Als das zweite Remis innerhalb von 72 Stunden perfekt war, stemmte Ilkay Gündogan seine Hände kopfschüttelnd in die Hüften. Der Mittelfeldspieler von Manchester City war maximal ernüchtert. Oder in seinen Worten: "Angepisst."
Dabei hatte der 29-Jährige eigentlich ein gutes Spiel gemacht. Nach seinem Tor in Minute 14, einem scharfen und präzisen Flachschuss ins kurze Eck, sah es nach einem erfolgreichen Abend für das DFB-Team aus.
Wie schon am Donnerstag gegen Spanien verspielte die Elf von Joachim Löw aber erneut drei Punkte, weil sie nicht konzentriert genug agierte. Diesmal fiel der Ausgleich nicht in der Nachspielzeit, sondern bereits nach 58 Minuten. Die mutig und aggressiv zu Werke gehende Schweizer Mannschaft belohnte sich für ihren hohen läuferischen und kämpferischen Aufwand.
Gündogan ärgert sich über Gegentor: "Darf nicht passieren"
"Am Ende kannst du vielleicht von Glück behaupten, dass du hier noch den Punkt mitnimmst", schimpfte Gündogan im ZDF mit Blick auf die weiteren Chancen des Gegners in der Schlussphase. Vor allem aber ärgerte ihn das Gegentor, das durch einen Fehlpass des eingewechselten Julian Brandt im Mittelfeld entstand war. "Das darf auf diesem Niveau nicht passieren", meinte Gündogan. "Auch wenn der Platz nicht im optimalen Zustand ist oder der Gegner gut ist, so ein Gegentor wirft uns einfach zurück."
Jener Treffer hatte den Nachteil am pressingorientierten 3-5-2 von Löw aufgezeigt. Die Außenspieler Thilo Kehrer und Robin Gosens standen nach Brandts Fehlpass zu hoch, um den Gegenstoß der Schweizer zu unterbinden, wodurch Niklas Süle aus der Dreierkette rausrücken und ins Eins-gegen-Eins mit Breel Embolo gehen musste.
Der robuste Gladbacher behauptete sich und brachte den Ball an die andere Strafraumgrenze, wo Silvan Widmer ohne den nicht schnell genug zurückgeeilten Gosens unbedrängt gegen die Laufrichtung von Torhüter Bernd Leno einschob.
Für Löw ist es die Chancenverwertung, nicht das System
Löw wollte nach dem Schlusspfiff aber nicht im Detail auf sein riskantes System und seinen Plan eingehen, die Schweizer teilweise in Manndeckung zu nehmen. Vielmehr nahm der Bundestrainer seine Offensive in die Pflicht. "Was wirklich ärgerlich ist: Dass wir uns mit den guten Chancen, die wir hatten, nicht belohnt haben, nicht das zweite Tor machen", sagte er. Leroy Sane und Timo Werner hatten vor dem Seitenwechsel hochkarätige Möglichkeiten liegen gelassen, Julian Draxler danach.
Die Chancenverwertung, meinte Löw, sei auch schon gegen Spanien das Problem gewesen. "Wenn man solche Möglichkeiten nicht nutzt, wird man bestraft. Das zieht sich durch, daran müssen wir arbeiten." Im kommenden Monat, wenn neben einem Test gegen die Türkei (7. Oktober) zwei weitere Nations-League-Spiele in der Ukraine (10. Oktober) und erneut gegen die Schweiz (13. Oktober) anstehen, erwartet Löw Besserung. "Wir treten dann wieder mit der vollen Kapelle an." Sieben bis acht Spieler, darunter die verantwortungsbewussten Triple-Gewinner des FC Bayern um Manuel Neuer und Joshua Kimmich, werden zurückerwartet.
DFB-Team: 180 Kilometer mit dem Flugzeug
Gegen Spanien und die Schweiz hatte Löw zweimal auf die nahezu identische Startelf vertraut. Von den Feldspielern wechselten sich nur Matthias Ginter und Emre Can ab. Eine Überraschung, hatte der Bundestrainer nach dem Duell mit Spanien in Stuttgart doch noch erklärt, seine Spieler würden "auf dem Zahnfleisch gehen". Beim DFB war man deshalb sogar der Meinung, es wäre zu strapaziös für die Mannschaft, die Reise ins nur 180 Kilometer entfernte Basel per Bahn oder Bus zurückzulegen. Stattdessen entschied man sich für einen deutlich weniger umweltfreundlichen Flug - und nahm dafür eine Welle der Kritik in den sozialen Netzwerken in Kauf.
"Die Anreise war auch den Hygieneauflagen geschuldet. Bahnfahren wäre nur möglich gewesen mit Umsteigen, mit dem Bus hätte die Anreise bis zu 3,5 Stunden gedauert. Das ist unter Regenerationsaspekten nicht ideal für Profisportler", rechtfertigte DFB-Pressesprecher Jens Grittner die imagetechnisch eher unglückliche Maßnahme. Abwehrspieler Kehrer äußerte, es sei "schon ein Unterschied, 3,5 Stunden zu sitzen und 45 Minuten zu sitzen". Wie Grittner kam auch der Profi von Paris Saint-Germain zu dem Fazit, dass es für die Regeneration besser sei, so kurz und schnell wie möglich zu reisen. Positiv auf die Leistung der Mannschaft im St. Jakob-Park schien sich das aber nicht unbedingt auszuwirken.
DFB-Team in der Nations League: Tabelle nach dem 2. Spieltag
Platz | Team | Spiele | Tore | Diff. | Punkte |
1 | Spanien | 2 | 5:1 | +4 | 4 |
2 | Ukraine | 2 | 2:5 | -3 | 3 |
3 | Deutschland | 2 | 2:2 | 0 | 1 |
4 | Schweiz | 2 | 2:3 | -1 | 1 |