Die Top-3-Nationen Deutschland, Spanien und die Niederlande sind eine Klasse für sich - dahinter ist das Feld aber unberechenbar: Wie sind die EM-Teams in Form? Cristiano Ronaldo und Zlatan Ibrahimovic finden sich im Gegensatz zu Dänemark unten wieder...
16. Kroatien
Die letzten drei Ergebnisse: 0:0 Türkei (H), 3:0 Türkei (A), 2:0 Lettland (H)
Das 3:0 im Playoff-Hinspiel bei den Türken birgt eine Gefahr: Dass es die Sinne vernebelt. Denn so deutlich das Ergebnis ausfiel - es war mehr dem desolaten Zustand der Türkei als der Stärke der Kroaten zuzuschreiben.
Bezeichnend: Modric, Mandzukic, Srna, Lovren und mit Abstrichen Kranjcar sind die Ausnahmen, ansonsten sitzen etliche Nationalspieler bei ihren Klubs auf der Bank (Olic, Pranjic, Rakitic, Corluka, Eduardo, Perisic) oder werden mit Zagreb in der Champions League gedemütigt (Simunic, Srna, Badelj). Statistik mit Aussagekraft: Seit der EM 2008 gewann Kroatien nur einmal gegen ein für die EM 2012 qualifiziertes Team (Februar 2011: 4:2 gegen Tschechien).
15. Tschechien
Die letzten drei Ergebnisse: 1:0 Montenegro (A), 2:0 Montenegro (H), 4:1 Litauen (A)
Um vom heißesten Teams Europas zu sprechen, wäre sehr verfrüht. Zumindest bauten sich die Tschechen in den letzten Wochen wieder etwas Renommee auf. Die goldene Nedved-Generation ist zwei Klassen besser, doch nach dem ungefährdeten Playoff-Weiterkommen gegen Montenegro nimmt man wieder Notiz.
Rosicky entspricht seiner Rolle als Anführer und geht mit Baros und Torwart Cech voran, zudem tat sich Plzens Jiracek hervor. Ein Überstehen der Vorrunde würde angesichts fehlender Kadertiefe dennoch einer Sensation gleichkommen.
Das letzte große Halali: Routiniers vor der letzten EM
14. Polen
Die letzten drei Ergebnisse: 2:1 Ungarn (H), 0:2 Italien (H), 2:0 Weißrussland (H)
Wer die Probleme der Polen verstehen will, muss nur die Kaderstruktur analysieren. Das Team besteht aus drei großen Gruppen: Den Spielern aus Polen - die polnischen Klubs liegen im UEFA-Ranking nur auf Rang 23.
Den sechs Spielern aus der Bundesliga - wobei nur die Hälfte Stammspieler in ihren Klubs sind (Lewandowski, Piszczek, Peszko) und der Rest Reservisten (Kuba, Matuszczyk, Polanski). Und den fünf Spielern aus der Türkei - wo sich lediglich Trabzons Abwehrchef Glowacki und Sturmhoffnung Grosicki empfehlen. Bitter, dass ausgerechnet im Tor die meisten Talente zu finden sind. Die Heimstärke macht Polen Hoffnung - und sonst?
13. Schweden
Die letzten drei Ergebnisse: 0:1 England (A), 0:2 Dänemark (A), 3:2 Dänemark (H)
Das Grundübel der Schweden: Der Sturm ist überbordend an kopfballstarken Kanten (Ibrahimovic, Toivonen, Elmander, Berg), dafür mangelt es auf den anderen Positionen an Optionen - was zur Folge hat, dass sich in allen Mannschaftsteilen die Jahre über nur wenig getan hat: weder im Tor (Isaksson), noch in der Abwehr (Mellberg, Majstorovic) und im Mittelfeld (Källström, Wilhelmsson, Larsson).
Nicht untergehen sollte aber der 23-jährige Spielmacher Rasmus Elm (Alkmaar), einer der besten "Namenlosen" des europäischen Fußballs.
