"Tuchel hat mich schon besiegt"

Jochen Tittmar
08. Mai 201514:06
Zlatan Alomerovic absolvierte bislang 93 Einsätze für Borussia Dortmund II in der 3. Ligaimago
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Torhüter Zlatan Alomerovic schaffte in den vergangenen beiden Jahren mit den Amateuren von Borussia Dortmund jeweils den Klassenerhalt in der 3. Liga. In dieser Saison steht die Reserve des BVB allerdings mit dem Rücken zur Wand, drei Spieltage vor Schluss liegt der Klassenerhalt nicht mehr in der eigenen Hand. Alomerovic spricht im Interview über die Probleme in der aktuellen Spielzeit, seine Perspektiven für die Zukunft und seine fußballerischen Anfänge in Deutschland.

SPOX: Herr Alomerovic, die Amateure des BVB stehen drei Spieltage vor Schluss mit vier Zählern Rückstand zum rettenden Ufer auf einem Abstiegsplatz der 3. Liga. Ohne den spektakulären Heimsieg gegen Unterhaching wäre das Unterfangen Klassenerhalt wohl kaum mehr realistisch gewesen. Haben sich die Kollegen dafür eigentlich bedankt, Sie sind ja aufgrund Ihres Platzverweise ja der Hauptverantwortliche für den Dreier?

Zlatan Alomerovic: Ein paar Jungs kamen nach der Partie auf mich zu und sagten: Danke, dass du dich geopfert hast - allerdings mit einem Augenzwinkern (lacht). Ohne diesen Sieg hätten wir jetzt wohl gar keine Chance mehr im Abstiegskampf. Die Dramaturgie dieses Spiels war überragend und hat uns noch einmal einen Schub für die letzten Wochen gegeben.

SPOX: Nach der Roten Karte gegen Sie kam Hendrik Bonmann in die Partie, hielt den fälligen Elfmeter und leitete damit unfreiwillig den Konter ein, der wenige Sekunden später zum Siegtor führte. Haben Sie das alles überhaupt noch mitbekommen?

Alomerovic: Leider nein. Ich bin bereits Richtung Kabine gelaufen, aber im Gang stehen geblieben, um mir den Elfmeter noch anzuschauen. Als er glücklicherweise gehalten wurde, bin ich weiter gegangen, da ich schnell duschen und die letzten Minuten von der Bank aus verfolgen wollte. Plötzlich hörte ich den nächsten Jubelschrei und konnte kaum glauben, dass wir in Führung lagen.

SPOX: Die Partie gegen Unterhaching war der erste Sieg nach zehn Partien ohne Dreier, seitdem gab es vier Punkte aus drei Partien. Die Chancen auf den Klassenerhalt sind zwar noch da, aber relativ gering.

Alomerovic: Wir haben dieses Mal leider eine andere Situation als in den beiden letzten Jahren. In dieser Saison sind wir hinten dran, müssen aufholen und auf die Patzer der Konkurrenz hoffen. Es wird eng, doch der Kampf war bislang immer bis zum letzten Spieltag offen. Unser Glaube ist weiterhin ungebrochen.

SPOX: In den letzten zwei Jahren waren die Saisonverläufe relativ ähnlich, am Ende hat man zum entscheidenden Zeitpunkt aber noch die Kurve gekriegt. Litt man in dieser Spielzeit zu stark daran, dass durch die zahlreichen Umbaumaßnahmen einige Spieler im Kader stehen, die die vergangenen Erfahrungen im Kampf um den Klassenerhalt nicht gesammelt haben?

Alomerovic: Das mag jetzt im Nachhinein vielleicht ein möglicher Grund sein, andererseits haben wir immer eine sehr junge und wenig erfahrene Mannschaft beisammen. Alle zwei Jahre findet bei uns ein größerer Umbruch statt. Wir haben ganze 15 Mal unentschieden gespielt und defensiv meist ordentlich gestanden. Wir hatten aber auch einfach Pech, dass uns mit Joseph Gyau beispielsweise ein außergewöhnlicher Spieler für die Offensive fast die gesamte Saison über ausgefallen ist. In der Offensive waren wir zu wenig zielstrebig und effektiv, um auch mal einen Überraschungssieg zu landen.

Borussia Dortmund II: Der Kader im Überblick

SPOX: In Dortmund heißt es, dass die Ligazugehörigkeit zwar nicht unwichtig sei, die Ausbildung der Spieler aber über allem stehe. Die Fluktuation im Kader wäre bei einem Abstieg wieder sehr groß, oder nicht?

Alomerovic: Das ist möglich, es laufen auch einige Verträge aus. Es wird in jedem Fall Veränderungen und dann einen Neuanfang geben. Das liegt auch an der großen Attraktivität der 3. Liga für die Spieler. Hier spielt man gegen Traditionsvereine und gestandene Spieler vor toller Kulisse, die Regionalliga ist im Vergleich dazu schon noch einmal eine andere Kategorie. Für mich ist die 3. Liga so etwas wie eine verlängerte 2. Liga, daher will man sich dort natürlich auch messen.

