft muss aber deutlich mehr kommen.