Wie der Vater, so der Sohn

Frank Oschwald
11. Juli 201620:23
Die U19 des DFB unterlag zum Auftakt der Heim-EM Italien mit 0:1getty
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Die U19 des DFB trumpft zum Auftakt der Heim-EM groß auf und spielt den Gegner an die Wand. Da es jedoch bei der Chancenverwertung klemmt, steht man mit leeren Händen da. Die Parallelen zur A-Nationalmannschaft sind unverkennbar.

Wenige Minuten nach dem Spiel betrat Italiens Coach Paolo Vanoli in den Katakomben des Stadions das Podium der Pressekonferenz. Artig bedankte er sich direkt im ersten Satz bei den Turnier-Organisatoren, streifte sich kurz durchs Haar und lobte im Anschluss das deutsche Team in den höchsten Tönen. Er wirkte cool, abgeklärt und dennoch forsch. Ein Italiener eben. Eine der ersten Fragen aus dem Publikum nervte den Trainer jedoch spürbar. Ob es der glücklichste Sieg seiner Karriere war, wollte ein Journalist wissen.

Der Trainer fühlte sich auf den Schlips getreten, schließlich habe sein Team doch gerade den Gastgeber besiegt. "Es war alles andere als ein glücklicher Sieg. Wir haben einen Monat lang für dieses Turnier geackert. Es war also vielmehr ein Sieg der Arbeit", erklärte Vanoli. Dass Deutschland Italien über 90 Minuten an die Wand spielte und sich für die DFB-Elf Torchance um Torchance ergab, schien ihn wenig zu interessieren. Am Ende stehen ein Sieg und drei Punkte, das zählt. Italiener eben.

Die Parallelen zur A-Mannschaft waren unverkennbar. Klassisch, im Stile der großen Squadra Azzurra trug Italien kaum etwas zum Spiel bei und ließ sich oft tief fallen. Dass das Tor spät und aus der einzigen italienischen Chance des Spiels entstand, war das Sahnehäubchen. Während Deutschland vor nicht einmal zwei Wochen im Viertelfinale der EM endlich den Fluch ablegte und Italien im Elfmeterschießen knapp in die Knie zwang, folgte für den Nachwuchs nun ausgerechnet zum Auftakt der Heim-EM die bittere Pleite - in einem Stil, der italienischer nicht hätte sein können.

Parallelen unverkennbar

"Es ist unfassbar bitter, weil wir die Partie dominiert haben. Italien macht mit der einzigen Chance das Tor. Der einzige Vorwurf, den wir uns machen können, ist, dass wir keine Tore gemacht haben. Sonst haben wir es hervorragend gemacht", erklärte Kapitän Benedikt Gimber. Neben dem italienischen Spielstil wirkte vor allem auch die Leistung des deutschen Teams wie ein Abklatsch der Löw-Elf. Ballkontrolle, Erarbeitung von Chancen und Zweikampfhärte - in sämtlichen Aspekten war der DFB wie bei der EM in Frankreich haushoch überlegen. Alleine bei der Verwertung der Möglichkeiten haperte es.

"Das Problem ist bei uns und auch in den Nachwuchsleistungszentren ja bekannt. Wir müssen in Deutschland den Fokus noch mehr auf den Torabschluss legen. Auch wenn ich sagen muss, dass bei uns in jeder Trainingseinheit ab der 20. Minute Torabschlüsse dabei sind", so DFB-Coach Guido Streichsbier nach dem Spiel. Der 46-Jährige hatte direkt nach der Partie gleich eine ganze Palette an Gründen für das Ausbleiben von Toren parat. Da sei zum einen der italienische Keeper Alex Meret, der "exzellent" hielt und die Deutschen verzweifeln ließ.

"Schon länger im Auge"

Hauptsächlich wühlte Streichsbier jedoch in den eigenen Reihen nach Fehlern. Es sei vor allem eine Frage der Erfahrung gewesen. "Die Jungs benötigen ein Stück weit Routine im Abschluss. Manchmal ist es einfach eine technische Feinheit, die fehlt. Ein kleiner Zwischenschritt beispielsweise. Es kann sein, dass man das unter Druck vergisst", erklärte der Trainer: "Es hat uns hier und da vor dem Tor auch einfach die letzte Galligkeit gefehlt, den Ball über die Linie drücken zu wollen."

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Auch Sportdirektor Hansi Flick, der beim DFB in den letzten Jahren eine ganzheitliche Philosophie implementierte, sah Ähnlichkeiten zwischen dem EM-Auftritt der Deutschen in Frankreich und in Stuttgart. Er betonte, dass man mannschaftsübergreifend Lösungen finden muss, wie man gegen ein solch defensives Team spielt.

"Diese Dinge haben wir schon länger im Auge. Heute haben wir es ja sogar das eine oder andere Mal geschafft durchzukommen. Mit den Chancen musst du ein oder zwei Tore machen, dann spricht da keiner mehr drüber", erklärte Flick. Dass sich Gino Fechner mit seinem Handspiel im Strafraum in die illustre Runde um Bastian Schweinsteiger und Jerome Boateng gesellte und im dritten DFB-Spiel in Folge einen Handelfmeter verursachte, passte letztlich ins (Spiegel-)Bild. SPOXspox

Rekordkulisse erzeugt Nervosität

Neben der schwachen Chancenverwertung war dem DFB-Team vor allem in den ersten Minuten der Partie die Nervosität deutlich anzumerken. Einerseits herrschte der gehörige Druck der Heim-EM, andererseits lief der DFB in der Mercedes-Benz-Arena vor der Rekordkulisse von 54.689 Zuschauern auf. Keine einfache Situation für den Nachwuchs, schließlich durften in der U19 bislang nur vereinzelt Spieler Bundesliga-Luft schnuppern. Zahlreiche Ungenauigkeiten und unbedachte Sicherheitsbälle waren die Folge.

"Die Kulisse war überragend. Es war uns allen eine Ehre, hier zu spielen. Wir haben das ganze Jahr auf das Turnier gewartet. Klar, bei dem einen oder anderen war die Nervosität da, aber ich denke nach einigen Minuten hat sich das alles gelegt", sagte Leverkusens Benjamin Henrichs. Auch Streichsbier erklärte, dass man "in der ersten Halbzeit die Nervosität sicherlich gespürt hat".

Am Donnerstag gegen Portugal

Der Start in die Heim-EM ist dem DFB-Team misslungen. Nach dem ersten Spieltag steht die Streichsbier-Elf mit leeren Händen da und hat am Donnerstag mit Portugal (19.30 Uhr im LIVETICKER) den Nachwuchs des frischgebackenen Europameisters vor der Brust. Streichsbier wird seine Mannschaft nach dem Nackenschlag nun wieder aufrichten müssen. Dafür werde er der Mannschaft "die vielen positiven Dinge, die sie heute gezeigt hat" vor Augen führen und an den Feinheiten arbeiten.

Sollte es im zweiten Spiel wieder eine Niederlage setzen, können die Deutschen bereits die Koffer packen. Denn auch wenn am heutigen Tag vieles ein Spiegelbild der A-Nationalmannschaft war, ist eines dennoch unterschiedlich: Da nur vier von acht Teams weiterkommen, ist die Gruppenphase bei der U19 sicherlich keine Kaffeefahrt.

Deutschland - Italien: Die Statistik zum Spiel