SPOX: Wie geht es Ihnen da persönlich: Finden Sie es schade, dass aufgrund des Ausbildungsgedankens beim BVB die zweite Mannschaft nie über eine deutlich längere Zeit zusammen bleibt?

Alomerovic: Schade ist es nicht, es wissen ja alle, worauf sie sich einlassen. Hier besteht die Möglichkeit, als junger Spieler Profierfahrungen zu erlangen und sich im Idealfall für die erste Mannschaft zu empfehlen. Dieses Konzept des Klubs steht an erster Stelle und es greift sehr gut. Das hat für die Spieler viele Vor-, aber auch ein paar Nachteile. Man schließt viele Freundschaften, doch die Wege trennen sich relativ schnell wieder. Natürlich würde mich es interessieren, wie es ist, ein Wir-Gefühl über einen noch längeren Zeitraum zu entwickeln.

SPOX: Sie haben vor einem Jahr Ihren Vertrag trotz Überschreitens der Altersgrenze bis 2016 verlängert. Eigentlich wollten Sie gehen, Jürgen Klopp überzeugte Sie aber vom Bleiben und gab Ihnen einen Profivertrag. Welche Perspektiven wurden Ihnen damals aufgezeigt?

Alomerovic: Noch näher ans Profiteam heranzurücken war das Ziel. Ich denke, dass mir das ganz ordentlich gelungen ist. Natürlich kann sich durch den baldigen Trainerwechsel einiges ändern, die Ausgangssituation ist zumindest eine andere. Fakt ist: Ich habe noch Vertrag für eine weitere Saison. Ich werde aber das Gespräch mit den Verantwortlichen des BVB suchen und dann erfahren, wie sie planen. Es wird mit Sicherheit eine Lösung dabei herauskommen, die für beide Seiten geeignet ist.

SPOX: Wie haben Sie eigentlich von Klopps Abschied erfahren?

Alomerovic: So wie die meisten: Ich habe die ersten Meldungen am frühen Morgen gelesen und dann auf der Pressekonferenz erfahren, dass es zur Trennung kommen wird.

SPOX: Hatten Sie eine gewisse Vorahnung?

Alomerovic: Nein, wir waren alle überrascht. Klopp und Dortmund gehören zusammen, dass man sich trennt war für viele undenkbar. Es musste sich jeder erst einmal schütteln um zu begreifen, dass das wirklich so ist. SPOX

SPOX: Wie es mit Ihren Ambitionen in Richtung Profiteam aussehen wird, hängt nun auch vom neuen Cheftrainer Thomas Tuchel ab. Hatten Sie schon Kontakt zu ihm?

Alomerovic: Direkten Kontakt gab es noch nicht. Aber Thomas Tuchel hat mich schon einmal besiegt - 2009 im A-Jugend-Finale mit Mainz (lacht).

SPOX: Damals spielten Sie im dritten Jahr für den BVB, mittlerweile stehen Sie bei zehn. Als Sie 2006 nach Dortmund wechselten, waren Sie erst sieben Jahre in Deutschland. 1999 sind Sie mit Ihren Eltern aus dem damaligen Jugoslawien nach Witten übergesiedelt. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre ersten Schritte in Deutschland?

Alomerovic: Ich ging ja im ehemaligen Jugoslawien bereits in die 1. Klasse, daher war das hier zunächst alles andere als einfach. Gerade auch für meine Eltern, die zunächst natürlich Schwierigkeiten hatten, die neue Sprache zu erlernen. Für mich ging das dann dank der Schule alles mit der Zeit. Als kleiner Kerl tut man sich leichter, Freundschaften zu schließen und mit der deutschen Sprache aufzuwachsen.

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SPOX: Gibt es aus der damaligen Zeit eine Anekdote, die Sie bis heute noch im Kopf haben?

Alomerovic: Eine Anekdote nicht, aber ich weiß noch genau, wie fasziniert ich anfangs von den deutschen Sportplätzen war. Es gab mehrere Spielfelder, sogar Kunstrasenplätze - meine Kumpels und ich dagegen waren früher froh, wenn wir irgendwo eine schiefe Wiese gefunden haben, auf der man halbwegs vernünftig kicken konnte.

SPOX: Standen Sie auf der schiefen Wiese auch schon zwischen den Pfosten?

Alomerovic: Ja. Vor meiner Zeit in Deutschland habe ich aber nicht im Verein, sondern nur mit Freunden gespielt. Da ich der Jüngste war, haben sie mich immer ins Tor gestellt. Das hat mir aber immer mehr Spaß gemacht. Ich wurde sozusagen zu meinem Glück gezwungen.

SPOX: Viele Kinder und Jugendliche wollen in diesem Alter lieber in der Offensive spielen und Tore schießen.