Die Kellerkinder: Platz 16 bis Platz 13
Das untere Mittelfeld: Platz 12 bis Platz 9
Das obere Mittelfeld: Platz 8 bis Platz 5
Die Top-Favoriten: Platz 4 bis Platz 1
12. Ukraine
Die letzten drei Ergebnisse: 2:1 Österreich (H), 3:3 Deutschland (H), 2:0 Estland (A)
Die Situation ist bei weitem nicht so beängstigend wie die des Mitgastgebers Polen, besondere Gründe zur Euphorie können aber auch die Ukrainer nicht aufzählen. Seit der verpassten WM-Qualifikation standen 21 Tests an, von denen 11 gewonnen und 5 unentschieden gespielt wurden. Eine gute Bilanz, die einen Fakt unterschlägt: Es wurde kein anderes EM-Team in der regulären Spielzeit bezwungen.
Beim 3:3 gegen nachlässige Deutsche stand die Ukraine kurz davor, ansonsten liest es sich so: 0:4 in Tschechien, 0:1 gegen Schweden, 1:4 gegen Franreich, 0:2 gegen Italien, 5:4 i.E. gegen Schweden, 1:1 in Polen, 1:1 gegen die Niederlande. Auffällig, dass nur Tymoschtschuk in Westeuropa unter Vertrag steht und sich die Leistungsträger von Schachtjor in der Champione League limitiert zeigen. Und: Der Schewtschenko von heute erinnert nur wegen seines Namens an den Schewtschenko füherer Tage.
11. Russland
Die letzten drei Ergebnisse: 1:1 Griechenland (A), 6:0 Andorra (H), 1:0 Slowakei (A)
Vor drei Jahren erfreute sich die Fußball-Boheme am Spiel der Russen, doch die Leichtigkeit unter Hiddink bei der EM ist dahin. Stattdessen lässt sein Nachfolger Advocaat einen Stil spielen, der ihn selbst charakterisiert: nüchtern, effizient, farblos. Der Mentalitätswechsel ist insofern bemerkenswert, da sich am Stamm der Mannschaft nur wenig getan hat.
Heißt: Das Sturm/Mittelfeld (Arschawin, Schirkow, Syrjanow) ist durchaus vorzeigbar, die Abwehr von Anyukow abgesehen hingegen nur bedingt: mit den beiden Beresuzkis und dem ewigen Ignaschewitsch. Für etwas Hiddink-Flair sorgt wenigstens Spielmacher Dsagojew, Russland Hoffnung für die Zukunft.
10. Irland
Die letzten drei Ergebnisse: 1:1 Estland (H), 4:0 Estland (A), 2:1 Armenien (H)
Giovanni Trapattoni wird von einigen belächelt - warum eigentlich? Die Qualifikation bewies, dass er trotz seiner 72 Jahre eine Mannschaft zu formen versteht. Im Wissen, dass die Auswahl an Top-Spielern begrenzt ist, lässt er einen Fußball spielen, der für Erfolg bürgt.
Die einfache Aufgabenteilung: Die Abwehr um Dunne und O'Shea geht genauso resolut vor wie das defensive Mittelfeld, für die Offensive sind fast ausschließlich die schnellen Flügel (McGeady, Duff) und die beiden Stürmer (Keane, Doyle) zuständig. Herauskommt ein Irland, das zwar nicht brilliert, dafür aber schwer zu schlagen ist.
9. Portugal
Die letzten drei Ergebnisse: 6:2 Bosnien (H), 0:0 Bosnien (A), 1:2 Dänemark (A)
Bei keinem Team ist die Divergenz zwischen individueller und mannschaftlicher Qualität derart offensichtlich wie bei Portugal. Außer im Tor und im Sturmzentrum ballt sich Niveau, egal ob auf den Flügeln (Ronaldo, Nani, Danny, Quaresma), auf der Sechs (Meireles, Moutinho) oder in der Abwehr (Pepe, Coentrao, Rolando, Alves) - herauskommt jedoch nur ein krudes Etwas.
Die Unausgewogenheit zeigte sich unter anderem in den beiden Quali-Spielen gegen Zypern (4:4 und 4:3). Dass mit dem 1:2 gegen Dänemark die direkte Qualifikation verpasst, dafür das Playoff-Rückspiel gegen Bosnien 6:2 gewonnen wurde, trägt zum seltsamen Bild bei, das Portugal hinterlässt.
