SPOX: Wie gehen Sie jetzt nach sechs Wochen mit dieser Sache um?
Weidenfeller: Der Anschlag hat Spuren hinterlassen. Das halte ich auch für menschlich und völlig normal. Die Welt um einen herum dreht sich weiter, man selbst braucht eine Weile, um wieder seinen komplett gewohnten Alltag leben zu können.
SPOX: Welche Bedeutung hatte für Sie im Verarbeitungsprozess die Tatsache, dass der mutmaßliche Täter gefasst werden konnte?
Weidenfeller: Es war für uns alle sehr wichtig, dass die Polizei den vermeintlichen Täter sehr schnell gefasst hat und wir jetzt wissen, welche Intention mit dem Attentat verfolgt wurde. Natürlich war es kein schönes Gefühl zu erfahren, dass der Täter mit uns im selben Hotel übernachtete.
SPOX: Wie sehr beschäftigen Sie nun als Familienvater die aktuell unruhigen Zeiten?
Weidenfeller: Sie besorgen mich. Nicht nur in Hinblick auf uns, die jetzt auf dieser Welt leben, sondern was die kommenden Generationen angeht. Ich frage mich, in welcher Welt wächst mein Sohn auf, wie sehr wird sie sich noch verändert haben, wenn er einmal erwachsen ist? Ich kann nur hoffen, dass mein Sohn mit weniger Hass und Terror konfrontiert wird.
SPOX: Der Anschlag war das einschneidende Erlebnis in dieser Saison. Dennoch wurde die Spielzeit auch von zahlreichen anderen Themen begleitet. Derart viele Turbulenzen hat es in Dortmund schon länger nicht mehr gegeben.
Weidenfeller: Manche großen und kleineren Geräusche gehören immer mal mit dazu. Diese Saison war aber tatsächlich turbulent, das ist kein Geheimnis. Sie war sportlich sehr intensiv, die Begleitumstände nicht zuletzt durch den Anschlag sehr verstrickt. Das alles nun mit dem ersten Titel seit fünf Jahren abrunden zu können, ist daher einfach genial.
SPOX: Gegen Frankfurt ist der BVB erstmals seit sehr langer Zeit in einem Endspiel Favorit. Das muss kein Vorteil sein, oder?
Weidenfeller: Wir wissen um diese Gefahr. Frankfurt kann in diesem einen Spiel viel gewinnen. Die Eintracht hat eine lange Durststrecke hinter sich. Nico und Robert Kovac haben die Mannschaft toll entwickelt und werden ihr Team bestens auf uns einstellen. Davor sind wir gewarnt, wir haben auch den nötigen Respekt. Doch auch für uns ist es sehr entscheidend, endlich mal wieder ein Finale zu gewinnen und mit dem Pokal um den Borsigplatz zu fahren. Das haben unsere Fans verdient. Der Pott muss zurück nach Dortmund!
SPOX: Kurz vor Ihrem 37. Geburtstag mit einem Titel zurück zu treten, das hätte in der Theorie auch etwas. Sie aber haben kürzlich Ihren Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert. Heißt das, dass nach Ende der nächsten Saison Schluss sein wird?
Weidenfeller: Für diese Entscheidung benötige ich noch etwas Zeit. Ich werde in der neuen Saison detailliert dazu Stellung nehmen.
SPOX: Es heißt, Sie sollen einen jungen dritten Torhüter aufbauen. Das dauert doch in der Regel länger als nur eine Saison.
Weidenfeller: Man wird sehen, wie schnell derjenige dazu lernt. (lacht) Wir haben einige junge und talentierte Torhüter im Verein. Als Roman Bürki kam, hat ein kleiner Umbruch begonnen. Dieser Prozess wird nun fortgeführt. Ich kümmere mich sehr gerne um die Jüngeren, denn irgendwann sollen sie dann in meine Fußstapfen treten.
SPOX: Haben Sie lange überlegen müssen, ob Sie sich noch eine Saison lang in den Dreck werfen, wie Thomas Tuchel gesagt hat?
Weidenfeller: Über dieses Zitat von ihm habe ich mich sehr gefreut. Es stimmt ja: Ich stehe gerne auf dem Trainingsplatz. Mir wird beim BVB eine große Wertschätzung entgegen gebracht. Der Fußball bleibt mein Leben, auch wenn ich nicht mehr in der ersten Reihe stehe.
SPOX: Wie schwer fiel es Ihnen nach Bürkis Wechsel, die Rolle als Ersatztorhüter zu akzeptieren?
Weidenfeller: Dadurch, dass ich in meiner Karriere große Titel gewonnen habe und bei vielen großen Spielen zwischen den Pfosten stand, ist es einfacher, mit solch einer Situation umzugehen. Diese Erfahrungen haben mich sehr erfüllt und es mir leichter gemacht, gelassen in die Zukunft zu schauen.
SPOX: Als Sie in der Hinrunde aufgrund Bürkis Verletzung ein paar Spiele absolviert haben, sagten Sie nach der letzten Partie in Bremen, dass Sie Ihren Platz nicht freiwillig hergeben werden. Tuchel entgegnete schnell, dass Bürki wieder ins Tor zurückkehren werde. Wie groß waren Ihre Hoffnungen gewesen, im Kasten zu bleiben?
Weidenfeller: Ich hätte den Beruf verfehlt, wenn ich mich freiwillig aus dem Tor verabschieden würde. Jeder Spieler will am liebsten auf dem Platz stehen. Das lag dieser Aussage zugrunde. Ich wollte damit keinerlei Druck auf den Trainer ausüben oder gar eine Torhüterdiskussion anzetteln.
SPOX: Glauben Sie noch bis 40 zu spielen? Das hatten Sie 2012 im SPOX-Interview gesagt.
Weidenfeller: Ich bin nah dran. (lacht) Wenn mein neuer Vertrag ausläuft, bin ich fast 38 und dann sehen wir weiter. Allgemein möchte ich so lange spielen, wie ich Spaß daran habe und mein Körper es zulässt.
SPOX: Als Sie 2011 Ihren Vertrag verlängerten, waren Aston Villa und Paris St.-Germain an Ihnen interessiert. Gab es auch jetzt wieder Angebote?
Weidenfeller: Ich hatte eine Anfrage aus dem Ausland, die auch ein bisschen konkreter geworden ist. Ich habe mir die Frage gestellt, was es mir zum aktuellen Zeitpunkt überhaupt bringen würde, ins Ausland zu wechseln. Ich bin aber zu dem Entschluss gekommen, in Dortmund meine Karriere zu beenden. Ich werde auch nach meiner aktiven Zeit ein Teil des Vereins bleiben.
SPOX: In welcher Funktion denn? Steht das schon fest?
Weidenfeller: Das wird im Detail noch besprochen, da möchte ich jetzt nicht vorgreifen. Es ehrt mich sehr, dass man mir diese Möglichkeit direkt im Anschluss an die Karriere angeboten hat. Das sehe ich bei einem solch großen Klub trotz meiner langen Zugehörigkeit nicht als selbstverständlich an.
SPOX: Sie rangieren in der Liste aller BVB-Spieler mit den meisten Bundesliga-Einsätzen auf Rang zwei hinter Michael Zorc. Wie möchten Sie bei den Fans in Erinnerung bleiben?
Weidenfeller: Als Spieler, der eine gewisse Ära mitgeprägt und immer ehrliche Arbeit abgeliefert hat. Ich würde mich freuen, wenn die Menschen mich mit Ehrgeiz, Willensstärke und Erfolg verknüpfen und sagen: Der Weidenfeller hat den BVB gelebt.