Alomerovic: Mein Vater hatte auch versucht, mich umzustimmen und meinte: Überlege doch einfach mal, für Feldspieler gibt es zehn Plätze und für einen Torhüter nur einen Platz. Das hat mich aber nicht beeindruckt. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass ich ein etwas skeptischer Mensch bin. Ich konnte die Defensivarbeit sozusagen nicht mehr verlassen, da ich dem Braten sonst nicht getraut hätte. Ich wollte die Verantwortung für den Kasten nicht mehr abgeben.

SPOX: Hatten Sie damals ein Vorbild?

Alomerovic: Oliver Kahn hat mich inspiriert. Seine Mentalität, sein Charakter, der unbändige Siegeswille - davon war ich als Jugendlicher schon sehr angetan.

SPOX: Gleich nach Ihrer Ankunft in Deutschland haben Sie sich dem TuS Heven, einem Stadteilklub aus Witten, angeschlossen. Ab 2003 sind Sie dann noch jeweils ein Jahr in Bommern, Herbede und beim FSV Witten geblieben, bis es zum BVB ging. Wie wurde die Borussia auf Sie aufmerksam?

Alomerovic: Dass ich damals für mehrere Vereine auflief, hing mit dem Stadtsportverband in Witten zusammen. Ziel war, dass die besten Spieler des jeweiligen Jahrgangs in der höchsten Liga in Witten spielen sollten. In der D-Jugend war das eben im Stadtteil Bommern der Fall und im jungen C-Jugend-Jahrgang im Stadtteil Herbede. Im Januar 2006 stand ich für den FSV bei einem Hallenturnier im Kasten und habe ganz ordentlich gehalten. Das hat ein Scout des BVB gesehen. SPOX

SPOX: Und dann ging das den klassischen Weg?

Alomerovic: Eigentlich schon. Ich wurde noch einmal auf dem großen Feld beobachtet und daraufhin zum Probetraining eingeladen. Da war ich dann drei Mal. Danach fragte man mich, ob ich Lust hätte, für den BVB zu spielen. Ich habe dann noch etwas gezockt und mich geziert, weil ich noch ein Angebot des VfL Bochum hatte.

SPOX: War das Ihr Lieblingsverein als Sie nach Deutschland kamen?

Alomerovic: Nein. Ich hatte anfangs Sympathien für den VfL, weil ich aufgrund der Nähe oft mit meinem Vater in Bochum im Stadion war. Wir sind dort auch häufig problemlos an Tickets gekommen. Letztlich habe ich mich für Dortmund entschieden, weil das für die eigene Karriere der richtige Weg war.

SPOX: Sie besitzen neben der serbischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft, haben aber nie ein Spiel für eines der deutschen U-Teams absolviert. Wieso nicht?

Alomerovic: Als ich in der A-Jugend eine gute Saison gespielt habe, kam Horst Hrubesch als Trainer der deutschen U-19-Nationalelf auf mich zu und lud mich einige Male zu Lehrgängen ein. Das Problem war, dass ich kein Spiel machen konnte, weil mir damals noch die deutsche Staatsbürgerschaft fehlte. Die Initiative, den deutschen Pass zu bekommen, ging dann vom BVB aus, der DFB half natürlich auch mit. Ich bekam den Pass im April 2010 und sollte dann das nächste anstehende Spiel im Mai machen. Leider habe ich mir beim Osterturnier in Düsseldorf das Brustbein und eine Rippe gebrochen - und dann war die Geschichte vorbei.

SPOX: Weshalb? SPOX

Alomerovic: Es standen damals die letzten drei Spiele der U19-EM-Qualifikation an. Wir sind so verblieben, dass ich im Falle einer Qualifikation, wovon alle ausgegangen sind, im Juli zur Vorbereitung auf das Turnier wieder zum Team stoße. Leider haben wir uns aber doch nicht qualifiziert und Horst Hrubesch wurde wieder U-15-Trainer. Danach ist dann nichts mehr passiert.

SPOX: Vielleicht passiert ja etwas in der bosnischen Nationalmannschaft. Dort ist Asmir Begovic von Stoke City als Nummer eins gesetzt, die Plätze dahinter sind aber offen. Welche Beziehung haben Sie heute noch zu Ihrem Geburtsland?

Alomerovic: Ich habe Familie sowohl in Serbien, als auch in Bosnien. Ich bin jedes Jahr meistens im Sommerurlaub dort, mache eine kleine Tour und besuche alle. Das ist keine kleine Gruppe, Opa und Oma sind dort und auch einige Tanten und Onkel. Das ist mir sehr wichtig, für mich gibt es nichts Schöneres, als mit der Familie zusammen zu sein. Was die Nationalelf angeht: Ich kann mir sehr gut vorstellen, eines Tages für die bosnische Nationalmannschaft aufzulaufen und bin für alles offen. Allerdings hängt dies auch mit dem Standing zusammen. Als Torhüter in der 3. Liga ist es wohl etwas schwieriger, dort dauerhaft im Fokus zu bleiben.

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