Gestörte After-Show

Stefan Rommel
04. September 201417:33
Deutschland verlor gegen Argentinien sein erstes Spiel nach dem WM-Titelgetty
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Die Niederlage im Testspiel gegen Argentinien hat der deutschen Nationalmannschaft schonungslos gezeigt, dass auch das Leben als Weltmeister beschwerlich sein kann. Bundestrainer Joachim Löw hat jede Menge Arbeit vor sich und vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Schottland auch einige handfeste Probleme.

Kun Aguero ist nicht Lionel Messi, das weiß vermutlich jedes Kind. Die Stadionregie in der Düsseldorfer Esprit-Arena hatte am Mittwochabend aber dann doch etwas grundlegend durcheinander gebracht.

Mit der Nummer zehn auf dem Rücken prangte plötzlich Messis Konterfei auf der Video-Leinwand, euphorisch angesagt vom Stadionsprecher und lautstark bejubelt von den deutschen Fans. Die hatten sich auf einen richtig schwungvollen Abend eingestellt.

Da traf es sich doch bestens, dass gegen das beste Team der Welt nun doch auch der beste Spieler der Welt antreten wollte. Obwohl Messi doch eigentlich wegen Problemen an den Adduktoren seine Teilnahme am "Rückspiel" abgesagt hatte.

Auf dem Rasen war er natürlich nicht zu finden, dafür aber Aguero mit der Zehn auf dem Rücken. Den meisten deutschen Fans dürfte das so schnell nicht aufgefallen sein, beseelt vom vierten Stern und dem Unterhaltungsprogramm gab es Wichtigeres, als sich eindringlich mit dem Gegner auseinanderzusetzen. Immerhin aber entdeckte die Regie ihren Fehler und korrigierte den dann wenige Minuten später.

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Der Alltag ist zurück

"Heute feiern wir nochmal WM", hatten Düsseldorfer Zeitungen am Mittwoch eine große Sause in Auftrag gegeben. Gefeiert wurde dann auch: Davor zelebrierte der Deutsche Fußball-Bund den Abschied von Hansi Flick, Philipp Lahm, Miroslav Klose und Per Mertesacker aus dem aktiven Dienst der Nationalmannschaft. Und danach traf sich der gesamte Brasilien-Tross im Hotel noch zu einer Art Abschlussfeier.

Zwischendrin aber war den rund 50.000 deutschen Fans im Stadion nur vereinzelt zum Feiern zumute. Die deutsche Nationalmannschaft legte gegen Endspielgegner Argentinien eine unausgeglichene Partie hin, die in der Art nicht auf der Tagesordnung der After-Show-Party gestanden hatte.

Der Alltag hatte die Deutschen sehr schnell wieder und mit ihm waren auch die alten Probleme wieder existent. Die Schwierigkeiten auf den Außenverteidigerpositionen, wo Kevin Großkreutz und Erik Durm einen ganz schwachen Tag erwischten.

Das Zusammenspiel der Viererkette insgesamt, obwohl die zu drei Vierteln aus einer Dortmunder Belegschaft bestand. Oder die Chancenverwertung, schon seit langer Zeit ein Ärgernis, und nun gegen die Argentinier in Person von Mario Gomez noch einmal verdeutlicht.

Viele verletzte Spieler

Dazu kommen andere Fragen, in erster Linie die nach den Lösungen für den angekündigten Umbruch. Der ist nach den Abgängen der Größen Lahm, Mertsacker und Klose unabdingbar, besonders das Fehlen von Lahm wird der Mannschaft und ihrem Trainer noch eine ganze Zeit lang Kopfzerbrechen bereiten.

Löw sprach die Dinge danach schonungslos an, bat aber auch um Verständnis und verwies zurecht auf die besonderen Umstände, unter denen diese Niederlage zustande gekommen war. "Wir hatten nur zwei Tage Zeit. Man hat auch gespürt, dass die Spieler eine kurze Vorbereitung hatten. Es ist nicht so einfach, in der Trainingsarbeit Schwerpunkte und Akzente zu setzen. Die Spieler sind in der vierten oder fünften Woche derVorbereitung. Da muss man ein bisschen aufpassen. Die personelle Seite ist das größere Problem!"

Denn gleich ein halbes Dutzend verletzter Spieler gesellten sich zu den anderen Problemen. So standen zu Spielbeginn nur vier Akteure auf dem Platz, die auch vor wenigen Wochen in Rio de Janeiro in der Startelf gestanden hatten.

