SPOX: Deutschland ist die einzige Nation, die 2015 definitiv mit vier Nachwuchs-Nationalteams an Turnier-Endrunden teilnehmen wird. Was war für Sie der Punkt, an dem in der Vergangenheit die Weichen für den jüngsten Erfolg gestellt wurden?
Wück: Es ist das erste Mal seit sehr langer Zeit, dass wir mit so vielen Mannschaften vertreten sind. Mit der U17 könnten wir sogar auch noch zur WM fahren, das wäre natürlich perfekt. Nach dem Jahr 2000, als es um den deutschen Fußball nicht gut bestellt war, hat ein Umdenken stattgefunden. Vor allem mit Matthias Sammer kam frischer Wind in die Nachwuchsförderung des DFB.
SPOX: War sein Wechsel zum FC Bayern schwer zu verkraften?
Wück: Es ist völlig normal, dass sich im Fußball immer wieder Personen umorientieren. Er war Teil eines stetigen Prozesses, der - wie bei der WM in Brasilien - jetzt die ersten Früchte trägt. Wir geben uns damit aber noch nicht zufrieden. Es gilt weiterzumachen und mit dem neuen Sportdirektor Hansi Flick sind wir dahingehend gut aufgestellt.
SPOX: In den letzten Jahren kristallisierte sich vor allem das technische Spiel mit hohem Ballbesitz als Schwerpunkt heraus. Wird es künftig nur noch Götzes und keine Wadenbeißer mehr geben?
Wück: Damit das nicht passiert, sind wir gerade wieder etwas am umdenken. Wir wollen weg von der rein technischen Ausbildung und wieder grundlegende Elemente in den Fokus rücken: Passspiel, Eins-gegen-Eins-Situationen, Defensivverhalten. Es wird zukünftig nicht reichen, nur schön spielen zu können. Bei der WM in Brasilien hat sich deutlich gezeigt: Individualisten sind mit ihrer Kreativität unheimlich wichtig, aber noch wichtiger ist es, sie ins Team einzubinden. Man muss sie zum Arbeiten bringen.
SPOX: Dazu braucht es einen guten Teamgeist. Bilden sich Hierarchien in der Mannschaft von innen heraus oder legen Sie diese fest?
Wück: Das kommt auf den Kader an. In der einen Mannschaft passiert es von selbst, im nächsten Jahrgang muss man das ein bisschen anstoßen. Generell heißen wir es gut, wenn sich Spieler hervortun und vorneweg gehen. Das hängt aber immer von den Charakteren ab.
SPOX: Haben Spieler der vermeintlich größeren Vereine häufig ein anderes Selbstverständnis im Team?
Wück: Da sehen wir wenige Unterschiede. Wir haben beispielsweise drei Spieler aus Bochum dabei. Die nehmen sich im Vergleich zu den Dortmund- oder Bayern-Spielern aber nicht zurück, nur weil sie bei einem Zweitligisten spielen. Fachlich und qualitativ hätten sie auch keinen Grund dazu.
SPOX: Was sagt es über die Nachwuchsarbeit in Bochum aus, dass gleich drei Spieler aus dem Leistungszentrum im Kader des DFB stehen?
Wück: Es ist Ausdruck der starken Jugendarbeit in Deutschland. In anderen Nationalmannschaften gibt es häufig Blockbildungen. In Portugal besteht das Team beispielweise aus Spielern von nur zwei oder drei verschiedenen Vereinen. Das ist bei uns nicht der Fall.
SPOX: In jeder Mannschaft tun sich trotzdem Spieler besonders hervor. Welche sind das in der aktuellen U17 des DFB?
Wück: An erster Stelle ist das unser Kapitän Felix Passlack, der vorweggeht - nicht nur, weil er die Binde am Arm hat, sondern weil er charakterlich einfach ein Führungsspieler ist. Er hat nicht von ungefähr gerade einen Profivertrag in Dortmund unterschrieben. Zusammen mit Niklas Dorsch vom FC Bayern zieht er die Fäden im Mittelfeld. Diese Spieler sind schon sehr weit und gefestigt. Sie wissen, was noch vor ihnen liegt und was sie dafür investieren müssen. Die Chancen stehen gut, dass sie den Durchbruch irgendwann einmal schaffen werden.
SPOX: Harald Strutz kritisierte zuletzt, dass junge Spieler oft zu früh von großen Vereinen weggekauft werden und nicht die Chance erhalten, sich erst einmal zu entwickeln. Sehen Sie das generell auch so?
Wück: Es ist ein zweischneidiges Schwert. In vielen Fällen ist es aber gut, wenn die Spieler lange in ihren Stammvereinen bleiben. Es zerren unheimlich viele Personen an ihnen: Eltern, Berater, Vereins-Verantwortliche. Wichtig ist, dass der Spieler sich wohlfühlt. Das kann aber auch in großen Vereinen trotz der größeren Konkurrenz der Fall sein.
SPOX: Wie nimmt man beim DFB in dieser Thematik das Aufstreben von RB Leipzig wahr? Das könnte in den nächsten Jahren auch große Auswirkungen auf den deutschen Fußball-Nachwuchs haben.
Wück: Natürlich kann es sein, dass sie den Spielern mehr bieten können, als andere Vereine. Es ist eine Entwicklung, die man nicht mehr aufhalten kann. Ob das gut oder schlecht ist, wird man in einigen Jahren sehen. Wir raten den Spielern, möglichst lange da zu bleiben, wo sie sich wohl fühlen. Mehr können wir als DFB eigentlich nicht tun.
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