Am Montag startet für die U19 des DFB die Europameisterschaft im eigenen Land. Der Kader ist gespickt mit zahlreichen Talenten und Spielern mit Bundesliga-Erfahrung. Dennoch plagen Trainer Guido Streichsbier vor dem Start in die Heim-EM zahlreiche Probleme. Vor dem Eröffnungsspiel gegen Italien (Mo., 12 Uhr im LIVETICKER) nimmt SPOX den Kader unter die Lupe.
Die Torhüter
Die Position zwischen den Pfosten hielt U19-Trainer Guido Streichsbier in der Vorbereitung mächtig auf Trab. Aufgrund von einigen Ausfällen testete er im Trainingslager in Österreich gleich vier Keeper. Zunächst sah alles nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Timo Königsmann (Hannover 96) und Dominik Reimann (Borussia Dortmund) aus. Florian Müller (Mainz 05) stand ebenfalls im vorläufigen Kader, konnte aber aufgrund eines Infekts in der ersten Woche des Trainingslagers gar nicht trainieren und hatte lediglich Außenseiterchancen.
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Ein Ausfall stellte die Pläne allerdings auf den Kopf. Königsmann zog sich in der Vorbereitung eine Muskelverletzung im Leistenbereich zu und musste abreisen. Streichsbier reagierte und holte mit Moritz Nicolas (Borussia Mönchengladbach) noch vor der endgültigen Kadernominierung kurzerhand einen weiteren Keeper ins Boot. Die wenigen Einheiten reichten jedoch nicht, um den Trainer zu überzeugen.
Mit Dominik Reimann startet die U19 deshalb wohl mit einer klaren Nummer eins ins Turnier. Der Keeper von Borussia Dortmund hatte erst im Mai mit seinem Klub die deutsche Meisterschaft in der U19 geholt und geht deshalb mit Rückenwind ins Turnier. "Dominik hat vor allem im letzten Jahr eine sehr gute Entwicklung genommen", erklärt U19-Coach Guido Streichsbier gegenüber SPOX.
Zu den Schreihälsen der Marke Lehmann und Kahn gehört Reimann nicht. Er gilt auch intern vielmehr als ruhiger und besonnener Typ. Eine Eigenschaft, die auch sein Trainer sehr an ihm schätzt: "Wenn ihm eine Aktion missglückt, lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen und spielt ganz normal sein Spiel weiter."
Florian Müller wird trotz des Infekts und kleinerer Verletzungen sein Vertreter sein. Müller ist ein äußerst reaktionsschneller Keeper, der im Gegensatz zu Reimann deutlich aggressiver agiert. Er gehört in Mainz zu einer äußerst starken Torhüter-Generation. Dies scheint jedoch eher Fluch als Segen. Aufgrund der großen Konkurrenz kommt er im Verein nicht regelmäßig zu Einsätzen.
Fazit: Etwas mehr Ruhe auf der Torwartposition hätte dem Team sicherlich nicht geschadet. Der Ausfall von Königsmann schmerzt, schließlich war Müller lange nicht einsatzfähig. Mit Reimann hat der DFB dennoch einen starken Rückhalt.
Die Abwehr
Auch die Abwehr gilt als kleines Sorgenkind des DFB. Mit Robin Ziegele (VfL Wolfsburg, Syndesmosebandanriss), Lukas Bohro (SC Freiburg, Kreuzbandriss) und Jordan Torunarigha (Hertha BSC, gesundheitliche Probleme) fehlen drei etatmäßige Innenverteidiger beim Turnier. "In der Abwehrzentrale haben wir zu wenige Alternativen", gibt Streichsbier offen zu.
Die Hoffnungen ruhen deshalb auf Benedikt Gimber. Der Hoffenheimer, der zuletzt an den SV Sandhausen ausgeliehen war, gilt als eines der größten Abwehrtalente des DFB und wurde 2014 mit der U17-Fritz-Walter-Medaille in Gold ausgestattet. Noch im U18-Alter hatte ihm eine schwere Knöchelverletzung zu schaffen gemacht. Davon hat er sich inzwischen allerdings gut erholt und wirkt komplett stabil. "Benedikt ist ein sehr intelligenter und besonnener Mensch, der in der Gruppe als Anführer akzeptiert wird", erklärt Streichsbier. Um Gimber geht in der Innenverteidigung kein Weg vorbei.
