Andorras Cristian Martinez trägt sich in die EM-Qualifikations-Annalen ein und Holland ist mit 37 Treffern die Torfabrik. Osteuropas Kleine sorgen für positive Schlagzeilen, während Serbien und die Slowakei versagen. Auch Ottmar Hitzfeld scheitert überraschend mit der Schweiz und Frodi Benjaminsen überholt Rafael van der Vaart.
Tops
Hollands Knipser: Obwohl der Knipser in Person, Harry Decheiver, längst seine Fußballschuhe an den Nagel gehängt hat, präsentierten sich die Holländer als absolute Torfabrik in der EM-Qualifikation. 37 Mal ließen es Klaas-Jan Huntelaar und Co. im gegnerischen Kasten klingeln.
Der Hunter aus Schalke war mit 12 Toren auch der beste Torjäger aller Quali-Gruppen. Zudem netzten Robin van Persie und Dirk Kuyt jeweils sechs Mal ein. Erwähnt werden muss allerdings, dass 16 der 37 Tore dem Tabellenletzten aus San Marino eingeschenkt wurden, gegen den es auch die anderen Gruppengegner ordentlich krachen ließen.
Italien: Still und heimlich hat sich Italien nach der vollkommen verpatzten WM 2010 ins Rampenlicht zurückgespielt. Die Azzurri überstanden die Gruppe souverän und machten sich mit einer erfrischenden, offensiven Spielweise viele Freunde. Der Respekt dafür gebührt Teamchef Cesare Prandelli, der nach der WM einen Neuanfang im großen Stil startete und jetzt schon die ersten Früchte einfahren kann.
Besonders die "Operation Sympathie" ist geglückt, die Italiener identifizieren sich wieder voll mit ihrer Nationalmannschaft. "Es ist sehr schön, so viel Zuneigung zu spüren", sagte Prandelli, der unter anderem Antonio Cassano (sechs Quali-Tore) ins Team zurückholte. "Prandellis Entscheidung, auf Qualität zu setzen, wurde durch die Resultate bestätigt. So kann es weitergehen", freute sich auch Gianni Rivera.
Die Italiener sind heiß auf die EM. "Zu Beginn der Qualifikation war unser Abstand zu Deutschland, Holland und England größer", sagte Carlo Ancelotti dem "Corriere della Sera". "Jetzt liegt einzig Spanien wirklich vor uns. Bei der EM werden wir mit allen mitspielen."
Spanien: Acht Spiele, acht Siege - garniert mit 26 Toren. Der Welt- und Europameister machte dort weiter, womit er bei der EM 2008 begonnen hatte: Überzeugend und ästhetisch wertvoll Fußball spielen und gewinnen. Noch Fragen, wer der Topfavorit im kommenden Sommer ist?
The beasts from the east: Montenegro, Estland, Armenien - für positive Überraschungen in der EM-Qualifikation sorgten diesmal vor allem die Kleinen aus Osteuropa. Während Montenegro die Schweiz ausschaltete und mit zwei Unentschieden gegen England die Playoffs klarmachte, qualifizierten sich die Esten dank der Schützenhilfe aus Slowenien quasi vor dem Fernseher für die Relegation.
Konstantin Vassiljev vom russischen Erstligisten Amkar Perm war mit 5 Toren und 2 Assists der umjubelte Mann in der Mannschaft aus dem Baltikum. Der 27-Jährige kam gegen Nordirland als Joker aufs Feld und machte mit zwei Toren in 25 Minuten den letztendlich entscheidenden Sieg perfekt. Nicht gereicht hat es dagegen für die "Niederländer Osteuropas", wie die "SZ" das Team aus Armenien taufte.
Die Ballzauberer aus dem Kaukasus, bei denen Henrik Mkhitaryan, Gevorg Ghazaryan und Pizelli zusammen 15 Tore erzielten, scheiterten erst im letzten Spiel unglücklich gegen die Iren. Verbandspräsident Airapetjan kann sich so die drei Millionen Euro Prämie, die er für das Erreichen der EM-Endrunde ausgelobt hatte, sparen. Nicht auszuschließen aber, dass die Armenen bald bei einem großen Turnier zu sehen sind. Sportjournalist Aschot Hakobjan jedenfalls ist sich sicher: "Diese Mannschaft ist eine goldene Generation. Sie ist noch jung und doch seit Jahren eingespielt."
Cristian Martinez: Dem 21-jährigen Innenverteidiger Cristian Martinez war es vorbehalten, das einzige Qualifikations-Tor für sein Land Andorra zu erzielen. Die Kicker aus dem Pyrenäenstaat konnten dadurch San Marino toppen, auf deren Habenseite auch nach 10 Spielen die Null aufleuchtete.
