SPOX: Das hat funktioniert, Erik Durm musste sich zum Saisonausklang wieder hinter Ihnen anstellen. Jetzt ist er auch bei der Nationalmannschaft dabei. Ihn werden Sie so schnell offenbar nicht los, oder?
Schmelzer: Ich freue mich darüber, dass er nominiert wurde. Durch ihn sind wir ja ein Dortmunder mehr in der Nationalmannschaft (lacht). Im Ernst: Ich sehe in unserem Konkurrenzkampf keine Probleme. Jedem Spieler, egal auf welcher Position, bleibt ja nichts anderes übrig, als so gut es geht zu trainieren und damit dem Bundestrainer zu signalisieren, dass man bereit steht.
SPOX: Roman Weidenfeller meinte, er sehe Durm nicht als Streichkandidat und gehe fest davon aus, dass er in Brasilien dabei sein wird. Sehen Sie das ähnlich?
Schmelzer: Auf jeden Fall. Er hat eine starke Saison gespielt. Natürlich kam seine Nominierung etwas überraschend, andererseits haben wir ja auch keinen anderen Linksverteidiger mehr im Kader. Deshalb ist es für mich wahrscheinlicher, dass er dabei sein wird, als dass er nach Hause muss.
SPOX: Dass es so wenige Linksverteidiger gibt, hängt wohl auch mit der Ausbildung zusammen. Woran liegt es für Sie, dass der Nachschub auf dieser Position so gering ist?
Schmelzer: Ich denke, dass es generell schwierig ist, einen guten Linksfuß zu finden - und dazu noch einen, der quasi keine Tore schießen möchte. Die meisten Spieler mit einem starken linken Fuß spielen im Moment im rechten Mittelfeld. Ich kann nicht sagen, ob es ein Problem der Ausbildung ist. Man muss diese Position ja auch spielen wollen. Wenn ich einem 14-Jährigen sage, er solle ab sofort links hinten in der Abwehr spielen, dann wird er in den meisten Fällen antworten, stattdessen lieber Tore schießen zu wollen.
SPOX: Wohl auch deshalb äußerte Bundestrainer Joachim Löw vor rund eineinhalb Jahren in Ihre Richtung, dass er sich einen neuen Linksverteidiger nicht schnitzen könne. Um die BVB-Spieler entstand nebenbei einer Art Akzeptanz-Debatte. Wie hat sich die Wertschätzung der Schwarzgelben im Kreise der Nationalmannschaft verändert?
Schmelzer: Es ist mittlerweile viel besser geworden. Wir Dortmunder haben die Spielphilosophie und die Abläufe nun verinnerlicht. Anfangs war das schon schwieriger, weil wir vom BVB einen ganz anderen Fußball gewohnt waren. Das ist ja auch irgendwo normal. Wir wissen jetzt, wie es in der Nationalelf funktionieren soll.
SPOX: Worin besteht denn auf Ihrer Position der größte Unterschied für Sie im Vergleich zum Verein?
Schmelzer: Beim DFB-Team liegt die Priorität darauf, flach von hinten heraus zu spielen. Daran musste man sich gewöhnen, aber dieser Prozess ist längst abgeschlossen. In Dortmund hatten wir mit Robert ja auch lange Zeit jemanden vorne drin, der weite Bälle brutal stark sichern konnte. Wir spielen im Verein auch mal von der Abwehr heraus direkt hinter die letzte Linie, weil wir in der Offensive sehr sprintstarke Leute haben. Das geht hier natürlich auch, das Hauptaugenmerk liegt aber eher auf dem Flachpass.
SPOX: Wurde der Zusammenhalt in der Nationalmannschaft besser, nachdem auch die Dortmunder nun fester und akzeptierter Bestandteil sind?
Schmelzer: Ob das daran lag, vermag ich nicht zu beurteilen. Der Zusammenhalt ist aber definitiv noch größer geworden, auch die Gier, etwas gemeinsam zu erreichen, wurde intensiver. Ich würde behaupten: Das Verhältnis außerhalb des Platzes ist lockerer und auf dem Platz konzentrierter geworden.
SPOX: Liegt das gerade jetzt auch daran, dass man sich mehrere Wochen auf ein großes Ziel einschwören kann und nicht wie während der Saison von Termin zu Termin hetzen muss?
Schmelzer: Eindeutig. Wir haben hier die nötige Ruhe, alles um uns herum ist perfekt. Wenn dann ein solches Ereignis wie die Weltmeisterschaft vor der Tür steht und man ausreichend Zeit hat, um sich darauf vorzubereiten, dann schweißt das einfach zusammen. Wir verbringen hier ja auch unsere Freizeit zusammen. Dadurch wächst der Teamgeist schneller, als wenn man nur kurze Zeit miteinander arbeitet. Man muss aber auch abschalten können.
SPOX: Wie sieht das Abschalten genau aus?
Schmelzer: Wenn man zwei Mal am Tag trainiert, regeneriert man eigentlich nur. Hat man etwas mehr Zeit, dann gehen die einen Golf spielen, die anderen duellieren sich im Tischtennis oder man genießt die Aussicht vom Pool aus.
SPOX: Welche Option nutzen Sie?
Schmelzer: Im Moment trete ich gegen Mats Hummels am Snookertisch an. Das haben wir zuletzt auch bei der Europameisterschaft getan. Es ist also schon etwas her, daher brauchen wir jetzt erstmal wieder Spielpraxis (lacht).
SPOX: Es gibt einige Nationalteams, die dick eingepackt die große Hitze in Brasilien simulieren wollen. Die klimatischen Bedingungen werden wohl noch eine sehr große Rolle spielen. Haben Sie schon einmal etwas Vergleichbares am eigenen Leibe gespürt?
Schmelzer: Bisher nicht. Ob es etwas bringt, auf diese Weise die Temperaturen nachzuahmen, sei mal dahingestellt. Ich weiß nur noch, wie wir damals immer geschmunzelt haben, wenn Nelson Valdez erzählte, dass es etwas anderes sei, in Südamerika zu spielen, weil man da nach kurzer Zeit schon platt wäre. Wir dachten, das hätte bei ihm andere Gründe (lacht). Die Hitze wird aber schon eine neue Erfahrung für uns werden. Wenn man dort ab der 70. Minute kaputter ist als bei Spielen in Europa, dann entscheidet der Wille. Darauf wird es meiner Ansicht nach verstärkt ankommen.
SPOX: Denken Sie, es ist möglich, einen laufintensiven Spielstil durchdrücken zu können?
Schmelzer: Es wird möglich sein, wenn auch nicht über die vollen 90 Minuten. Das ist eine Frage der Kraft - und genau daran arbeiten wir hier im Trainingslager.
SPOX: Hitze hin oder her, das DFB-Team will Weltmeister werden. Was spricht in Ihren Augen für Deutschland?
Schmelzer: Mir wird zu viel darüber geredet, was im Halbfinale oder Finale passieren könnte. Stattdessen sollten eher die Gruppenspiele in den Fokus gerückt werden, darauf müssen wir uns konzentrieren. Portugal wird das allerwichtigste Spiel sein, denn wer da verliert, steht sofort enorm unter Druck. Wenn wir die Gruppenphase überstehen sollten, dann erwarten einen gerade bei der WM nur noch Kracher. In unserem Fall könnte es beispielsweise Belgien sein, die auch ich als Geheimfavorit einstufe.
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