Vom 6. bis 28. Oktober findet in Indien die U17-WM statt. Mit dabei ist die deutsche Auswahl, die in der Gruppe C auf Costa Rica, Guinea und den Iran trifft. SPOX hat mit Cheftrainer Christian Wück nicht nur über die Chancen bei der WM gesprochen, sondern je einen Spieler der Mannschaftsteile genauer unter die Lupe genommen.
Wück über die WM in Indien
Keine fünf Monate ist es her, da standen die deutschen U17-Kicker mit gesenkten Köpfen am Mittelkreis im Stadion des kroatischen Varazdi. Gerade hatten sie nach 90 intensiven, aber torlosen Minuten das EM-Halbfinale mit 2:4 im Elfmeterschießen gegen Spanien verloren. Aus der Traum.
Trotz des Ausscheidens gab es einen positiven Aspekt für Christian Wück und seine Mannschaft: Durch den Einzug ins Halbfinale war das Ticket für die WM in Indien bereits gelöst. Und auch vom bevorstehenden Abenteuer in Südasien will die DFB-Auswahl nicht mit leeren Händen zurückkehren.
"Unser erstes Ziel ist es, zunächst den ersten Platz in unserer Gruppe zu erreichen und am letzten Turniertag möglichst Weltmeister zu werden", gab Wück gegenüber SPOX die Richtung vor.
Dabei lässt der Cheftrainer keinen Zweifel daran, dass seine Jungs spielerisch absolut zur Elite gehören: "Wir haben nicht den einen Schlüsselspieler und sind in der Breite ordentlich besetzt, falls ein Spieler ausfallen sollte. Wir sind besonders von unseren Offensivqualitäten überzeugt, bei der EM hatten wir neun verschiedene Torschützen. Wir zählen mit unserer Qualität zu den Top-Nationen."
Ein Spaziergang wird das Unterfangen allerdings auf keinen Fall, dafür reicht ein Blick auf die klimatischen Voraussetzungen. In Indien herrschen im Oktober täglich über 30 Grad, hohe Luftfeuchtigkeit inklusive. "Wir sind extra sechs Tage vor dem ersten Spiel angereist und akklimatisieren uns mit jedem Tag besser", erzählte Wück von der frühen Anreise. "Auch wenn die afrikanischen und asiatischen Teams aufgrund der klimatischen Bedingungen im Vorteil sind, wollen wir eine Überraschung schaffen - wie es auch der A-Nationalmannschaft bei der WM 2014 in Brasilien unter ähnlichen Bedingungen gelang."
Doch nicht nur klimatisch muss sich der DFB, der am Samstag ins Geschehen eingreift, erstmal mit den Gegebenheiten vor Ort arrangieren, auch die Plätze haben es in sich. In Indien wird Fußball auch in Cricket-Stadien gespielt, was bedeutet: größere Spielfläche als in Europa.
Und nicht nur das Grün ist weitläufiger. Die Fläche Indiens (3.287.264 km²) ist mehr als neun Mal so groß wie Deutschland (357.022 km²). Da ist Reisestress vorprogrammiert. "Wir bleiben die ersten beiden Gruppenspiele in Goa, wo auch die Partien stattfinden. Zum dritten Spiel müssen wir aber den Standort wechseln und dann einen ganzen Tag fliegen, um zum nächsten Quartier nach Kochi zu kommen. Wo wir nach der Gruppenphase unterkommen, wissen wir noch nicht."
Diese Widrigkeiten sollen und dürfen aber nicht für schlechte Vorzeichen sorgen, im Fokus steht die große Chance für die Talente. "Diese Erfahrung im internationalen Fußball kann man nicht zeigen oder erzählen, die Spieler müssen sie erleben. Deswegen sind die Youth League und die WM für jeden Einzelnen unheimlich wichtig", betonte Wück. Die Mannschaft ist spielerisch so stark besetzt, dass ein längeres Turnier als noch im Mai möglich ist. Läuft alles rund, ist auch die Krönung durch den WM-Titel drin.
Um die Jugendlichen, die alle 2000er Jahrgang oder jünger sein müssen, etwas besser kennen zu lernen, hat SPOX pro Mannschaftsteil ein Talent herausgepickt und mit Christian Wück über die Spielweise gesprochen.
Torwart: Luca Plogmann - Werder Bremen
Wer die Juniorenmannschaften des DFB regelmäßig verfolgt, dürfte über den Namen Luca Plogmann bereits gestolpert sein. Beim Halbfinaleinzug im Sommer brachte der gebürtige Bremer die gegnerischen Angreifer zum Verzweifeln, nur einmal musste er nach einem Treffer aus dem Spiel heraus den Ball aus dem Netz fischen. Alle anderen Gegentore setzte es vom Punkt.
