Michael Thurk feiert bald seinen 37. Geburtstag und hat in seiner Karriere eine Menge erlebt. Der Stürmer spricht im Interview über seinen unwürdigen Abschied vom FC Augsburg, den brutalen Zusammenprall mit Claus Grzeskowiak zu Cottbuser Zeiten sowie sein Image als schwieriger Spieler.
SPOX: Herr Thurk, 2004 teilte man Ihnen in Mainz mit, dass Sie gehen können. Dennoch schossen Sie den FSV zum Aufstieg und verhinderten damit, dass Ihr neuer Verein Energie Cottbus den Weg ins Oberhaus antreten konnte. Waren das damals Tore gegen sich selbst?
Michael Thurk: Nein, diesen Gedanken hatte ich nie. Man sagte mir fünf Spiele vor Schluss, dass der Vertrag nur im Aufstiegsfall verlängert wird. Mainz war zu diesem Zeitpunkt Achter, Cottbus Dritter. Energie wollte mich unbedingt, deshalb hatte ich dort zugesagt. Bei Cottbus lief dann nicht mehr viel und mit Mainz haben wir fast jedes Spiel gewonnen.
SPOX: Nach Ihrem Wechsel ging in Cottbus nur wenig zusammen.
Thurk: Der Verein durchlebte eine schwere Zeit. In der Mannschaft stimmte es nicht, Trainer Eduard Geyer wurde entlassen und man hatte große finanzielle Probleme. Ich hatte mir dazu den Kiefer gebrochen und bin länger ausgefallen.
SPOX: Am 31. Oktober 2004 knallten Sie im Spiel gegen Eintracht Trier mit Claus Grzeskowiak zusammen. Zwei Ihrer Zähne steckten damals in seinem Knie.
Thurk: Wir haben uns noch am selben Abend im Krankenhaus in Trier getroffen. Ich lag im Bett und er kam zu mir ins Zimmer. Wir haben uns dann kurz unterhalten. Es sah ja zunächst auch so aus, dass ich der Schwerverletzte von uns beiden bin.
SPOX: Grzeskowiak musste sich daraufhin mehreren Operationen unterziehen und aufgrund einer Kniegelenksinfektion seine Karriere für rund drei Jahre auf Eis legen.
Thurk: Wir haben später noch einmal telefoniert. Da hat er mir gesagt, dass er nicht mehr spielen kann und gegen die Ärzte klagen will. Das ist sehr bitter für ihn gelaufen und tut mir sehr leid.
SPOX: Stimmt es, dass Sie Ihre Zähne behalten durften?
Thurk: Ja, ich habe sie damals in einer Plastikdose mit nach Hause genommen. Wo die mittlerweile ist, weiß ich allerdings gar nicht mehr.
SPOX: Sie haben Cottbus dann relativ schnell wieder verlassen.
Thurk: Ja, es gab einige Anfragen. Entschieden hatte ich mich eigentlich schon für den TSV 1860 München und Trainer Rudi Bommer, als sich plötzlich wieder Mainz 05 gemeldet hat. Christian Heidel hat mir angeboten, mich wieder zurückzuholen. Das war natürlich eine ganz leichte Entscheidung für mich.
SPOX: Stimmt es, dass Sie damals einen Teil der Ablöse selbst bezahlt haben?
Thurk: Ja. Mainz konnte meine volle Ablösesumme nicht bezahlen. Ich habe angeboten, monatlich auf einen Teil meines Gehaltes zu verzichten, um auf den Betrag zu kommen. Nach der guten Saison und einigen entscheidenden Treffern von mir hat man mir das Geld aber zurückgezahlt.
SPOX: Jürgen Klopp war dann erneut Ihr Trainer. War er damals anders als heute?
Thurk: Nein, er hat sich nicht verändert. Der Kloppo ist heute genauso wie damals und sich immer treu geblieben.
SPOX: War in dieser Zeit seine rasante Entwicklung als Coach schon abzusehen?
