"Ich habe zwei Jahre lang nach der enttäuschenden EM für diese WM gelebt", so Löw in der "Bild": "Insgesamt haben wir fast zehn Jahre auf diesen Tag hingearbeitet. Ich habe mich vorbereitet, mich mit jedem Tag immer mehr gefreut. Und wenn du dann die Spitze siehst, den WM-Titel, dann muss ich innehalten. So war es unmittelbar vor dem Finale."
Zuvor war das DFB-Team mehrfach knapp an Titeln vorbeigeschrammt und im Halbfinale oder gar im Endspiel gescheitert, "aber da kamen immer wieder Spieler zu mir und haben gesagt: "Trainer, wir sind da, wir packen das, wir machen weiter." Solche Dinge gingen mir vorm Finale durch den Kopf", berichtete Löw weiter.
Daher sei er mit einer optimistischen Einstellung in das Spiel gegangen: "Ich wusste: Heute ist unser Tag! Wenn nicht wir, wer dann? Wer dann? Mein Gefühl war gut. Es gibt ja das Sprichwort: Alles hat seine Zeit! Und ich wusste: Jetzt ist unsere Zeit, jetzt können wir das Meisterstück machen."
"Was kommt eigentlich, wenn ich oben bin?"
Dennoch habe er in den Stunden vor dem Spiel auch andere Gedanken gehabt: "Ich muss immer daran denken, wie ich den Kilimandscharo bestiegen habe. Du bereitest dich lange, lange auf ein Ziel vor. Dann bist du kurz vor dem Ziel, du siehst den Gipfel. Und denkst auf den letzten Metern: Was kommt eigentlich, wenn ich oben bin? Was passiert dann? Dann sind diese ganzen Ziele und die ganzen Träume vorbei."
Ähnlich erging es ihm auch im Bus auf dem Weg ins Stadion. "Ich hatte plötzlich das Gefühl: Eigentlich willst du diese Momente noch viel länger genießen, du willst sie festhalten, sie dürfen nicht vorbei gehen. Denn in ein paar Stunden ist alles vorbei. Und was passiert dann? Diese Gedanken hatte ich", gab Löw zu.
Löw als Papa von "La Mannschaft"
Folgerichtig hält der WM-Sieg den Bundestrainer jetzt noch nachts wach: "Das fällt mir in der Tat schwer, vor allem durchzuschlafen. Beim Turnier, selbst in der größten Anspannung, hatte ich da gar keine Probleme. Und jetzt? Wache ich nachts auf - und die Gefühle sind sofort da. Man denkt dann nach, wie intensiv und letztlich unglaublich schön das alles war, man genießt es in aller Stille. In den Tiefschlaf finde ich noch nicht."
Keine Gedanken an die Zukunft
Dennoch muss sich Löw schon jetzt Fragen zu seiner Zukunft gefallen lassen. Der Vertrag des 54-Jährigen läuft noch bis 2016, doch der Bundestrainer versicherte: "Man mag das als Außenstehender gar nicht glauben, aber ich habe wirklich noch nicht darüber nachgedacht, was nach dem Turnier passiert. Ich war so drin in meinem Tunnel, alles andere wäre eine Ablenkung gewesen, jeder Gedanke, jede Frage, jedes Problem."
Deshalb sei jetzt vorerst Ruhe angesagt, ehe er eine Entscheidung trifft. "Ich bleibe erst mal zuhause", so Löw: "Ich bin acht Wochen am Stück von zu Hause weg und freue mich, wieder hier zu sein. Ich habe mit meiner Frau extra nichts gebucht, wir machen alles spontan. Die Spieler müssen ja in drei Wochen schon wieder anfangen, da habe ich es etwas besser."
Joachim Löw im Steckbrief