Ganz am Ende wurde es tatsächlich noch einmal eng für Joachim Löw. Der Bundestrainer hatte den falschen Laufweg gewählt und fand sich plötzlich inmitten des kleinen Käfigs wieder, der den deutschen Journalisten zugeteilt war.
Löw befreite sich schnell aus der misslichen Lage und konnte kurz darauf eine etwas übereifrige Mitarbeiterin des irischen Verbandes davon überzeugen, dass er in der Tat als deutscher Nationaltrainer unterwegs war und er unbedingt Zugang zum Innenraum des Aviva Stadiums benötigte.
Schließlich galt es die letzten Amtshandlungen des Abends abzuleisten: Interviews, Pressekonferenz, Heimfahrt ins Hotel. Es waren fast schon die schwierigsten Momente für Löw an einem erstaunlich geruhsamen Abend in Dublin.
Unerwartet entspannter Abend
Die deutsche Mannschaft und ihr Trainer hatten sich auf einen stürmischen Gegner eingestellt. Auf Grund der Aufgeregtheiten im Vorfeld hätte es eine unangenehme Dienstreise in die irische Hauptstadt werden können. Dass am Ende ein absolut ungefährdeter 6:1 (2:0)-Sieg für die deutsche Auswahl heraussprang, hatten wohl die wenigsten erwartet.
SPOX-Analyse: Deutschland schießt schwache Iren ab
Neben den Debatten um den Teamgeist oder ob Marcel Schmelzer jetzt eine Übergangslösung sei oder doch die Zukunft auf der Position des Linksverteidigers gab es ja noch eine ganze Menge nachzuholen von der spielerisch verbaselten Partie vor vier Wochen in Wien.
Dazu musste Löw eine ziemlich umgebaute Viererkette zu ihrer Jungfernfahrt aufs Feld schicken, deren Belastungsfähigkeit niemand so recht einschätzen konnte. Da traf es sich sehr gut, dass den Iren nicht nur fünf Stammspieler, darunter auch der ewige Robbie Keane, fehlten. Sondern, dass die Gastgeber bar jeder fußballerischer Mittel nur eine halbe Stunde lang einen ordentlichen Trainingspartner spielen durften - um danach komplett in sich zusammenzufallen.
Trap enorm unter Druck
Auf Seiten der irischen Gastgeber rollten einige bereits auf der Pressekonferenz am Donnerstag mit den Augen, als Löw die Mannschaft von Giovanni Trapattoni großzureden versuchte. Nahezu jedem war klar, dass die deutschen Probleme in Wirklichkeit Problemchen sind gegen das, an was es dem irischen Fußball derzeit mangelt.
Die EM war mit null Punkten und 1:9 Toren ein sportliches Desaster, einzig die formidablen irischen Fans vertraten ihr Land in Polen standesgemäß. Dazu noch die Verletztenmisere. Wie also sollte diesem Team gegen den Weltranglisten-Zweiten eine Überraschung gelingen?
Selbst eine solide, aber keineswegs überragende Vorstellung der deutschen Mannschaft reichte, um den Gastgebern ein halbes Dutzend Tore einzuschenken. Es war die höchste Niederlage der Iren gegen eine deutsche Mannschaft und womöglich der Anfang vom Ende für Trapattoni als Nationaltrainer.
Der Italiener stand vor dem Spiel schon unter Druck, die EM und der schleppende Start in die WM-Qualifikation mit einem glücklichen Sieg in Kasachstan wurden als nackte Zahlen gegen ihn in die Schlacht geführt. Dazu kommen eine antiquierte Spielweise und Traps Verweigerung, frischen jungen Spielern das Vertrauen zu schenken.
Der Mister, dem sie unzählige Bonmots zu verdanken und einen Song gewidmet haben, steht spätestens seit Freitagabend furchtbar in der Kritik und braucht jetzt ganz schnell Ergebnisse und ansprechende Leistungen.
Deutschland wieder besser im Rhythmus
Dagegen erscheinen den Iren Löws Probleme geradezu luxuriös. Der Bundestrainer hatte vor der Partie darauf hingewiesen, dass seine Spieler jetzt Mitte Oktober einen anderen Rhythmus hätten und voll drin wären in der Saison. Damit lag er offenbar ziemlich richtig.
"Ich denke, dass die ersten zwei Spiele sehr schwer waren", sagte Miroslav Klose. "Wenn wir uns aber richtig auf das Spiel vorbereiten und den Ball wie heute laufen lassen, kommt dann auch so ein Ergebnis raus."
Löw selbst erkannte eine Mannschaft, die an sich gearbeitet hatte und "die Präsenz, die Ausstrahlung, die Körpersprache zeigte, das Spiel unbedingt gewinnen zu wollen. Zuletzt gegen Österreich waren wir nicht in dieser Verfassung. Wir sind wieder besser im Rhythmus."
Gute Chancenverwertung
Was auch schon gegen Österreich zu sehen war, bot die DFB-Auswahl in Dublin erneut an: Sie benötigte nicht mehr viele Chancen, um ihre Tore zu erzielen. Auch das war ja ein Manko der EM, an dem das Team arbeiten musste.
"Dass wir so zugeschlagen haben, hat mich schon gefreut. Heute haben wir endlich mal unsere Chancen genutzt", sagte Klose, der selbst einmal traf und sein Tore-Konto für Deutschland auf 65 hochschraubte.
Klose fehlen jetzt noch drei Treffer, dann hat er Gerd Müller eingeholt. Auch wenn das Uli Hoeneß offenbar so gar nicht schmecken dürfte, wird den 34-Jährigen von diesem Unterfangen kaum noch etwas abhalten. Und Klose war clever genug, die aufgebauschte Thematik damit bewenden zu lassen.
"Die Kritik von Uli Hoeneß lasse ich jetzt unkommentiert. Es ist viel geschrieben worden", sagte er. "Es ist das Beste, wenn ich den Mund halte und mich auf den Fußball konzentriere." Damit sollte das Motto für den Rest der Truppe vorgegeben sein.
Müllers Sarkasmus
Die Diskussionen der letzten Tage sind jedenfalls mit einem schwachen Spiel nicht weiter verstärkt worden, sondern endlich wieder in den Hintergrund getreten. Auch wenn Toni Kroos zugab, dass man die Partie schon richtig einordnen müsse. "Das war heute absolut kein guter Gegner."
Das neben dem Qualifikationsspiel zweite große Thema des Abends kühlte Thomas Müller in seiner spitzfindigen Art auf Normaltemperatur runter. Ob er denn Marcel Schmelzer und dessen Wirken ganz genau beobachtet hätte, wurde Müller gefragt. Die Vorlage konnte er sich dann kaum noch entgehen lassen.
"Ja klar. Ich hab ihn das ganze Spiel extrem beobachtet, das Fazit sieht sehr positiv aus. Ich wurde auch extra vom Präsidenten angesetzt, um Meldung nach oben zu erstatten."
Irland - Deutschland - Daten und Fakten zum Spiel