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EM 2021 - Kommentar zum DFB-Team: Sturkopf Joachim Löw muss endlich handeln

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Die Beinahe-Pleite gegen Ungarn hat deutlich gezeigt: Wenn Jogi Löw nicht aus seiner selbstzufriedenen Blase herauskommt, droht ein unschöner Abschied vom DFB. Der Bundestrainer muss wieder seinen Job machen. Ein Kommentar.

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Wer lediglich die Aussagen nach dem Spiel gelesen hat, muss beinahe zwangsläufig denken, Rudi Völler sei noch Bundestrainer.

"Es gibt keine Kleinen mehr - andere können auch Fußball spielen", so lautete Völlers Mantra während seiner vierjährigen Amtszeit, die 2004 mit einem peinlichen EM-Vorrundenaus endete.

Am Mittwoch fehlten nur wenige Minuten, und sein Nach-Nachfolger Jogi Löw hätte bei der EM 2021 das gleiche Debakel erlebt.

Sogar der Löw eigentlich wohlgesonnene Per Mertesacker sprach nach dem äußerst glücklichen 2:2 gegen den Weltranglisten-37. Ungarn im ZDF von "Harakiri-Fußball" und einem "Ritt auf der Rasierklinge".

Hat Jogi Löw ein anderes Spiel gesehen?

Als der Bundestrainer selbst dann zugeschaltet wurde, konnte man meinen, er habe ein anderes Spiel gesehen als den rund 90-minütigen Rückfall in die unseligen Rumpelfußball-Zeiten unter Völler oder zuvor Erich Ribbeck. Er habe - im Gegensatz zu den meisten Spielern und eigentlich allen Zuschauern - "nie das Gefühl gehabt", die DFB-Auswahl könne ausscheiden, meinte Löw.

Vielmehr lobte er die bisherigen Leistungen seines Teams: "Am Ende muss man sagen: Durch die Gruppe durchzukommen, das war gut." Und ansonsten, siehe oben, zitierte er Rudi Völler: "Die so genannten Kleinen hauen alles rein, sie haben nichts zu verlieren. Man sieht, dass sich andere Mannschaften auch schwer tun."

Die entscheidende Frage: Wer sagt es dem Bundestrainer?

Spätestens jetzt stellt sich die Frage: Spricht da die Wagenburg-Mentalität aus Löw oder ist der Coach in seiner Herzogenauracher DFB-Blase tatsächlich schon so weit von der Realität entrückt, dass er nach diesem spielerischen Armutszeugnis die Negativentwicklung der vergangenen Jahre unter ihm gar nicht mehr wahrnimmt? Und gibt es noch jemandem in seinem Umfeld, der ihm das auch sagt?

Allerspätestens im strömenden Regen von München ist klar geworden, dass es so nicht weitergeht - in allen Bereichen. Dass es mit diesem Bundestrainer nicht weitergeht, steht ja schon seit Monaten fest. Und die bisherigen Ereignisse der EM zeigen - trotz des 4:2 gegen Portugal - eindrücklich, dass das für alle Seiten die beste Lösung ist.

Joachim Löw und das DFB-Team haben nur mit großer Mühe das EM-Achtelfinale erreicht.
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Joachim Löw und das DFB-Team haben nur mit großer Mühe das EM-Achtelfinale erreicht.

DFB bei der EM: Löw muss wieder seinen Job machen

Doch noch ist Löw im Amt, aber so sturköpfig-abgehoben wie im Moment geht es eben auch nicht weiter. Der Bundestrainer muss wieder seinen Job machen, nicht nur am Spielfeldrand, wo er phasenweise arg teilnahmslos wirkt oder immer wieder merkwürdige Wechsel vornimmt. Was um alles in der Welt hat er sich beispielsweise gedacht, Kai Havertz noch vor dem Wiederanpfiff nach dem 1:1 auszuwechseln und zwangsläufig für Unordnung zu sorgen?

Löw muss aber vor allem im Tagesgeschäft mit den ganz offensichtlich mehrheitlich verunsicherten Spielern seinen Job machen. Gegen Ungarn stimmte, abgesehen von Engagement und Kampfgeist, praktisch nichts. Die Defensive ist so löchrig wie zuletzt vielleicht vor über 20 Jahren unter dem traurigen Völler-Vorgänger Erich Ribbeck, die Offensive gegen tiefer stehende Gegner mutlos, ideenlos und harmlos.

Löw hätte gegensteuern müssen - und kann es noch immer

Das liegt an den Spielern, von denen viel zu viele (u.a. Sane, Gnabry, Werner) offenbar in einem Formloch stecken und so derzeit keine Hilfe für die Nationalelf sind. Das liegt aber eben auch und vor allem an Löw, der den ganzen negativen Tendenzen hätte gegensteuern müssen - und es jetzt immer noch tun kann und muss. Denn sowohl für die Einstellung als auch für die Aufstellung ist nun mal der Trainer verantwortlich.

Und neben den oben genannten generellen Defiziten ist ja auch sonst fast überall Sand im Getriebe: Bei der Dreierkette ohne echten Sechser als Absicherung davor, beim fehlenden Spiel mit Tempo in die Tiefe, bei den kläglichen Standards, beim mangelhaften Spiel über außen bis zur Grundlinie einschließlich ungefährlicher Flanken - die Mängelliste ließe sich problemlos fortsetzen.

Löws Aufgabe: Schwächen kaschieren, bestmögliches System finden

Löw muss also reagieren, sonst geht es in diesem Turnier nicht mehr weiter. Er muss ein System und einen taktischen Ansatz finden, der die grundlegenden Schwächen kaschiert und bestmöglich zum etwas unrunden Kader passt (der ja trotzdem nach wie vor insgesamt über hohes Potenzial verfügt).

Was genau der 61-Jährige auf der letzten Etappe seiner Abschiedstour ändert, muss er letztlich selbst entscheiden - externe Ratschläge nimmt er ja ohnehin aus Prinzip in den seltensten Fällen an. "Es hat den Anschein, als empfindet der Bundestrainer es als persönliche Niederlage, auszuwechseln oder umzustellen", brachte es Michael Ballack auf den Punkt.

Aber Löw muss eben jetzt endlich handeln. Ansonsten sollten ihm die Spieler diese Entscheidungen abnehmen, damit es gegen England besser wird. Sonst geht es im Achtelfinale nicht weiter.

EM 2021, Spielplan: Das Achtelfinale im Überblick

DatumUhrzeitTeam 1Team 2Spielort
26.06.202118:00WalesDänemarkAmsterdam
26.06.202121:00ItalienÖsterreichLondon
27.06.202118:00NiederlandeTschechienBudapest
27.06.202121:00BelgienPortugalBilbao
28.06.202118:00KroatienSpanienKopenhagen
28.06.202121:00FrankreichSchweizBukarest
29.06.202118:00EnglandDeutschlandLondon
29.06.202121:00SchwedenUkraineGlasgow
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