Die Kellerkinder: Platz 16 bis Platz 13
Das untere Mittelfeld: Platz 12 bis Platz 9
Das obere Mittelfeld: Platz 8 bis Platz 5
Die Top-Favoriten: Platz 4 bis Platz 1
8. Griechenland
Die letzten drei Ergebnisse: 1:3 Rumänien (H), 1:1 Russland (H), 2:1 Georgien (H)
Otto Rehhagels Erben: Es klingt abgedroschen, aber Parallelen zu den Europameistern von 2004 sind zu offensichtlich. Der Pragmatismus, die Defensivstärke (mit Schalkes Papadopoulos und Bremens Sokratis), der Kern bestehend aus Karagounis (34), Katsouranis (32), Charisteas (31). Letzterer bildet mit Liberopoulos (36), Gekas (31), Salpingidis (30) sowie den "Jünglingen" Samaras (26) und Mitroglou (23) wohl den ältesten Sturm der EM.
Aber: Die Griechen spielen wieder so eklig und ergebnisorientiert wie zu besten Rehhagel-Zeiten und blieben 17 Spiele unbesiegt, bis die Serie gegen Rumänien in einem Freundschaftsspiel vor 800 Zuschauen endete (1:3). Die größte Sorge: Wie schnell erreicht der 21-jährige Spielmacher Ninis (Kreuzbandriss im September) wieder seine Bestform?
7. England
Die letzten drei Ergebnisse: 1:0 Schweden (H), 1:0 Spanien (H), 2:2 Montenegro (A)
Dem sturen Capello wurde es nicht unbedingt zugetraut, dennoch folgte er nach dem Aus im WM-Achtelfinale dem Rat der englischen Öffentlichkeit und verjüngte die Three Lions. Lampard (33), Ferdinand (33), Gerrard (31), Terry (30) und Cole (30) sind weiter die Anführer, doch das Team wird mittlerweile von der mittleren (Young, Agbonlahor, Cahill, Johnson, Milner) und der jungen Kohorte (Walcott, Jones, Smalling, Wilshere) dominiert - und das nicht mit durchschlagendem, aber bemerkenswertem Erfolg.
Bedeutungsvoll neben der souveränen EM-Qualifikation war vor allem das 1:0 gegen Spanien, weil es den Glauben nährte, dass Rooneys EM-Vorrundensperre vielleicht aufzuwiegen ist.
6. Frankreich
Die letzten drei Ergebnisse: 0:0 Belgien (H), 1:0 USA (H), 1:1 Bosnien-Herzegowina (H)
Das wohl größte Rätsel im Weltfußball: Wie gut ist Frankreich? 17 Spiele ohne Niederlage, Siege gegen England und Brasilien, der Einbau neuer Spieler (u.a. M'Vila, Rami, Cabaye, Martin) und die direkte EM-Qualifikation sprechen für die gute Arbeit des seit der WM in der Verantwortung stehenden Blanc - gäbe es nur nicht die spielerische Einöde.
Für Phasen vermag das Team zu glänzen, sonst aber regiert trotz Ribery, Benzema und Nasri der Zufall. In den letzten 28 Partien erzielte Frankreich nur zweimal mehr als zwei Tore.
Frankreich-Mission: Knysna vergessen machen
5. Dänemark
Die letzten drei Ergebnisse: 2:1 Finnland (H), 2:0 Schweden (H), 2:1 Portugal (H)
Es ist ein Zeugnis des Selbstwertgefühls: Nach 5 Siegen in Folge ließ Nationaltrainer Olsen wissen, dass Dänemark außer die Top-3-Nationen jeden besiegen könnte - und dass seine Teenie-Sensation Eriksen mindestens gleich gut sei wie Deutschlands Götze.
Was auffällt: Der Rücktritt alter Helden (Jörgensen, Dahl-Tomasson, Grönkjaer) machte Platz für Gesichter, die lange nur in Dänemark bekannt waren: Krohn-Dehli (28 Jahre), Zimling (26), der Neu-Stuttgarter Kvist (26). Neben Eriksen zu beachten: Boilesen (19) und Bjelland (23). Nach zwei verfehlten Qualifikationen (WM 2006, EM 2008) und einem Vorrunden-Aus (WM 2010) ist Danish Dynamite der Überraschungstipp schlechthin.
