Die Mannschaft von Joachim Löw hat allen Rückschlägen und jeder Kritik getrotzt und ist Weltmeister geworden. Gegen Argentinien ging die DFB-Elf erstmals in ein wichtiges Spiel und war vollkommen bereit. Fünf Schlüssel zum Titelgewinn.
Die Kombination aus alten und neuen deutschen Tugenden
Es läuft die zweite Hälfte der Verlängerung. Palacio versucht einen Konter der Deutschen zu stoppen, zieht Lahm am Trikot. Eigentlich eine Szene, die mit dem Pfiff des Unparteiischen wieder im Nichts versinkt. Doch sie sollte in Erinnerung bleiben, steht sie doch sinnbildlich für die Entwicklung, die die deutsche Nationalmannschaft in den letzten Jahren vollzogen hat.
Denn die deutsche Bank springt auf. Die Ersatzspieler stehen in der Coachingzone. Lautstark wird protestiert, die Gelbe Karte für den Argentinier gefordert. Bilder, wie man sie sonst nicht von der DFB-Elf kennt. In den letzten Jahren waren es immer die Deutschen, die den kühlen Kopf bewahrten. Intelligent und cool, fast ein wenig unterkühlt spielte das Team von Joachim Löw.
Dabei war, oder viel besser ist es, eine der neuen Tugenden, die Deutschland und niemand anderen zum Titel geführt hat. Man stand schon immer für Teamgeist, harte Arbeit und mannschaftliche Disziplin. Aber auch dafür, dass der letzte Wille fehlte. Der Wille, der oft den anderen Teams zugerechnet wurde, unbedingt zu gewinnen. Mit jedem Mittel.
Die WM 2010 war dann der Ausreißer einer jungen Mannschaft: Schön, direkt und offensiv. Weniger Kampf, mehr Fußball. Die Fußball-Welt war begeistert vom Spiel der Deutschen, die einfach zu schnell waren für Argentinien und England. Dann kam Spanien und wieder hatte man das Gefühl, dass etwas fehlt.
Die Weltmeisterschaft in Brasilien ist die Kombination aus beidem. Auf der einen Seite steht die perfekte technische Ausbildung, die ihre Höhepunkte in Spielern wie Mesut Özil oder Mario Götze findet. Auf der anderen Seite die Spieler, die es gelernt haben, Titel zu gewinnen. Bastian Schweinsteiger, Manuel Neuer oder Miroslav Klose. Typen möchte man schon fast sagen.
Es ist die Kombination aus dem Alten und dem Neuen: Schönes Spiel trifft auf mannschaftliche Geschlossenheit. Offensivgefahr auf defensive Stabilität. Joachim Löw hat es gewusst, beides zu kombinieren und mit dem zu versehen, was in den letzten Jahren fehlte. Dem Glanz in den Augen, dem unbändigen Willen, bis zum Titel jeden Schritt zu machen und wenn er noch so weh tut.
Die Kombination aus alten und neuen Tugenden
Die letzten entscheidenden Prozente
Die Rückschläge einfach weggesteckt
Löw wirft sein eigenes Denken um
Das Spiel der WM: Brasilien im Halbfinale
Die letzten entscheidenden Prozente
Dabei ist es nicht nur der Verdienst von Löw. Die Zeit hat ihren Dienst getan. Einschneidende Erlebnisse, ob im Vereins- oder Nationalmannschaftsfußball haben aus sehr guten Spielern Spieler gemacht, die Titel gewinnen. Populärstes Beispiel mag das unvergessliche Finale Dahoam sein, ein Finale, wie es wohl nur selten wieder Einfluss auf einzelne Spieler nehmen wird.
Jerome Boateng, der von Frank Lampard geblockt wurde und zusehen musste, wie Drogba den Ausgleich köpft. Manuel Neuer, der als Torhüter erst den Elfmeter von Mata pariert und dann seinen eigenen versenkt. Schweinsteiger, der am Pfosten scheitert und zum Gesicht der vielleicht bittersten Niederlage in der Geschichte des FC Bayern wird.
