EM

EM 2021 - Tops und Flops: Mutiger Fußball, tolle Gesten - aber auch Versagen auf ganzer Linie

Die erste Europameisterschaft in einer Pandemie geht zu Ende - und es bleiben zwiespältige Erinnerungen. Ein subjektiver Rückblick auf die fünf Tops und die fünf Flops der EM.
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EM 2021: Die Flops der Europameisterschaft

  • UEFA versagt auf ganzer Linie

Die UEFA hat dafür gesorgt, dass trotz der vielen oben genannten positiven Erlebnisse trotzdem ein schaler Geschmack zurückbleibt. Weil die Dachorganisation, bei der auch der DFB-Interimspräsident Rainer Koch und Ex-Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge im Exekutivkomitee sitzen, bei der EM nur auf den eigenen Vorteil geschaut hat: Bunte Bilder, pünktlicher Ablauf, keine politisch-gesellschaftlichen Botschaften und vor allem maximaler Profit.

Die UEFA habe keinen moralischen Kompass, schrieb der Spiegel, und er hat Recht. Angefangen mit der armseligen Weigerung, das dänische Spiel gegen Finnland nach dem Eriksen-Vorfall länger als wenige Stunden zu verschieben. Fortgesetzt mit dem peinlichen Bückling vor Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban, als die Illuminierung der Münchner Arena in Regenbogenfarben verboten und sogar gegen DFB-Kapitän Manuel Neuer wegen dessen gleichfarbiger Binde ermittelt wurde.

Die Nähe zu autokratischen Politikern scheint beim Kontinentalverband aber auch niemanden groß zu stören, UEFA-Präsident Alexander Ceferin saß unter anderem beim Spiel zwischen der Türkei und Wales in Baku bester Laune auf der Ehrentribüne zwischen Aserbaidschans Machthaber Ilham Aliyev und dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Dank solcher Staatsführer hatte die UEFA auch keine Probleme, möglichst viele Zuschauer in den Spielorten zuzulassen, die sich meist nicht um Maskenpflicht und Abstandsregelungen scherten. "Der Kommerz darf nicht den Infektionsschutz für die Bevölkerung überstrahlen", warnte Bundesinnenminister Horst Seehofer völlig zutreffend, aber dennoch vergeblich. "Ich halte diese Position der UEFA für absolut verantwortungslos."

  • Regierungen: Schöne Bilder statt Schutz der Bevölkerung

Bei der Frage der zu vollen Stadien und Fanmeilen hat die UEFA immer wieder wider besseren Wissens auf die Regierungen der gastgebenden elf Länder verwiesen, obwohl sie diesen zuvor die Pistole auf die Brust gesetzt und mit EM-Entzug gedroht hatte.

Gleichwohl können sich die meisten Politiker ebenso wie die Behörden nicht aus der Verantwortung ziehen. Denn es wäre ein leichtes gewesen, in jedem Spielort eine gesundheitlich vertretbare, maximale Obergrenze zwischen 20 und 30 Prozent Auslastung festzulegen.

Doch nicht nur die Gefahren der Deltavariante wurden in Budapest, St. Petersburg und vor allem im Wembley-Stadion inmitten des Virusvariantengebiets England ignoriert - auch bei geringerer Auslastung wie in München trauten sich die Sicherheitskräfte nicht, gegen verbotene Menschenansammlungen und Maskenverzicht auf den Rängen sowie andere Regelverletzungen konsequent einzuschreiten.

So entstanden nicht nur verstörende Bilder, sondern nach Einschätzung von Wissenschaftlern könnte die EM zum Superspreader-Event geworden sein. Allein die schottische Gesundheitsbehörde dokumentierte knapp 2000 Coronafälle in Zusammenhang mit Reisen zu EM-Spielen.

"Es haben sich sicherlich Hunderte infiziert und diese infizieren jetzt wiederum Tausende", schrieb der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach schon nach dem deutschen Achtelfinale in London auf Twitter. "Die UEFA ist für den Tod von vielen Menschen verantwortlich." Doch auch Politiker und Behörden haben ihren Anteil.

  • Fairplay bleibt zu oft auf der Strecke

Nicht nur beim Verzicht auf Abstandsregeln hatte man den Eindruck, dass zu viele Fans im Lockdown soziales Verhalten verlernt haben. Die bereits genannten ungarischen Hooligans waren ein Schandfleck der EM. Das Auspfeifen der Nationalhymnen der gegnerischen Teams, eigentlich ein überwunden geglaubtes Fehlverhalten aus der Fußball-Steinzeit, war gleich in mehreren Stadien an der Tagesordnung.