Die Kellerkinder: Platz 16 bis Platz 13
Das untere Mittelfeld: Platz 12 bis Platz 9
Das obere Mittelfeld: Platz 8 bis Platz 5
Die Top-Favoriten: Platz 4 bis Platz 1
4. Italien
Die letzten drei Ergebnisse: 0:1 Uruguay (H), 2:0 Polen (A), 3:0 Nordirland (H)
Ein Umbruch war dringend vonnöten - und Squadra-Trainer Prandelli dürfte ein erfreuliches Zwischenfazit ziehen. Zu den Top-3-Nationen klafft eine Lücke, dennoch hat sich Italien nach dem WM-Deaster auf ordentlichem Niveau stabilisiert. Die EM-Qualifikation verlief unspektakulär, entsprechend wichtiger war es, dass die Konturen eines neuen Teams erkennbar sind.
Diese zeichnet sich mehr durch Arbeit denn Kunst aus. Marchisio, Maggio, Balzaretti, Nocerino und Abate sind nicht begnadet, dafür aber fleißig und diszipliniert. Hinzukommen die bekannten Veteranen (Buffon, Pirlo, Chiellini) und die Wenigen mit internationaler Reputation: De Rossi, Montolivo, Pazzini, Balotelli. Vor allem Letzterer steht bei aller Extravaganz in der Pflicht angesichts der langen Ausfälle von Rossi (Kreuzbandriss) und Cassano (Herz-OP).
3. Niederlande
Die letzten drei Ergebnisse: 0:3 Deutschland (A), 0:0 Schweiz (H), 2:3 Schweden (A)
Seit dem Sommer werden den Fußball-Zwergen nach Belieben Tore eingeschenkt (11:0 gegen San Marino, 5:3 und 4:0 gegen Ungarn), die Angriffswut kann aber nicht verhehlen, in welche Krise die Niederlande zu schlittern droht. Bei ernsthafter Gegenwehr erinnert kaum etwas an die Oranjes von 2010.
Die dürftigen Siege in Finnland (2:0) und in Moldawien (1:0) waren keine Zufälle, sondern die Vorboten der vergangenen drei Resultate. Alleine das Innenverteidiger-Duo Mathijsen und Heitinga ist ein Hinweis dafür, dass in der Abwehr nur gehobener Durchschnitt zur Verfügung steht. Die Offensive hingegen strotz vor Qualität: Stellvertretend die Sturmspitze, um die van Persie (17 Tore in 19 Pflichtspielen) und Huntelaar (26 Tore in 21 Pflichtspielen) rangen.
2. Spanien
Die letzten drei Ergebnisse: 2:2 Costa Rica (A), 0:1 England (A), 3:1 Schottland (H)
Flanierte durch die EM-Quali (8 Spiele, 8 Siege), anders als Deutschland gestalten sich die Freundschaftsspiele jedoch allzu mühsam und inspirationslos. Ein 2:2 gegen Costa Rica mag verzeihlich sein, wären nicht die vergangenen Ergebnisse gegen die Topteams: 0:1 in England, 1:2 in Italien, 0:4 in Portugal, 1:4 in Argentinien.
Verglichen zum einzigartig tief besetzten Mittelfeld fällt die Abwehr ab, deren Boss Puyol mehr malad denn gesund ist. Im Sturm folgte Villa Torres ins Formtal. Nur: Ein Abgesang verbietet sich für eine Mannschaft, die aus Fülle an Alternativen selbst Valencias Soldado (11 Tore in 12 Champions-League-Spielen) nicht berufen muss.
1. Deutschland
Die letzten drei Ergebnisse: 3:0 Niederlande (H), 3:3 Ukraine (A), 3:1 Belgien (A)
Als WM-Dritter 2010, EM-Zweiter 2008 und WM-Dritter 2006 die ohnehin beständigste Mannschaft der Welt. Beeindruckend: In den letzten zwölf Monaten erklomm das DFB-Team die Stufe von "sehr gut" zu "exzellent" und zeigt eine nicht gekannte Leichtigkeit (2011: 2,8 Tore im Schnitt).
Frei von Sorgen ist Löw jedoch nicht: Es fehlt permanent ein Rechtsverteidiger-Spezialist von Format sowie gelegentlich die Konsequenz im Spiel gegen den Ball (2011: nur in 2 von 13 Spielen ohne Gegentor).
Die Kellerkinder: Platz 16 bis Platz 13
Das untere Mittelfeld: Platz 12 bis Platz 9