Auch die Luxemburger haben wieder zugeschlagen. Der 2:1-Erfolg gegen Albanien war für die Spieler aus dem Großherzogtum der erste Sieg in einem offiziellen Spiel seit dem 2:1 gegen die Schweiz im Rahmen der Qualifikation für WM 2010.
Frodi Benjaminsen: Der Name Frodi Benjaminsen sagt wohl den wenigsten etwas. Zeit, das zu ändern. Der 34-Jährige ist mit zwei Treffern EM-Quali-Toptorjäger der Färöer-Inseln. Damit hat Benjaminsen mehr Treffer als die Herren Giuseppe Rossi, Rafael van der Vaart und Eden Hazard erzielt - und das auch noch als Mittelfeldspieler. Übrigens: Ein gewisser Xavi hat auch zwei Tore auf seinem EM-Quali-Konto. Mittelfeldspieler ist der auch. Aber das war's dann wohl mit den Parallelen.
Seite 2: Die Flops der EM-Qualifikation
Flops
Schweiz: Trotz Ottmar Hitzfeld ist es den Schweizern nicht gelungen, sich für die EM 2012, oder zumindest für die Playoffs zu qualifizieren. Erstmals seit 2002 steigt somit wieder eine Endrunde ohne Schweizer Beteiligung.
"Das ist ein Schock und natürlich ein großer Rückschlag", sagte der Erfolgstrainer dann auch geknickt nach der entscheidenden 0:2-Niederlage in Wales. Die Mannschaft mit gestanden Profis wie Gökhan Inler oder Stephan Lichtsteiner und hoffnungsvollen Youngstern wie Xherdan Shaqiri oder Granit Xhaka zeigte keine Konstanz und kann sich deshalb bereits mental auf die WM-Qualifikation für 2014 einstellen.
Serbien: Die einst stolze Fußballnation Serbien musste sich in Gruppe C den unbeugsamen Esten (siehe Tops) beugen. Einen gehörigen Anteil am Ausscheiden der mit Spitzenfußballern wie Nemanja Vidic oder Dejan Stankovic gespickten Elf haben jedoch auch die Hooligans, die beim Spiel in Genua gegen Italien erst für Entsetzen und schließlich für die Niederlage am grünen Tisch sorgten.
Vidic und Stankovic erklärten nach der gescheiterten Quali ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft.
Ricardo Carvalho: Der Spieler von Real Madrid verließ vor dem Qualifikationsspiel gegen Zypern fluchtartig das Mannschaftsquartier der Portugiesen und erklärte kurz darauf, dass er sich in seiner Ehre verletzt fühle.
Offenbar wollte Coach Paulo Bento Carvalho auf die Ersatzbank verbannen, was dieser als Affront gegen seine Person wertete: "Wenn man mich behandelt, als sei ich überflüssig, kann ich nur gehen. Noch nie habe ich mich so wenig respektiert gefühlt", wurde der 75-malige Nationalspieler in portugiesischen Medien zitiert.
Der Verband sperrte ihn ein Jahr für alle Länderspiele. Nach dem Ausfall von Pepe hätte der erfahrene Innenverteidiger den Portugiesen in den entscheidenden Spielen die nötige Stabilität verleihen können, doch er zog den Schmollwinkel vor und ließ seine Kollegen im Stich die dann auch prompt die direkte Qualifikation verpassten.
Slowakei: Der WM-Achtelfinalist von 2010 verabschiedete sich sang- und klanglos als Vierter in Gruppe B aus der Quali. Besonders enttäuschend: die Torausbeute der Mannschaft um Marek Hamsik und Martin Skrtel. Nur sieben Tore erzielten die Osteuropäer in zehn Spielen - und das, obwohl man Andorra in der Gruppe hatte.
Schlechter war nur die Fraktion um Liechtenstein, Luxemburg oder San Marino. Von den namhafteren Nationen bekleckerten sich auch Wales und die ehemals von Lothar Matthäus trainierten Bulgaren nicht mit Ruhm: In Abwesenheit von Dimitar Berbatow erzielte Bulgarien nur vier Treffer.
Wayne Rooney: Obwohl die Engländer in Montenegro eine 2:0-Führung herschenkten, qualifizierten sie sich für die EM. So weit so gut. Wayne Rooney vermieste den Three Lions den Abend allerdings gewaltig, als er sich in Minute 74 zu einem Tritt hinreißen ließ und von Schiedsrichter Wolfgang Stark folgerichtig mit Rot in die Kabine geschickt wurde.
Die englische Presse war tags darauf gewohnt gnadenlos. "An idiot abroad" titelte die "Times", "ROO FOOL!" war bei der "Daily Mail" zu lesen. Das große Problem: Die Rote Karte wird Rooney wohl die ersten EM-Spiele 2012 kosten. Zur Erinnerung: Bei einer EM gibt es ganze drei Vorrundenspiele.
EM-Qualifikation 2010/2011 - Alle Ergebnisse