Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA hat in den letzten Wochen die beiden besten Systeme aus England (HawkEye) und Deutschland (GoalRef) auf Herz und Nieren geprüft. Die Ergebnisse gehen zur IFAB, dem internationalen Gremium für die Änderung von Fußballregeln.
Vier Vertreter des Weltverbandes FIFA um Chef Blatter und - aus historischen Gründen - je einer aus den Verbänden aus England, Schottland, Wales und Nordirland werden dann in zwei Wochen die Entscheidung über die bahnbrechende Änderung treffen.
"Wenn es das Okay gibt, könnte theoretisch am nächsten Tag die Einführung beginnen", sagte Alex Stone, Pressesprecher der FIFA, kürzlich in Nürnberg. Bei einem Ja könnte die Bundesliga die Technologie theoretisch schon in der kommenden Saison einsetzen - praktisch ist das allerdings unwahrscheinlich.
Die FIFA kann sich den ersten möglichen Einsatz des elektronischen Torrichters bei der Klub-WM in Japan im Dezember vorstellen. Auf jeden Fall soll die Technik bei der WM 2014 in Brasilien zum Einsatz kommen.
Blatter will neue Technologie einführen
FIFA-Präsident Sepp Blatter ist spätestens seit dem nicht gegebenen Tor des Engländers Frank Lampard im Achtelfinale der WM 2010 gegen Deutschland (1:4) - Manuel Neuer hatte den Ball erst gehalten, nachdem der deutlich hinter der Torlinie aufgeprallt war - für die Einführung der neuen Technologie.
"Wir wollen keine Wiederholung der letzten WM", hatte Blatter erklärt: "Ich möchte nicht noch einmal bei einer WM Zeuge einer solchen Situation sein. Da würde ich sterben." Damit das nicht passiert, haben die beiden Firmen Millionen von Euro investiert.
Das im Tennis und Cricket bewährte und im Fußball zuletzt beim Duell zwischen England und Belgien im Wembleystadion getestete Hawk-Eye-System basiert auf sieben Kameras auf dem Stadiondach und hinter jedem Tor. Nachteile sind die hohen Kosten von angeblich 300.000 Euro pro Set und das Problem, das man eigentlich nichts entscheiden kann, wenn der Ball nicht sichtbar ist. Zum Beispiel, wenn der Torwart darauf liegt.
Der Ansatz des deutschen Fraunhofer-Instituts bei GoalRef ist am ehesten mit der Diebstahlsicherung in Kaufhäusern zu vergleichen. Im Ball gibt es drei Antennen, im Torgestänge und im Rasen auf der Torlinie zehn. Durch den Einsatz eines schwachen Magnetfeldes wird genau sichtbar, ob der Ball über der Torlinie war.
Vorteil sind hier die geringeren Kosten und dazu ist es völlig egal, ob Spieler im Weg stehen. Allerdings müssten Ball und Torgehäuse geändert werden.
Wichtigstes Kriterium ist am Ende aber ohnehin die Zuverlässigkeit der Systeme. 99,5 Prozent werden mindestens erwartet, binnen einer Sekunde müssen die Ergebnisse zur Uhr des Schiedsrichters gefunkt werden.
"Jeder Verband kann entscheiden, ob er Technologie einführt"
Falls ein oder beide Systeme tatsächlich zugelassen werden sollten, geht das Chaos aber erst richtig los. "Jeder nationale Verband und jeder kontinentale Verband kann dann entscheiden, ob und wann er die Torlinientechnologie einführt", sagt Stone dazu.
Am 5. Juli wird zudem auch über die Zukunft des Testprojekts mit sechs Schiedsrichtern inklusive Torrichter entschieden. Der hatte beim Spiel Ukraine gegen England den Treffer übersehen.
Trotzdem dürften neben der Torlinientechnologie auch die sechs Schiedsrichter offiziell in die Fußball-Regeln übernommen werden. Und jeder Verband hätte die freie Wahl, ob er eines, beides oder gar nichts einführt.
UEFA-Präsident Michel Platini gilt zum Beispiel als einer der Gegner der Torlinientechnologie. Deshalb könnte es sein, dass bei der nächsten EM weiterhin nur Menschen die spannende Frage Tor oder nicht beantworten.