Auch in London pfiffen und pöbelten zahlreiche englische Anhänger im Stadion und in den sozialen Medien, unter anderem gegen ein weinendes deutsches Mädchen während des Achtelfinals ("Heul doch, kleiner Nazi"). Im Halbfinale wurde der dänische Torwart Kaspar Schmeichel vor dem Elfmeter zum 2:1 zudem mit einem Laserpointer geblendet. Im Gegensatz zur bislang recht sympathisch auftretenden Mannschaft haben die Fans der Three Lions eher keine Pluspunkte beim neutralen Publikum geholt.

"Größe in der Niederlage zu zeigen, ist eine ganz besondere Qualität. Größe im Triumph sollte sehr viel einfacher sein", twitterte Alistair Campbell, Chefberater von Ex-Premierminister Tony Blair.

  • Hochmut kommt vor dem Fall

Sportlich gesehen war das französische Ausscheiden im Achtelfinale sicher die größte Überraschung. Der Weltmeister war sich nach der 3:1 -Führung gegen die Schweizer offenbar seiner Sache zu sicher, anders sind die späten Gegentore und die Niederlage im Elfmeterschießen kaum zu erklären.

Dabei war die Equipe tricolore nominell nochmal stärker als bei der WM 2018, weil die Spieler erfahrener und teilweise besser geworden sind (u.a. Kante, Pogba, Pavard, Coman) und weil die Offensive in Rückkehrer Karim Benzema nochmal wesentlich gefährlicher war - aber eben nur auf dem Papier.

Doch Didier Deschamps gelang es, durch merkwürdige Wechsel und Umstellungen (u.a. Dreierkette gegen die Schweiz) seine Mannschaft ihrer Stärken zu berauben, zudem hatte er offenbar die Kabine nicht im Griff, wie die zahlreichen, danach aufgedeckten Streitigkeiten und Eifersüchteleien unter den Spielern zeigten.

  • Sturheit wird bestraft

Auch andere Teams enttäuschten bei der Endrunde und bei einigen erkannte man ein ähnliches Muster: Immer dann, wenn die Trainer ihr System über die Fähigkeiten der einzelnen Spieler stellten und vor allem auf daraus resultierende Probleme nicht reagierten, wurden sie bestraft.

Das galt zuvorderst für Jogi Löws Festhalten an der Dreierkette und dem Verschieben Leistungsträger auf für sie ungewohnte Positionen (u.a. Thomas Müller, Joshua Kimmich, Ilkay Gündogan, Leroy Sane).

Aber auch Frank de Boer hatte durch das Beharren auf dem für die Niederlande ungewohnten 5-3-2-System einen großen Anteil am überraschenden Achtelfinal-Aus gegen Tschechien. Portugal wiederum besaß trotz herausragender Individualisten in der Abwehr unter anderem aufgrund zu offensiver Außenverteidiger keine defensive Stabilität. Die Probleme dieser als Mitfavoriten ins Turnier gegangenen Teams lagen aber nicht nur am starren System, sondern auch an merkwürdigen Wechseln und dem Festhalten an Spielern ohne Topform.

Exemplarisch zeigte sich das beim Weltranglistenersten Belgien. Dort setzte Trainer Roberto Martinez wie schon eigentlich immer auf die spürbar in die Jahre gekommene Dreierkette mit Thomas Vermaelen (35), Jan Vertonghen (34) und Toby Alderweireld (32). Beim Viertelfinal-K.o. zeigte sich dann, dass das Trio nicht mehr auf der Höhe ist, beiden italienischen Gegentreffern gingen individuelle Fehler von ihnen voraus.

EM 2021: Der Weg in der K.o.-Runde

AchtelfinaleViertelfinaleHalbfinaleFinaleHalbfinaleViertelfinaleAchtelfinale
Belgien vs. PortugalItalien vs. BelgienItalien vs. SpanienItalien vs. EnglandEngland vs. DänemarkEngland vs. UkraineSchweden vs. Ukraine
Italien vs. ÖsterreichEngland vs. Deutschland
Frankreich vs. SchweizSchweiz vs. SpanienDänemark vs. TschechienNiederlande vs. Tschechien
Kroatien vs. SpanienWales vs. Dänemark
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