Wer in der Viererkette außerdem startet, ist bislang noch offen. Viel wird davon abhängen, wo Streichsbier Gino Fechner (RB Leipzig) aufstellt. Der Allrounder scheint gesetzt, kann jedoch sowohl in der Innenverteidigung als auch im defensiven Mittelfeld spielen. "Er ist eine brutale Laufmaschine. Ihm muss man immer sagen, wenn das Spiel fertig ist", witzelt Streichsbier.
Sollte Fechner auf seiner angestammten Position im Mittelfeld auflaufen, stehen mit Lukas Boeder (Bayer Leverkusen) und Gökhan Gül (VfL Bochum) zwei weitere Innenverteidiger bereit. Boeder verfügt in seinem Alter bereits über eine ordentliche Ladung Erfahrung. Er ist seit der U15 regelmäßig in den Auswahlmannschaften dabei und spielte mit Leverkusen schon in der Youth League. Gül hingegen konnte zwar mit der U17 reichlich Turniererfahrung sammeln, ist allerdings neu bei der U19.
Ähnlich wie bei Fechner in der Zentrale wird auf den Außen viel von der Position eines Spielers abhängen: Maximilian Mittelstädt. Der Herthaner feierte in der Bundesliga in der letzten Saison ausgerechnet gegen die Bayern sein Debüt und ist zentrales Element der U19. "Er ist ein Spieler, der im U18-Alter richtig hochgeschossen ist und hat für sein Alter eine extreme Gelassenheit am Ball", so Streichsbier.
Mittelstädt kann sowohl hinten in der Viererkette als auch im Mittelfeld auf dem linken Flügel spielen. Die Vielseitigkeit eröffnet dem Team somit zahlreiche Möglichkeiten. Mit Linksverteidiger Jannes Horn steht die Alternative bereit. Der Wolfsburger lebt von seiner Aggressivität und ist ein geradliniger Typ. Er hat einen guten linken Fuß, der ihn gerade bei seinen starken Freistößen und Ecken interessant macht.
Rechts in der Viererkette wird wohl Phil Neumann (Schalke 04) starten. Ein 1,90 Meter großer Schlaks, der im Nachwuchs der Königsblauen zuletzt zur Stammkraft geworden ist. Ein physisch starker Außenverteidiger mit einer immensen Schnelligkeit.
Fazit: Die Ausfälle im Vorfeld des Turniers sind schwer zu verkraften. Die Innenverteidigung um Chef Gimber ist dennoch gut besetzt. Alternativen gibt's allerdings nicht wirklich viele.
Das Mittelfeld
Die U19 des DFB wird bei der Heim-EM in einem klassischen 4-2-3-1 auflaufen. Das verriet Trainer Streichsbier bereits vor dem Turnier: "Das ist unser Leitsystem. Meistens bleiben wir in unserem System und versuchen es dann mit unterschiedlichen Spielern oder unterschiedlichen Aufgaben zu justieren. So können wir auch variabel sein."
Die Doppelsechs ist sicherlich das Prunkstück der Mannschaft. Mit Benjamin Henrichs (Bayer Leverkusen) und Suat Serdar (Mainz 05) werden hier zwei Spieler starten, die beide bereits ordentlich Erfahrung in der Bundesliga gesammelt haben. Während Serdar auch in der Liga im defensiven Mittelfeld angesiedelt ist, spielt Henrichs bei Leverkusen meist Außen in der Viererkette. Dies kommt ihm für sein Abwehrverhalten im Mittelfeld allerdings zugute.
Henrichs gilt als das Hirn der Mannschaft und als erste Anspielstation im Spielaufbau. Obwohl beide Sechser nominell gleichberechtigt sind, übernimmt Henrichs im Vergleich zu Serdar eher den defensiveren Part. Der Mainzer, der mit deutlich mehr Offensivdrang ausgestattet ist, stellt das Bindeglied zur Offensive dar. "Suat ist unglaublich aggressiv in der Balleroberung, manchmal vielleicht etwas wild. Er hat aber ein immenses Gespür dafür, wann er attackieren muss. Zudem ist er stark im Zweikampf", so Streichsbier.