Doch es ist nicht nur dieses eine Finale in der Allianz Arena. Philipp Lahm, wie er im EM-Finale 2008 von Fernando Torres übersprintet wird. Mats Hummels, der im Champions-League-Finale den einen Schritt zu spät kommt und mitansehen muss, wie Arjen Robben das 2:1 für die Bayern erzielt.
Aber es sind auch die Erfolgserlebnisse, die die DFB-Elf zu Weltmeistern gemacht haben. Sami Khedira, der mit Real Madrid ein Traumcomeback im Finale der Champions League feierte. Thomas Müller, der bei der WM 2010 spielte, als hätte er nie etwas anderes getan. Mario Götze, der im ersten Spiel gegen seinen Ex-Klub das entscheidende Tor erzielt.
Jeder Spieler kann seine eigene Geschichte erzählen. Von Tiefen, die ihre Furchen hinterlassen haben und von Höhen, die neues Selbstbewusstsein gegeben haben. Diese Mannschaft war reif für einen gemeinsamen Titel. Ein Fakt, der sich auch darin wiederspiegelt, wie Spieler, die bisher ohne große Finals auskommen mussten, einfach mitgezogen wurden.
Die Kombination aus alten und neuen Tugenden
Die letzten entscheidenden Prozente
Die Rückschläge einfach weggesteckt
Löw wirft sein eigenes Denken um
Das Spiel der WM: Brasilien im Halbfinale
Die Rückschläge einfach weggesteckt
Trotz allem schien der Weg zum Titelgewinn lange versperrt. Egal ob in der Vorbereitung auf das Turnier oder nach der Ankunft in Brasilien. Jemand schien es darauf ausgelegt zu haben, Löw und seine Mannschaft auszubremsen. Es begann schon Monate zuvor. Ilkay Gündogan, bis dahin so etwas wie die Kreativzentrale: Verletzt. Wie lange? Völlig unklar. Es folgte Khedira. Ein Kreuzbandriss, selbst wenn er fit werden sollte, wäre er fit genug für die WM?
Währenddessen ließ die Form von Özil, respektive des FC Arsenal nach. Der Absturz der Gunners in der Liga hinterließ auch seine Spuren bei Lukas Podolski und Mesut Özil, die Topform war weit entfernt.
Es folgte das Trainingslager in Italien. Manuel Neuer kam angeschlagen, auch Schweinsteiger musste kürzer treten. Ein Unfall störte den Trainingsbetrieb, das WM-Aus ereilte nach Sven auch Lars Bender.
Noch vor der Abreise die nächsten bitteren Nachrichten. Marco Reus zieht sich Sekunden vor seiner geplanten Auswechslung einen Syndesmosebandanriss zu und verpasst die WM.
Selbst nach der Ankunft im Campo Bahia trat keine Ruhe ein. Die Diskussion um Kapitän Lahm nach dem 2:2 gegen Ghana, Khediras öffentliche Kritik an den Kollegen für (zu) langsames Spiel gegen die USA, das Gewürge gegen Algerien. Dazu Khediras kurzfristiger Ausfall im Finale und das Drama um Ersatzmann Kramer.
Dinge, die eine Mannschaft gleich mehrfach ausbremsen können, hat die deutsche Elf einfach weggesteckt. Für Verletzte sprangen ihre Pendants von der Bank beinahe selbstverständlich ein, sämtliche Nebengeräusche wurden mit einer Fokussierung abgeblockt, die im Nachhinein absolut beeindruckt. Einen einzigen Kommentar des Trainerteams zum deutschen Pessimismus sucht man vergeblich. Sie haben es einfach getan - ohne davor nach Erlaubnis zu fragen.
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Löw wirft sein eigenes Denken um
Das Spiel der WM: Brasilien im Halbfinale
Löw wirft sein eigenes Denken um
Dabei hat Löw keineswegs stur seine eigene Linie verfolgt. Vielmehr darf er sich auch für seine Entscheidung feiern lassen, eigene Prinzipien über den Haufen geworfen zu haben. Ein Trainer, der den Mut hat, im laufenden Turnier tiefgreifende Änderungen vorzunehmen, verdiente Spieler auf die Bank zu setzen oder stark kritisierte weiter aufzustellen, ist ein Trainer, der letztlich recht behält.