Thurk: Wie weit es tatsächlich gehen würde, konnte man natürlich noch nicht erahnen. Jürgen und Zeljko Buvac waren schon immer ein tolles Gespann.
SPOX: Ein Jahr später zog es Sie in Ihre Heimat Hessen zu Eintracht Frankfurt. Ihr Wechsel stand schon fest, als Sie mit Mainz noch in der Saisonvorbereitung steckten.
Thurk: Das Angebot der Eintracht war etwas ganz Besonderes für mich. Ich habe schon als Kind im Frankfurter Stadion gestanden und beim Bolzen immer Trikots der Eintracht getragen. Ich hätte Mainz für keinen anderen Verein verlassen, aber einmal für die Eintracht zu spielen war ein Kindheitstraum von mir. Mainz wollte mich natürlich nicht ziehen lassen und so kam es zu einigen Reibereien. Heute ist das alles vergessen. Ich hatte in Frankfurt eine sehr schöne Zeit und hatte dort auch die Gelegenheit, international zu spielen.
Seite 2: Thurk über seinen unwürdigen Abschied aus Augsburg und sein Image
SPOX: In der Winterpause 2007/2008 ging es zurück in Liga zwei zum FC Augsburg. Ihr Vertrag wurde verlängert, der FCA stieg in die Bundesliga auf. Dann jedoch der Schock: Man stellte Sie plötzlich komplett vom Training frei. Was war da los?
Thurk: Sehr überrascht war ich darüber nicht. Mein Gefühl sagte mir schon vorher, dass so etwas passieren würde. Ich hatte ja gemerkt, dass sich Trainer und Manager mir gegenüber sehr distanziert verhielten. Man suchte die Konfrontation mit mir, ich bin dann nicht der Typ, der schauspielert. Wenn ich sauer bin, sieht man mir das auch an.
SPOX: Es war zu lesen, dass Sie bei langen Pokernächten dabei gewesen sein sollen...
Thurk: Es gab damals eine Menge Gerüchte, an denen aber nichts dran war. Ich habe ein paar Mal einen Freund zu einem Pokerturnier begleitet. Da ging es um ein Buy-in von 15 Euro, gewinnen konnte man nur Punkte.
SPOX: Sie durften dann nicht einmal mehr am Training der zweiten Mannschaft teilnehmen und wollten Ihr Anrecht darauf einklagen. Was hat Sie bewogen, dies dann doch nicht zu tun?
Thurk: Ich hatte den Verantwortlichen angeboten, für die zweite Mannschaft zu spielen. Das wollte man nicht. Nach meiner Suspendierung sagte man mir, man würde mir einen Trainingsplan zusammenstellen. Am nächsten Tag sagte mir Manager Andreas Rettig, dass ich weder Trainer noch Trainingsplan bekommen würde. Wenn ich Training haben möchte, sollte ich mich gefälligst einklagen.
SPOX: Dann kam die Idee zur Klage gar nicht von Ihnen?
Thurk: Nein. Ich hatte es natürlich in Erwägung gezogen, weil ich mich ja auch fit halten musste. Im Nachhinein wurde mir aber klar, dass Herr Rettig nur beabsichtigte, dass ich mich selbst schlecht dastehen lasse und mich im Umfeld des Vereins unbeliebt mache.
SPOX: Half Ihnen der Verein bei der Suche nach einem neuen Klub?
Thurk: Nein, da kam wirklich gar nichts. Ich habe nicht einmal mehr Autogrammkarten bekommen. Es hieß, ich bräuchte ja jetzt keine mehr.
SPOX: Wie wurde Ihre Situation innerhalb der Mannschaft aufgenommen?
Thurk: Wir haben viel zusammen telefoniert und geschrieben. Keiner konnte es verstehen, aber es traute sich auch niemand etwas zu sagen, weil jeder Angst hatte, der Nächste zu sein - gerade unter Manager Rettig, der aus meiner Sicht ein sehr schwieriger und kein ehrlicher Mensch ist. Dieses Thema habe ich allerdings längst abgehakt.
SPOX: Sie hatten dann ein halbes Jahr lang keinen Verein. Wie haben Sie Ihre plötzliche Freizeit verbracht?