"Er ist auf der Linie schwer zu bezwingen, weil er die Situationen sehr gut einschätzt und die Winkel geschickt verkürzt", erklärt Wück, der wie erwartet keinen Zweifel an der T-Frage lässt. "Er ist klar unsere Nummer eins. Für ihn ist es wichtig zu wissen, dass er das volle Vertrauen genießt. Das hat er sich sowohl im Verein als auch bei uns redlich erarbeitet."
Es ist keine Überraschung, dass Plogmann auch im Verein den Übergang von der U17 in die U19 problemlos meisterte. Nach sieben Spieltagen hat Werder in der Bundesliga Nord/Nordost mit acht Gegentreffern die zweitbeste Defensive der Liga, nur der Rivale aus Hamburg übertrumpft den SVW in dieser Kategorie (sieben).
Wück kann keine wirkliche Schwachstelle bei seinem Keeper ausfindig machen, stattdessen hebt er das Komplettpaket des Keepers hervor: "Seine fußballerischen Qualitäten sind eine herausragende Stärke von ihm. Deshalb können wir unseren Spielaufbau auch über den Torwart aufziehen." Eine Fähigkeit, die der Spielphilosophie des Jugendtrainers stark entgegen kommt.
In den letzten Monaten hat Plogmann nicht nur den Sprung in die A-Jugend geschafft, auch neben dem Platz ist der 17-Jährige reifer geworden. "Charakterlich hat er sich weiterentwickelt und sich als Führungsspieler absolut etabliert. Wir erhoffen uns von ihm, dass er bei der WM nochmal den nächsten Schritt geht", beurteilt Wück den persönlichen Werdegang Plogmanns.
Auch die Tatsache, dass Plogmann nicht zu den größten seiner Zunft zählt, ist Wück zufolge kein Problem. "Mit 1,88 Meter ist er zwar nicht der Größte, aber das macht er mit seiner Sprungkraft wieder wett."
Abwehr: Lars Lukas Mai - FC Bayern München
Wie Kollege Plogmann gehörte Mai bereits bei der EM zum Inventar der U17 und bestritt alle Partien über die komplette Distanz. Auch in Indien soll der 1,83 Meter große Abwehrspieler, der gelegentlich auf der Sechs agiert, den Laden zusammen halten.
"Er wird bei uns Innenverteidiger spielen, weil er für diese Position die gefragten Fähigkeiten mitbringt: Beim eigenen Spielaufbau ist Lukas mit seinem überragenden Passspiel unglaublich wichtig für uns, gleichzeitig ist er im defensiven Zweikampf kaum zu überwinden", meint Wück.
Eine besondere Stärke von Mai ist seine Besonnenheit: Auch in hohen Drucksituationen verliert er nicht den Kopf, scannt die Situation und spielt einen präzisen Pass.
Dementsprechend gehört er sowohl bei den Bayern als auch beim DFB zu den Führungsspielern, den Lautsprechern, die die Kollegen, wenn nötig, auch mal wachrütteln und neu sortieren. "Er macht den Mund auf und ist deshalb auch für die Ansprache im Team extrem wichtig", führt Wück aus.
Dabei verlief die Karriere des FCB-Talents nicht immer stringent Richtung Profi-Fußball. Vor eineinhalb Jahren durchlief der gebürtige Sachse eine Krise, aus der er sich aber herauskämpfte. "Seine Entwicklung in den letzten sechs Monaten beeindruckt mich. Die U17-Meisterschaft mit Bayern München hat ihm einen Schub gegeben", erklärt Wück den Leistungssprung.
Aber auch wenn der Zeiger in die richtige Richtung ausschlägt, sollten es Mai und seine Kollegen tunlichst vermeiden, den gebürtigen Sachen in ein Sprintduell hineinzuschicken. "Sein größtes Entwicklungspotenzial liegt in der Schnelligkeit - das weiß er aber auch. Auf Sicht muss er daran arbeiten."
Mittelfeld: Elias Abouchabaka - RB Leipzig
Nachdem angeblich eine Klage der Familie Abouchabakas gegen Hertha BSC, Elias aus dem Fördervertrag bei seinem damaligen Verein zu entlassen, vom Berliner Fußball-Verband abgeschmettert wurde, war ein Abschied aus der Hauptstadt nur noch eine Frage der Zeit.
2015 entschied sich der heute 17-Jährige für die Bullen, die dem Vernehmen nach 250.000 Euro Ablöse auf den Tisch legten. Danach ging der Stern Abouchabakas auf. Schnell und steil. Bereits mit 15 Jahren kickte er für die U17, ein Jahr später explodierte er in der Saison 2016/17 bei den B-Junioren förmlich und schoss RBL in der Bundesliga Nord/Nordost mit 17 Buden auf Rang zwei.
