Chancen werden diesen beiden Hochbegabten im deutschen Fußball nicht eingeräumt. Die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine (8. Juni bis 1. Juli) kommt für Ilkay Gündogan und Julian Draxler eigentlich zu früh. Und dennoch weigern sich die Junioren, im vorläufigen 27 Spieler umfassenden Aufgebot von Bundestrainer Joachim Löw nur erstklassige Sparringspartner für die Arrivierten abzugeben.
"Ich habe es verdient, hier zu sein. Ich werde alles geben, um dabei zu sein", sagte Gündogan am Samstag im Trainingslager des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) im südfranzösischen Tourrettes. Es gibt zwei gute Gründe für Gündogans Selbstvertrauen: Der 21-jährige Deutsch-Türke gewann mit Borussia Dortmund das Double. Auch sein drei Jahre jüngerer Kollegen Draxler, der gerade sein Fachabitur erwerben will, kann einiges vorweisen.
Insbesondere in der Schlussphase der Bundesliga-Saison zeigte der offensive Mittelfeldspieler starke Leistungen für seinen Klub Schalke 04, der als Dritter die direkte Qualifikation für die Champions League schaffte. "Es war eine Riesenüberraschung für mich. Ich werde alles versuchen, den Bundestrainer zu überzeugen", sagte Draxler.
Starke Konkurrenz im Mittelfeld
Der Teenager hatte am Tag seiner Nominierung in das vorläufige Aufgebot gerade Unterricht an der Gesamtschule Bergerfeld in Gelsenkirchen, als ihm die Nachricht auf der Mailbox seines Handys hinterlassen wurde. Realistisch gesehen wird es für die beiden jungen Athleten recht schwierig werden, sich einen Platz im deutschen EM-Kader zu sichern und den Sprung von den Position 26 und 27 auf die 22 und 23 zu schaffen.
Im zentralen defensiven Mittelfeld kämpft Gündogan gegen Bastian Schweinsteiger, Toni Kroos, Sami Khedira, Sven und Lars Bender. Im offensiven Mittelfeld sieht es für Julian Draxler genauso hart aus: Andre Schürrle und vor allem Lukas Podolski sind auf der linken Seite die Hürden. Zu Poldi hatte Julian Draxler noch vor wenigen Jahren aufgeschaut.
Turnier statt Public-Viewing
"Bei den letzten großen Turnieren war ich beim Public Viewing und habe Poldi und Miroslav Klose zugejubelt. Jetzt stehe ich mit ihnen auf dem Platz", sagte der Schüler.
Die Atmosphäre für die Neulinge im deutschen Team ist seit langem positiv behaftet. Sowohl Gündogan als auch Draxler berichteten, sehr gut aufgenommen worden zu sein. Konkurrenzkampf ja, aber auch mit den nötigen Lerneffekten. Diese haben vor allem Gündogan die Möglichkeit überhaupt noch eröffnet, mit auf den EM-Zug zu springen.
Mit einer Verletzung kam er zu Beginn der abgelaufenen Saison vom 1. FC Nürnberg zum Deutschen Meister nach Dortmund. Nach seiner Genesung musste er sich an die hohe Intensität im Training von Trainer Jürgen Klopp gewöhnen. Nach einem guten Einstieg fand er sich schnell auf der Bank wieder.
Gündogan. "Ich habe viel gelernt"
"Ich habe in dem halben Jahr viel mitgenommen und gelernt", sagte Gündogan, dessen Rückrunde einen ersten Höhepunkt mit dem Siegtor in letzter Sekunde zum 1:0 im DFB-Pokal-Halbfinale bei der SpVgg Greuther Fürth hatte. Und dann natürlich diese beiden Titel. "Mit dem Double fühlt sich auf einmal alles leichter an", sagte Gündogan.
Draxler saß daneben, er kann sich Joachim Löw auch frei von der Leber weg präsentieren. Das hat ihm auch Weltstar Raul kurz vor dessen Abschied aus Schalke empfohlen. "Raul sagte, dass ich genauso unbekümmert bleiben und mir den Spaß am Fußball bewahren soll", erzählte Draxler, der im DFB-Camp noch wenig Zeit für einen ernsthaften Blick in seine Mathematik-Bücher fand.
Beiden ist auf bewusst, dass die Chancen gering sind. Aber der Ehrgeiz beider lässt nicht zu, einfach darüber hinwegzusehen, sollte es doch noch nicht klappen. "Natürlich wäre es kein Beinbruch. Aber es ist für jeden Spieler eine Riesenenttäuschung, so kurz vor einem Turnier gesagt zu bekommen: Du fährst nicht mit", sagte Draxler.