Gut möglich ist auch, dass Serdar eine Reihe weiter vorne startet. Innenverteidiger Gino Fechner oder Amara Conde (VfL Wolfsburg) wären dann die Alternativen auf der Sechs. Conde war im Kreis der U19 zuletzt fast immer dabei und wirkt äußerst stabil. Er gilt als ein sehr beweglicher Mittelfeldspieler, der aus der Ballannahme heraus schnell Tempo entwickeln kann. Große Torgefahr strahlt er allerdings nicht aus. "Ich vergleiche ihn immer mit Godfried Aduobe. Er ist unheimlich leichtfüßig und findet in engen Räumen schnelle Lösungen. Er hat viele Anlagen, läuft allerdings noch ein bisschen zu lange mit dem Ball und die Torgefahr fehlt etwas", erklärt Streichsbier.
Um Philipp Ochs führt in der Offensive ebenfalls kein Weg vorbei. Der Hoffenheimer gehörte zuletzt in der Bundesliga unter Neu-Coach Nagelsmann zum engen Kreis der ersten Mannschaft und kam zu zahlreichen Einsätzen. Beim DFB ist er gesetzt und kann in der offensiven Dreierreihe eigentlich alles spielen.
Um die verbleibenden Positionen im Mittelfeld streiten sich Max Besuschkow (VfB Stuttgart), Marvin Mehlem (Karlsruher SC) und Fabian Reese (Schalke 04). Während Techniker Besuschkow ähnlich wie Ochs offensiv überall einsetzbar ist, sind Mehlem und Reese eher auf dem Flügel eingeplant. Wie viel Platz in der Offensive allerdings noch übrig bleibt, hängt stark von der Ausrichtung von Mittelstädt und Serdar ab.
Fazit: Das Mittelfeld um Henrichs, Serdar und Ochs ist das Herzstück der Mannschaft. Allesamt haben bereits reichlich Bundesliga-Luft geschnuppert. Von hier werden die Ideen kommen müssen. Die Auswahl an zentral veranlagten Spieler in diesem Jahrgang ist riesig, auf den Außenpositionen ist man eher dünn besetzt.
Der Angriff
Die wohl unpopulärste Entscheidung traf Streichsbier ganz vorne. Etwas überraschend strich er sowohl Johannes Eggestein (Werder Bremen) als auch Leandro Putaro (VfL Wolfsburg) aus dem Kader. Und das, obwohl beide in der letzten Saison mächtig Betrieb machten. Eggestein, der allerdings noch 98er-Jahrgang ist, erzielte 33 Tore in 26 Spielen, war somit erfolgreichster Torschütze in der vergangenen U19-Bundesliga-Saison und wird offenbar nicht nur vom FC Bayern bereits gejagt. Auch Putaro machte mit seinen 23 Toren in 17 Spielen auf sich aufmerksam.
Statt den beiden Shootingstars schaffte etwas überraschend Janni Serra den Sprung in den Kader. Wie Eggestein ist er ebenfalls erst 1998 geboren und hat bei der U19 noch keinerlei Erfahrung. "Für Johannes Eggestein sowie die beiden anderen 1998er (Gökhan Gül und Janni-Luca Serra; Anm. d. Red.) galt es diese Woche zu schauen, wie sie ihre außerordentliche Qualität in den 1997er-Kader einbringen können. Dabei hatten Gökhan und Janni das Glück, dass auf ihrer Position der Bedarf noch größer war", erklärte Streichsbier seine Entscheidung.
Serra hat für sein Alter eine ungeheuerliche Physis vorzuweisen. Er ist groß gewachsen und laut Streichsbier bereits jetzt ein "richtiger Bulle". Er ist ein Spieler, der auf Vereinsebene bereits große Erfolge gefeiert hat. Zuletzt wurde er mit Dortmund deutscher Meister in der U19.
Im Rennen um den Stammplatz wird Serra wohl dennoch zurückstecken müssen. Cedric Teuchert (1. FC Nürnberg) dürfte im internen Ranking die Nase vorne haben. Der Stürmer des 1. FC Nürnberg, der sich zuletzt immer wieder mit Verletzungen herumschlug, kam in der letzten Saison beim Zweitligisten zu einigen Kurzeinsätzen. Seit mehr als drei Monaten ist er nun verletzungsfrei und scheint seinen Rhythmus gefunden zu haben. Er ist äußerst flink und zudem variabel einsetzbar. Für ihn ist auch eine Position auf dem Flügel denkbar.
Fazit: Die Entscheidung, Eggestein zu Hause zu lassen, überrascht. Nichtsdestotrotz stehen mit Teuchert und Serra zwei talentierte Stürmer im Aufgebot, die in ihrer Veranlagung unterschiedlich sind und mächtig Torgefahr ausstrahlen.