"Zu viele Ablenkungen"

"Wir hatten viele Belastungen", sagte Lukas Podolski. Und Thomas Müller, der erst nach einer knappen Stunde von der Bank kam, verwies auf den dominanten Eventcharakter der vergangenen Tage. "Es gab zu viele Ablenkungen", befand Müller und meinte damit das Schautraining vor 40.000 Fans und ein Fotoshooting für ein Postkarten-Set, die eine gezielte und seriöse Vorbereitung auf einen Gegner wie Argentinien nachhaltig störten.

Und weil die Partie sich dann irgendwie nicht entscheiden konnte zwischen der erwünschten Retrospektive und einem ersten Schritt in die Zukunft, kam am Ende das entsprechende Resultat dabei heraus. In der Einordnung der Ereignisse fanden die Spieler keinen Konsens.

Während sich die meisten auf den Charakter eines typischen Testspiels beriefen und auch der Bundestrainer glaubhaft versicherte, dass von nun an die EM-Qualifikation absolute Priorität genieße und man bereits am Sonntag gegen Schottland eine ganz andere deutsche Mannschaft sehen werde, legte Manuel Neuer kritisch den Finger in die Wunde.

Neuer kritisiert die Abwehr

"Es ist bitter, wir sind hinten nicht ordentlich gestanden", sagte Neuer, der bis zu seiner Auswechslung nach 45 Minuten zwei der vier Gegentore kassierte. "Dabei haben wir in der Abwehr drei vom BVB, die sich eigentlich gut kennen."

Die klare Ansage an die Adresse von Großkreutz, Durm und Matthias Ginter sollte wohl wachrütteln vor dem Pflichtspielauftakt gegen die Schotten. Es war aber auch eine indirekte Bestätigung dafür, dass etablierten Spieler - Neuer, Benedikt Höwedes, Christoph Kramer und Toni Kroos - schon besser funktionierten als die, mit denen die Zukunft gestaltet werden soll.

"Man hat in einer einen oder anderen Situation die fehlende Erfahrung gemerkt. Das ist logisch. Die Argentinier haben mit acht, neun Mann aus dem Finale gespielt, sind sehr erfahren. Wir hatten viele Ausfälle. Der eine oder andere Spieler war zum ersten Mal in so einem Spiel. Wir brauchen ein bisschen Geduld und Zeit. Sie haben große Möglichkeiten. Wir können nicht erwarten, dass sie die Etablierten so einfach ersetzen können", sagte Löw.

Gomez als unglückliche Figur

Aber auch die Rückkehrer Marco Reus und Mario Gomez hatten teilweise noch große Anpassungsschwierigkeiten, an Gomez entlud sich gleich mehrere Male Volkes Zorn. 2007 begann Gomez' Länderspielkarriere in Düsseldorf, gegen die Schweiz erzielte er dabei gleich mal sein erstes Tor. Nun feierte er nach fast einem Jahr Verletzungspause eine Art kleines Debüt. Allerdings ein weniger erfreuliches.

"Die beiden Chancen in der ersten Halbzeit muss ich natürlich machen. Wenn du das nötige Glück hast, dann gehen die Schüsse auch rein. Vielleicht mache ich sie dann im nächsten Spiel", sagte Gomez. Angesprochen auf die Pfiffe gegen ihn wirkte er fast schon ein wenig resigniert. "Offenbar ist das mittlerweile schon normal..."

Sein Trainer steuerte auf der Pressekonferenz nach dem Spiel entschieden dagegen. "Grundsätzlich geht es einfach nicht, dass ein Spieler der deutschen Nationalmannschaft ausgepfiffen wird, nur weil er die eine oder andere Chance liegengelassen hat. Er hat sieben Monate verletzt gefehlt, hat ein einziges Pflichtspiel bestritten."

Für die Partie gegen Schotten wird Löw noch einige Spieler ins Aufgebot berufen. "Ich denke, dass ich den einen oder anderen nachverpflichten werde, weil die Decke ein bisschen dünn ist. Ich brauche auf der einen oder anderen Position noch Alternativen."

Die Schotten sollen nicht zum Stolperstein werden und den Schwung der WM endgültig ausbremsen. "Wir müssen als Weltmeister beweisen, dass wir noch hungrig sind", fordert Löw. Ein gelungener Start in die EM-Qualifikation ist auch deshalb Pflicht.

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