Schon vor diesem denkwürdigen Dienstag gehörte sie zu jenen Fragen, die Jürgen Klopp in seinem Leben nach eigener Einschätzung mit am häufigsten beantworten musste. Er hat also eine gewisse Übung darin, Träume platzen zu lassen, womöglich auch seine eigenen.
Irgendwann einmal die deutsche Nationalmannschaft trainieren zu dürfen galt schon als eine Art zumindest beruflicher Lebenstraum Klopps, als er den BVB Anfang des vorigen Jahrzehnts zu den letzten zwei Meisterschaften des Klubs und ins Champions-League-Finale führte. Als "TV-Bundestrainer" war er sogar schon 2006 bezeichnet worden, als er uns Zuschauern die Sommermärchen-Spiele erklärte.
Was heute fast schon vergessen ist: Nach der EM 2012, nach dem WM-Triumph 2014 und auch nach der EM 2016 stellte sich Bundestrainer Joachim Löw selbst jeweils ein paar Wochen lang die Frage, ob er weitermachen wolle. Nur nach dem WM-Desaster 2018 verließ Löw sein Instinkt, nur "2018 war ich relativ schnell sicher, dass ich weitermachen möchte", erläuterte der nun nach der EM 2021 nach 15 Jahren scheidende Rekord-Bundestrainer selbst einmal.
Klopp galt stets als idealer und logischer Kandidat für die bis jetzt sehr abstrakte Möglichkeit, dass auch der ewige Jogi irgendwann nicht mehr Bundestrainer sein könnte. Jetzt, da die Frage sehr konkret ist, sagte der logische Kandidat - und auch der Wunschtrainer der User von SPOX und Goal- als Erster öffentlich ab. Klopp auf ewig nur TV-Bundestrainer?
Klopp: "Also funktioniert es einfach nicht"
"Dass ich so oft gefragt wurde, ist ja erst mal eine Ehre. Aber Nein! Ich habe ja einen Vertrag, und selbst wenn Liverpool mich jetzt rausschmeißen würde, wenn meine Zeit dann hier rum ist, dann werde ich ganz sicher ein Jahr Pause machen. Das ist auch klar. Also funktioniert es einfach nicht", sagte Klopp bei Sky auf die Frage, ob er für die Nachfolge von Löw zur Verfügung stünde.
Eine unmissverständliche Ansage, die Klopp nach allem, was man hört, auch genauso meinte. Und die jegliche theoretische Gedankenspiele, wie der DFB Klopp - vielleicht, vielleicht - dennoch nach der EM unter Vertrag nehmen und trotzdem - vielleicht, vielleicht mit der Hilfe von U21-Trainer Stefan Kuntz - ein zumindest halbjähriges Sabbatical vor dem langen WM-Jahr 2022 ermöglichen könnte, verbietet.
Die Absage an den DFB noch vor den ersten Anfragen oder gar Verhandlungen sei auch nicht damit zu erklären, dass Klopp von der Rücktrittsankündigung Löws mitten in der Vorbereitung auf das wichtige Achtelfinal-Rückspiel in der Champions League gegen RB Leipzig in Budapest (21 Uhr im LIVETICKER) kalt erwischt wurde und er in der Situation schwer das Gegenteil hätte sagen können.
Klopp zum DFB? Das Zeitfenster war vielleicht nie so gut
Auch dass Klopp wegen der generell nicht ganz unkomplizierten Situation in Liverpool nach den sechs Heimniederlagen am Stück und sieben Punkten Rückstand auf einen Champions-League-Platz ohnehin derzeit anderes im Kopf hat, sei nicht der Grund für die Absage, heißt es.
Von außen betrachtet mag das Zeitfenster für einen Wechsel Klopps zum DFB zwar nie so gut gewesen sein wie aktuell: Klopp hat mit Liverpool seit Herbst 2015 alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Die aktuelle sportliche Krise, so ernst sie auch sein mag, ist hinreichend erklärbar durch Liverpools wahre Verletztenseuche und einer menschlich absolut verständlichen und durch die besondere Corona-Situation noch verstärkten Sättigung des Teams.
Klopps Verdienste in Liverpool sind zudem so groß, dass ihm weder Fans noch Verantwortliche einen Abschied zum DFB trotz Restvertrags in Liverpool bis 2024 verübeln würden. Womöglich würde Klopps Wechsel zu seinem Heimatverband sogar eine vielleicht irgendwann unvermeidliche Trainerdiskussion, auf die kein Beteiligter wirklich Lust hat, schon im Keim verhindern.
Klopp: Timing für ihn nie so schlecht wie jetzt
Doch Klopp sieht das anders. In seinen Augen ist das Timing vielleicht sogar so schlecht wie nie zuvor. Er möchte die Reds in der Krise nicht im Stich lassen. "Ich kann mich mit dem Job einfach nicht befassen. Ich mache den Job, den ich mache, mit allem, was ich habe. Und da sind keine Ressourcen frei, um mich irgendwo anders hinzuträumen", sagte Klopp am Dienstag noch.
Das galt freilich auch schon für seine vorherigen Jobs in Mainz (2001 bis 2008) und Dortmund (2008 bis 2015). Und doch kam er bei beiden Stationen in Krisensituationen irgendwann trotzdem zu dem Schluss, dass die Zeit für neue Herausforderungen gekommen sei. Doch der Liverpool-Zyklus scheint für ihn schlicht noch nicht am Ende angekommen.
"Er ist fest entschlossen, die Dinge in Liverpool wieder zum Besseren zu wenden und ist überzeugt davon, dass das mit weniger Verletzten, der Rückkehr der Fans und einer insgesamt etwas normaleren Saison möglich ist", sagt Neil Jones, der Klopp als Liverpool-Korrespondent von Goal auch während der Pandemie genau beobachtet. Auf keinen Fall wolle Klopp Liverpool inmitten der jetzigen Krise verlassen.
Und so schmeißt Klopp die Tür, die Löw ihm beim DFB nun geöffnet hat, wieder zu. Wohl auch für die kommenden Jahre. "Dementsprechend alles fein. Jetzt wird nach der EM ein neuer Bundestrainer kommen. Und wenn der sehr erfolgreich ist, dann wird weder 2024 noch 2026 irgendein Hahn nach mir krähen. Und das ist dann auch gut so", sagte Klopp.
Ganz beiseite schieben können wird Klopp die Gedanken an den DFB aber wohl nicht. DFB-Direktor Oliver Bierhoff hat als langjähriger Kompagnon von Klopps Berater und engem Vertrauten Marc Kosicke ohnehin naturgemäß einen engen Draht zu den beiden. Und verhandeln müssen Kosicke und Bierhoff nun ohnehin - Klopps Berater vertritt auch den zweiten von den drei meistgenannten Bundestrainerkandidaten Ralf Rangnick.