Die deutsche Nationalmannschaft hat im Kampf um die EM-Qualifikation einen Rückschlag erlitten. In einem taktisch hochklassigen Klassiker gegen Erzrivale Niederlande kassierte die Elf von Joachim Löw 2:4-Niederlage. Alle vier Gegentreffer fielen in einer schwachen zweiten Halbzeit.
Am Montag bei den bislang ungeschlagenen Nordiren (ab 20.45 Uhr im LIVE-TICKER) steht das DFB-Team plötzlich unter Druck. Durch das späte vierte Gegentor verlor man nämlich auch das direkte Duell mit den Niederländern, die man im ersten Aufeinandertreffen in Amsterdam noch mit 3:2 bezwungen hatte.
"Wir haben im gesamten Spiel unter unserem technischen Niveau gespielt, wir haben viele Bälle verloren, viele Kombinationen haben nicht so funktioniert", übte Löw nach Spielende Kritik an seiner Mannschaft. Deutlicher wurde Niklas Süle: "Wir haben schon in der ersten Hälfte nicht gut gespielt, hatten kaum Ballbesitz. Das kann nicht unser Anspruch sein."
Deutschland - Niederlande: Die Stimmen
Joachim Löw (Bundestrainer): "Ich bin enttäuscht. Wir haben unter unseren Möglichkeiten gespielt. Über 90 Minuten war Holland die bessere Mannschaft. Wir haben verdient verloren. Trotz der Führung hatten wir das Spiel nie unter Kontrolle. Wir haben zu viele Bälle verloren."
Ronald Koeman (Trainer Niederlande): "Die Deutschen waren in der zweiten Halbzeit müder. Sie waren nicht mehr so gut wie in der ersten Hälfte. Wir haben einfach mehr für den Sieg getan."
Serge Gnabry: "Es war wie im Hinspiel. Wir sind in der ersten Halbzeit in Führung gegangen und bekommen dann die Tore gegen uns. Wir haben viel zu einfache Gegentore gekriegt, das darf uns so nicht passieren. Bei jeder Niederlage überwiegt die Enttäuschung. Wir kriegen die Gegentore viel zu leichtfertig, das 2:3 schenken wir einfach her. Das darf uns nicht passieren."
Niklas Süle: "In der ersten Halbzeit hatten wir kaum Ballbesitz. Das kann nicht unser Anspruch sein. Insgesamt war es ein ganz schlechtes Spiel von uns. Daraus müssen wir lernen. Es kann nicht sein, dass wir bei einem Heimspiel so wenig Ballbesitz haben. Gegen Nordirland muss es besser werden."
Deutschland - Niederlande: Die Analyse
Löw bot im Klassiker wie erwartet Timo Werner von Beginn an als Ersatz für den verletzten Leroy Sane auf. Julian Brandt, dem der Bundestrainer ebenfalls Startelfchancen ausgerechnet hatte, musste ebenso mit der Bank vorlieb nehmen wie Ilkay Gündogan, der dem Comeback von Toni Kroos zum Opfer fiel. Tah rückte für den fehlenden Antonio Rüdiger in die Anfangsformation. An der neu etablierten Grundausrichtung von Löw, dem 3-5-2 im Spiel mit und dem 5-3-2 im Spiel ohne Ball, änderte sich dadurch nichts.
Die Niederländer agierten im 4-3-3. Die beiden Außenverteidiger Denzel Dumfries und Daley Blind interpretierten ihr Spiel jedoch sehr offensiv, weshalb sich der Sechser Frenkie de Jong immer wieder zwischen die Innenverteidiger Virgil van Dijk und Matthijs de Ligt fallen ließ. Der Plan von Bondscoach Ronald Koeman: den Ball in den eigenen Reihen halten und im letzten Drittel über dynamische Spieler wie Memphis Depay oder Quincy Promes schnell zum Abschluss kommen.