Scouts, die den Jungen mit den marokkanischen Wurzeln damals noch nicht auf dem Zettel hatten, dürften spätestens nach der EM fleißig Notizen in ihr Büchlein gekritzelt haben. Abouchabaka war der Taktgeber des Teams, versenkte selbst drei Bälle und bereitete zwei weitere Treffer vor. Diese Leistung überzeugte auch Ralph Hasenhüttl, der den Youngster zum Profikader beförderte.
Auch wenn er bislang noch keine Bundesliga-Luft schnuppern durfte, in der A-Jugend schließt Abouchabaka an die gewohnten Leistungen an: nach sechs Einsätzen stehen starke acht Torbeteiligungen (1 Tor, 7 Vorlagen).
Während er in Leipzig hauptsächlich auf dem linken Flügel für Unruhe sorgt, beordert Wück ihn in die Zentrale. "Er ist unser Stratege, bewegt sich in die richtigen Räume, hat einen sehr guten Abschluss und bereitet viele Tore vor", begründet Wück die Rochade.
Besonders beeindruckt ist der U17-Trainer von der fußballerischen Intelligenz seines Spielmachers. Sein großer Trumpf sei "seine herausragende Orientierung auf dem Platz: Er erkennt die Situationen, weiß, wann er wo hinlaufen muss und hat immer Zug zum Tor".
Abouchabaka sucht immer nach der Option mit der größten Torwahrscheinlichkeit. Befindet er sich selbst in aussichtsreicher Position, versucht er selbst sein Glück. Steht ein Kollege besser, bedient er diesen.
Abschließend fasst Wück passend zusammen: "Mit diesen Qualitäten ist er nicht aus der Mannschaft wegzudenken."
Sturm: Jann-Fiete Arp - Hamburger SV
Am letzten Bundesliga-Spieltag schrieb Arp im Nordderby Geschichte: Das HSV-Eigengewächs, das am 6. Januar 2000 geboren wurde, ist der erste Bundesliga-Spieler, der im neuen Jahrtausend geboren ist. Der Beginn einer Ära.
Dass der wohl bekannteste Spieler seines Kaders deshalb erst in der Nacht auf Montag in Goa zur Mannschaft stieß, kann Wück verkraften. Denn mit Arp weiß er eine echte Tormaschine in seinen Reihen: In der B-Jugend schoss er bereits die Bundesliga Nord/Nordost mit 26 Toren zu Kleinholz und auch bei der EM war er nicht einzufangen (9 Torbeteiligungen).
"Fiete hat sich über die Jahre eine gewisse Rolle erarbeitet: er ist die Führungsfigur in unserem Team und mit seinen sieben Treffern bei der EM hat er seine Bekanntheit in ganz Fußball-Deutschland sicher nochmal gesteigert", analysiert Wück.
Arps Vielseitigkeit sorgt bei seinem Trainer für funkelnde Augen. Dabei sei es dem Stürmer "egal, ob er den Gegner hinter sich oder vor sich hat, er ist immer anspielbereit und kann den Ball verwerten". Besonders seine Technik zeichnet ihn aus, wie Wück erklärt: "Er braucht maximal zwei, drei, Ballkontakte um zum Abschluss zu kommen."
Will man eine Schwäche beim 1,84 Meter großen Mittelstürmer finden, so macht es einem Arp nicht schwer. Denn der Angreifer selbst scheut Selbstkritik keineswegs. "Mein Kopfballspiel ist besser geworden, aber ich bin noch lange nicht da, wo ich als zentraler Stürmer sein möchte. Zudem ist das Spiel mit meinem schwachen linken Fuß noch ausbaufähig", gab er in einem Interview mit dem Young-Talents-Magazin des HSV vor einigen Monaten zu.
Diese gesunde Selbsteinschätzung passt ins Bild, denn Wück zufolge sucht man fehlgeleiteten Egoismus bei Arp vergeblich. "Er ist sehr klar im Kopf, weiß, was er will und weiß auch, wie er das erreichen kann. Gleichzeitig stellt er das Wohl der Mannschaft immer über sich, das macht ihn doppelt wertvoll."
Und das Wohl der Mannschaft hängt zwar auch, aber eben nicht ausschließlich von den Leistungen Arps ab, wie Wück immer wieder betont: "Mit diesen Qualitäten kann er gegen jeden Gegner den Unterschied ausmachen. Nichtsdestotrotz haben wir viele gute Angreifer und sind nicht nur von Fiete abhängig. Dass sich die Gegner nicht nur auf ihn konzentrieren können, kommt ihm auch entgegen."