Lahm wanderte auf die rechte Seite, Mertesacker auf die Bank. Höwedes blieb links - im Nachhinein die richtige Entscheidung. Ob es anders gelaufen wäre, hätte Durm verteidigt, hätte Großkreutz seine Chance bekommen? Letztlich wird danach keiner mehr fragen. Löw hat die richtige Mischung aus Standhaftigkeit und Variabilität gewählt.
Die Nachbetrachtung der WM, im Hinblick auf die anstehende EM-Qualifikation, wird vielleicht Fehler aufdecken, die gemacht wurden. Dinge, die nicht erneut passieren dürfen. Aber auch Dinge, die die deutsche Nationalmannschaft wieder ein Stück besser machen werden.
Die Kombination aus alten und neuen Tugenden
Die letzten entscheidenden Prozente
Die Rückschläge einfach weggesteckt
Löw wirft sein eigenes Denken um
Das Spiel der WM: Brasilien im Halbfinale
Das Spiel der WM: Brasilien im Halbfinale
Letztlich bleibt bei allen vorhersehbaren und unvorhersehbaren Faktoren immer zu berücksichtigen, was es noch braucht, um Titel zu gewinnen. Hummels erklärte gleich nach Abpfiff, der WM-Titel sei vielleicht nicht das "sportlich Schwierigste, aber das Größte." Über eine ganze Saison wird die beste Mannschaft ermittelt, die Mannschaft, die am konstantesten spielt und sich keine Ausrutscher erlaubt.
Während einem Turnier entscheiden Details über Weiterkommen und Ausscheiden. Glück mag es der eine nennen, manch anderer spricht von guter Form oder vom Verdienst harter und intensiver Arbeit. Was wäre passiert, hätte Ronaldo nach acht Minuten das 1:0 für Portugal erzielt? Wäre Deutschland überhaupt ohne die funktionierenden Standards so weit gekommen?
Es sind Dinge wie diese, die einen Weltmeister ausmachen. Spanien stand 2010 mit dem Rücken zur Wand, Paraguay scheiterte an den eigenen Nerven, als Casillas einen Elfmeter von Cardozo parierte. Magische Momente, die einem für immer in Erinnerung bleiben. Magische Spiele wie im Fall des Halbfinales gegen Brasilien. Fast ausnahmslos jeder Weltmeister in der Geschichte des Fußballs hat mindestens eine solche Geschichte zu erzählen.
2006 waren es die Italiener, die Sekunden vor dem Abpfiff einen Elfmeter gegen Australien zugesprochen bekamen und gegen Deutschland in der Verlängerung auftrumpften. 2002 drehte Brasilien einen Rückstand gegen England und spielte fast die gesamte zweite Hälfte in Unterzahl. Im Finale profitierte man von einem Patzer des besten Torhüters des Turniers.
Das deutsche Pendant ist Ansichtssache. Vielleicht das 2:2 gegen Ghana mit dem späten Tor von Klose. Ein Spiel, das im richtigen Moment nochmal daran erinnerte, die Konzentration zu keinem Moment absinken zu lassen. Vielleicht ist es auch der knappe Sieg über Algerien. Ein Spiel, das den Stempel Arbeitssieg trägt, wie man es auf dem Weg zum Titel braucht.
Spricht man jedoch von einer magischen Nacht, wird man immer über das 7:1 im Halbfinale sprechen. Es war vielleicht kein Jahrhundertspiel wie das Halbfinale 1970 gegen Italien, dafür war es ein zu ungleiches Duell. Aber in dieser Nacht von Belo Horizonte hat die DFB-Elf Einzigartiges vollbracht.
Die Kombination aus alten und neuen Tugenden
Die letzten entscheidenden Prozente
Die Rückschläge einfach weggesteckt