Thurk: Das war sehr schwierig für mich. Ich wusste gar nicht, was ich machen soll, habe mich dann aber im Fitnessstudio angemeldet und versucht, mich einigermaßen fit zu halten. Das ist jedoch etwas ganz anderes als richtiges Mannschaftstraining.
SPOX: Haben Sie auf einen neuen Trainer in Augsburg gehofft?
Thurk: Na klar. Ich habe immer gesagt, dass ich gerne wieder für den Klub spielen würde. Ich habe meinen Vertrag damals, nachdem ich Torschützenkönig geworden bin, nach nur zwei Gesprächen verlängert und nicht einen Cent mehr verlangt. Ich wollte meine Karriere in Augsburg beenden, auch weil sich meine Familie sehr wohl gefühlt hat. Ich habe damals deutlich lukrativere Angebote anderer Vereine aus dem Ausland abgelehnt.
SPOX: Sie wollten sich auch ursprünglich in Augsburg durchbeißen oder den Vertrag, der sich durch den Klassenerhalt sogar bis 2013 verlängerte, aussitzen. Im Winter 2012 sind Sie dann zum 1. FC Heidenheim gewechselt. Woher der Sinneswandel?
Thurk: Ich könnte jetzt immer noch in Augsburg auf der Tribüne sitzen, aber irgendwann wollte ich einfach wieder Fußball spielen. Im Sommer 2011 war ich mit dem amerikanischen Team Philadelphia Union fast einig. Am letzten Tag, kurz bevor ich rüber fliegen wollte, hat sich dann aber etwas an den Vertragsdetails geändert und der Wechsel kam nicht zustande. Daraufhin stand ich kurz vor einem Transfer zum MSV Duisburg, den hat Herr Rettig aber aus mir unbekannten Gründen platzen lassen.
SPOX: Letztlich hat es ja dann aber mit Heidenheim geklappt. Fiel Ihnen der Wechsel in die dritte Liga schwer?
Thurk: Ich hatte es einfach satt, wollte endlich wieder Fußball spielen. Wegen meiner Familie wollte ich unbedingt in der Region bleiben. Die Angebote einiger Zweitligisten kamen deshalb nicht für mich in Frage. Heidenheim hat ein tolles Umfeld, arbeitet professionell und gehört nicht umsonst zu den besten Mannschaften in der dritten Liga.
SPOX: Nach all diesen Episoden haftet Ihnen auch ein wenig das Image des unbequemen Spielers an.
Thurk: Das kann ich schon verstehen. Jeder Verein gibt immer vor, Spieler zu suchen, die mündig sind, voran gehen und ihre Meinung sagen. Doch die muss aber dieselbe wie die des Trainers oder Managers sein. Ich habe es halt nie eingesehen, jemandem nach dem Mund zu reden. Wenn das die Kriterien für einen schwierigen Typen sind, dann bin ich ein solcher und dann bin ich auch gerne ein solcher. Man darf kein Fähnchen im Wind sein.
SPOX: Bereuen Sie dennoch manche Dinge?
Thurk: Ich habe mit Sicherheit nicht alles richtig gemacht, war aber zumindest immer ehrlich. Ich hatte in Augsburg mit Holger Fach zum Beispiel einen Trainer, mit dem ich nicht so gut zu Recht kam. Kurz vor seiner Entlassung hat er zu mir gesagt, dass wir zwar nie zusammen einen Kaffee trinken werden, aber er wisse bei mir wenigstens, dass ich ehrlich bin. Das war ein großes Kompliment für mich.
SPOX: Wie denken Sie mittlerweile über die Mechanismen im Profifußball?
Thurk: Ich habe erlebt, dass es eine Menge Leute gibt, die eben nicht ehrlich sind und sich sehr link verhalten. Es wird immer wieder Personen geben, die sich anders darstellen als sie in Wirklichkeit sind. Nach meiner Zeit in Augsburg kann ich davon ein Lied singen.
Michael Thurk im Steckbrief