Das neue, ungute Gefühl

Die deutsche Nationalmannschaft schied im EM-Halbfinale aus
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Baustellen: Killerinstinkt und Flexibilität

Direkt bei Löws erstem Auftritt nach der Europameisterschaft erklärte er überraschend offen, an welchen Dingen es bei der Nationalmannschaft zuletzt hakte. "Diese EM hat keine Revolution gebracht, von daher glaube ich, dass wir jetzt zwei zentrale Themen in der Mannschaft haben: schnelleres Umschalten und die Chancenverwertung", erklärte der Bundestrainer. Beide Themen sollen gezielt ins Training eingebunden werden.

Speziell die EM zeigte klar, dass die Durchschlagskraft im letzten Angriffsdrittel fehlte. Das führte dazu, dass die spielstärkste Mannschaft des Turniers um ihren eigentlich verdienten Erfolg gebracht wurde. "Wir hatten eine schlechte Chancenauswertung", so der Bundestrainer weiter. Ein altes Problem, das in Frankreich wieder an die Oberfläche gespült wurde. Lediglich sieben Tore erzielte das DFB-Team in den sechs Turnierspielen. Obwohl gute Chancen hier und da sehenswert herausgespielt wurden, ließ die Mannschaft diese häufig liegen. Man sei "nicht mehr so tödlich" wie man schon mal war, so Löw.

Eine richtige Lösung für dieses Problem ist immer noch nicht gefunden. In der WM-Quali läuft es derzeit zwar wieder gut, doch diese Gegner sind weit entfernt von Topniveau. Sobald das deutsche Team auf eine organisierte Defensive trifft, hat sie Probleme. Gegen Polen, Italien und Frankreich gab es keinen Sieg in der regulären Spielzeit. Böse Zungen behaupten gar, dass das DFB-Team in diesem Jahr gegen überhaupt kein Spitzenteam unter Wettkampfbedingungen gewann.

Mario Gomez war sicherlich einer der (wenigen) Gewinner der Europameisterschaft. Sein Spielstil war unter Löw bereits aus der Mode gekommen. Mit einer falschen Neun sollte alles spielerisch gelöst werden. Der Brecher Gomez passte nicht in dieses System. In Frankreich setzte Löw jedoch wieder vermehrt auf den Wolfsburger, der immer wieder Abwehrspieler auf sich zog und somit Räume schuf. "Gegen tief stehende Mannschaften brauchst du Mittelstürmer, die Präsenz im Sechszehner haben. Mario tut das sehr gut", analysierte Hummels. Es wird eine der zentralen Aufgaben Löws, für die mangelnde Durchschlagskraft eine Lösung zu präsentieren.

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Einen ersten Schritt hat der Bundestrainer dazu bereits gemacht. Er rückte ab von seinem starren Systemdenken und experimentierte in der letzten Zeit immer wieder mit unterschiedlichen Formationen. Bei der EM gegen Italien setzte er beispielsweise auf eine Dreierkette, zum Abschluss des Jahres - wieder gegen Italien - lief sein Team gar in einem etwas ungewöhnlichen 3-4-2-1 auf. "Es ist nicht entscheidend, ob wir mit Dreier- oder Viererkette spielen. Das wird in den nächsten zwei Jahren vielleicht auch variabel sein. Ich finde es gut, dass wir da mehrere Möglichkeiten haben", so Löw.

Abgesehen von den altbekannten Problemen im Sturm braucht die Mannschaft die ganz große Weiterentwicklung gar nicht mehr. Denn selten fand man schon so früh in einer Qualifikation eine so gefestigte Mannschaft vor. Vielmehr müssen hier und da winzige Stellschrauben nachgezogen und eventuell an den Gegner angepasst werden. "Unser Weg ist sehr gut. Wir sind in der Art, wie wir Fußball spielen, weltweit führend", sagte der Bundestrainer.

Vor allem die Defensive, eine langjährige Problemzone, ist inzwischen das Prunkstück der Mannschaft. Hummels und Boateng ergänzen sich immer besser, weltweit sucht mal wohl vergebens nach einem besseren Duo. Auch davor hat der DFB mit Gündogan, Kroos und Khedira drei Spieler auf Weltklasse-Niveau. Dieses kompakte Defensivmonster führte dazu, dass Deutschland in elf von 16 Spielen die weiße Weste behielt.

Die Richtung des DFB stimmt. Aufgrund der günstigen Lage in der WM-Quali sind bereits jetzt alle Augen auf die Titelverteidigung gerichtet. In Russland soll verhindert werden, was man dieses Jahr erlebte: Erdrückende Dominanz ohne Ertrag.

Italien - Deutschland: Daten zum Spiel