Das klappte in der ersten Hälfte nur bedingt. Depay zwang Manuel Neuer zwar nach einem tollen Dribbling zu einer frühen Glanzparade (8.), die tief stehende deutsche Elf machte die gefährlichen Räume aber nicht nur dicht, sie verstand es auch, nach Fehlern des Gegners blitzschnell umzuschalten. So etwa kurz nach Depays Chance, als Joshua Kimmich den Ball perfekt auf Lukas Klostermann durchsteckte und Serge Gnabry nach dessen pariertem Schuss zum 1:0 abstaubte (9.). Die Pausenführung hätte sogar noch höher ausfallen können, wäre Oranje-Keeper Jasper Cillessen im Eins-gegen-Eins mit Marco Reus nicht zur Stelle gewesen (42.).
Im zweiten Durchgang lösten beide Mannschaften ihre taktischen Fesseln, den 51.299 Zuschauer im Hamburger Volksparkstadion boten sich mehr Torraumszenen - und dadurch automatisch mehr Tore. Erst glich de Jong nach einer Babel-Flanke, die Jonathan Tah und Nico Schulz schlecht verteidigten, aus (59.), dann ging die Elftal sogar durch ein Eigentor von Tah nach einem Eckball in Front (65.). Auch ein fragwürdiger Elfmeter, den Kroos sicher zum 2:2 verwandelte, änderte nichts an der Tatsache, dass die insgesamt aktivere Mannschaft am Ende belohnt wurde. Der eingewechselte Debütant Donyell Malen (79.) und Champions-League-Sieger Georginio Wijnaldum (90.) sicherte Oranje drei ebenso wichtige wie verdiente Punkte im Kampf um die EM-Qualifikation.
Die Daten des Spiels Deutschland gegen Niederlande
- Tore: 1:0 Gnabry (9.), 1:1 De Jong (59.), 1:2 Tah (Eigentor, 65.), 2:2 Kroos (73.), 2:3 Malen (79.), 2:4 Wijnaldum (90.)
- Neuer kassierte seine Gegentore 7, 8 und 9 gegen die Niederlande - gegen keine andere Nation musste er so oft hinter sich greifen.
- Das Tor von Gnabry war das 15. Länderspieltor Deutschlands im Jahr 2019 - das ist bei noch fünf ausstehenden Partien schon jetzt eins mehr als im Seuchenjahr 2018.
- Deutschland blieb im 6. Pflichtspiel in Folge vor der Halbzeitpause ohne Gegentor.
Der Star des Spiels: Memphis Depay (Niederlande)
Vor dem Seitenwechsel der größte Aktivposten der Niederländer. Sehr stark in den Zweikämpfen (8 von 12 gewonnen). Nach dem Seitenwechsel dann mit grandiosem Pass auf Dumfries (48.), legte zudem das Eigentor von Tah sowie den späten Wijnaldum-Treffer auf. Strahlte das ganze Spiel über Gefahr aus. Bei den Hausherren überzeugte vor allem Kroos mit starken Zweikampfwerten und einem Treffer.
Der Flop des Spiels: Jonathan Tah (Deutschland)
Stand vor dem 1:1 schlecht und stolperte den Ball zum zwischenzeitlichen 1:2 ins eigene Netz. Ebenfalls schwach: Werner, der ohne Torschussbeteiligung blieb, und Reus, der viele Fehlpässe spielte und eine Großchance vergab.
Der Schiedsrichter: Artur Dias (Portugal)
Hatte eine insgesamt fair geführte Begegnung im Griff. War mahnend zur Stelle, als sich nach einem Foul von Kimmich an de Ligt die Gemüter erhitzten (35.). Beging zur Freude der Deutschen aber einen groben Fehler, als er auf Elfmeter für Löws Elf entschied, nachdem de Ligt den Ball nach einem Schubser von Schulz leicht mit der Hand touchiert hatte (72.). Das DFB-Team hatte Glück, dass es den VAR bei EM-Qualifikationsspielen (noch) nicht gibt.
DFB-Team: Die restlichen Länderspiele 2019
Datum | Gegner | Uhrzeit | Wettbewerb | Ort |
9. September | Nordirland | 20.45 Uhr | EM-Qualifikation | Belfast |
9. Oktober | Argentinien | 20.45 Uhr | Freundschaftsspiel | Dortmund |
16. November | Weißrussland | 20.45 Uhr | EM-Qualifikation | Mönchengladbach |
19. November | Nordirland | 20.45 Uhr | EM-Qualifikation | Frankfurt am Main |