Lothar, Rudi, wunderbar
Fast auf den Tag genau vier Jahre später ist es erneut so weit: Deutschland benötigt im Kampf um die Halbfinalteilnahme bei seiner Heim-EM lediglich ein Remis, die Spanier müssen im letzten Gruppenspiel gewinnen. Dieses Mal geht Deutschland die Angelegenheit aber ganz anders an als vier Jahre zuvor.
Franz Beckenbauer gibt der Mannschaft eine offensivere Ausrichtung mit auf den Weg. Mit Pierre Littbarski, Olaf Thon, Jürgen Klinsmann, Lothar Matthäus und Rudi Völler stehen gleich fünf spielstarke Mittelfeldspieler und Angreifer auf dem Platz. Ausgerechnet Tante Käthe Völler stand vor der Partie in der Kritik, nicht wenige forderten einen Einsatz von Franky Mill an Stelle Völlers, der seit sieben Spielen ohne Tor war.
Beckenbauer vertraute Völler trotzdem und wurde dafür belohnt. Nach einem Klinsmann-Pass erzielte die Nummer neun erst das frühe 1:0 und nach der Pause nach einem Konter auch das entscheidende 2:0. Dieser Treffer war in seiner Entstehung und in seinem Abschluss ziemlich untypisch für den damaligen deutschen Fußball: Nach einem schnell vorgetragenen Konter legte Matthäus den Ball mit der Hacke auf Völler ab, der per Außenristschuss in die lange Ecke traf.
Das Tor war so wichtig und technisch so anspruchsvoll, dass es im Dezember 1988 sogar zum Tor des Jahres gewählt wurde. Und ganz nebenbei ersparte es dem Kaiser auch einigen Ärger: Ein Ausscheiden nach der Vorrunde der Heim-EM hätte womöglich auch Beckenbauer den Job kosten können.
Auferstehung mit Scholl und Zick-Zack-Zickler
Der deutsche Fußball lag nach der desaströsen Europameisterschaft 2000 in Trümmern, als der neu formierten Mannschaft mit dem neuen Teamchef Rudi Völler nur wenige Wochen später ein erstes Ausrufezeichen gelang.
In Hannover hatte Deutschland im ersten Testspiel nach der EM Spanien zu Gast. Die Iberer reisten so ziemlich mit der vollen Kapelle an, mit Verdasco, Mendieta, Guti, Guardiola und Raul. Deutschland schien auf dem Papier hoffnungslos unterlegen, zauberte dann aber eine der besten Stunden der jüngeren Länderspielgeschichte auf den Rasen.
Zweimal Mehmet Scholl und zweimal Alexander Zickler mit seinen Premierentoren für Deutschland stellten das Ergebnis nach gut einer Stunde auf 4:0. Rauls Tor zum 1:4 änderte nichts mehr am höchsten Sieg einer deutschen Mannschaft überhaupt über Spanien. Alex Zickler hat danach noch sieben Mal das Trikot mit dem DFB-Adler übergestreift. Der Doppelpack von Hannover sollte aber eine Art One Hit Wonder bleiben. Ein weiteres Tor ist ihm nicht mehr geglückt.
Geburtsstunde der Besten aller Zeiten
Acht Jahre später kam es in Wien zum ersten K.o.-Spiel überhaupt zwischen beiden Mannschaften. Ins EM-Finale 2008 ging Deutschland sogar als leichter Favorit. Zwar hatte Spanien auf dem Weg ins Endspiel den besseren Fußball gespielt und nicht zuletzt im Halbfinale die hoch gehandelten Russen gedemütigt - dem spanischen Verbandsfußball hing aber immer noch der Ruch der Erfolglosigkeit an und dass die Mannschaft in den entscheidenden Momenten stets versage.
44 Jahre nach dem letzten und bis dato einzigen großen Triumph bei der Europameisterschaft im eigenen Land hatten die Iberer Deutschland abgesehen von einer zurückhaltenden Anfangsphase aber voll im Griff und siegten beim 1:0 am Ende sogar ein, zwei Tore zu niedrig. Es war der erste Sieg in einem Pflichtspiel überhaupt über Deutschland und die Geburtsstunde der erfolgreichsten Verbandsmannschaft aller Zeiten.
Während Deutschland einmal mehr kurz vor dem großen Ziel jäh gestoppt wurde und nach und nach tiefe Risse innerhalb der Mannschaft bekannt wurden, eilten die Spanier seit der Nacht von Wien bei großen Turnieren bis zu diesem Sommer von Triumph zu Triumph.
Die letzte große Ernüchterung
Spanien war zum Idol für die Mannschaft von Joachim Löw geworden, ein Vorbild an Spielkultur, Entschlossenheit und Teamgeist. Dass zu großer Respekt und Bewunderung aber das eigene Spiel lähmen können, zeigte sich im Halbfinale der WM zwei Jahre später.
Während sich Spanien mit zwei 1:0-Siegen eher sachlich-nüchtern ins Semifinale gespielt hatte, verblüffte die junge deutsche Mannschaft mit spektakulären Partien gegen England und Argentinien die Fußballwelt und stürzte die Fans in der Heimat in einen wahren Rausch. Der DFB-Elf wurde ein Sieg gegen den amtierenden Europameister zugetraut, im Moses-Mabhida-Stadion in Durban kam dann aber alles ganz anders.
Deutschland konnte den Gegner bis auf eine Aktion nie in Verlegenheit bringen, während Spanien seinem rationalen Stil treu blieb und nach einer Standardsituation durch Carles Puyol die Partie entschied. Der Mythos des angeblich ewigen Zweiten und Dritten verfestigte sich in Deutschland noch mehr, während die Spanier als erste Mannschaft überhaupt nach einem EM- dann auch den WM-Titel einfuhren.