Sollte jemand die Szene im ersten Augenblick verpasst haben, ein inbrünstiges Lachen hätte wohl für die nötige Aufmerksamkeit gesorgt. Es kam natürlich aus der Kehle von Jürgen Klopp. Der hatte sich eine gute Stunde nach Abpfiff des Duells zwischen Borussia Dortmund und dem FC Liverpool zu seinen Co-Trainern Zeljko Buvac und Peter Krawietz gesellt und sich am längst abfahrbereiten Mannschaftsbus der Reds mit seinen Ex-Spielern unterhalten.
Lukasz Piszczek, Marcel Schmelzer und Nuri Sahin wurden von Klopp geherzt, irgendetwas muss kurz nach der Begrüßung dann eben sehr witzig gewesen sein. Vielleicht genoss es Klopp auch einfach, diesen im Vergleich zum blitzlichtumwitterten Mittwoch halbwegs unbeobachteten Moment geschenkt bekommen zu haben und sich mit alten Bekannten in Ruhe austauschen zu können.
Die Dortmunder lachten mit, doch die Mienen bei Schwarzgelb waren nach Spielschluss an diesem Donnerstagabend allesamt ernst. Dafür war Klopps Mannschaft ebenso verantwortlich wie die Borussia selbst.
Der Dortmunder Ex-Trainer hatte das Spiel seiner einstigen Truppe taktisch klug manipuliert. Die Partie geriet hitzig und hektisch, für die Borussen war es eine 90-minütige psychische Anstrengung. Liverpool zog sich angesichts der häufig demonstrierten BVB-Ballbesitzdominanz keineswegs zu sehr zurück, sondern lief früh an, verschob gut und presste im Mittelfeld sehr aggressiv.
Liverpool ließ nicht locker
Das taten in der Bundesliga zwar auch schon andere Mannschaften gegen den BVB, im Jahr 2016 beispielsweise Ingolstadt und Hoffenheim, die individuelle Qualität der Gäste aus England sowie die besondere Konstellation spielten diesmal aber eine wesentlichere Rolle.
Thomas Tuchels Team hatte lange Zeit Probleme, den richtigen, nämlich einen ruhigen Spielrhythmus zu finden. Zwar kontrollierte Dortmund die Partie und dominierte sie in einigen Phasen auch, die Bemühungen der Hausherren blieben aber unrund. Liverpool und Klopp ließen nicht locker, selbst der schnelle Ausgleich durch Mats Hummels nach der Pause half der Borussia nicht, die Faktenlage umzukehren.
Auf gewisse Weise war es wie früher, nur anders: Klopp spielte mit Liverpool gegen Dortmund so, wie er einst mit Dortmund gegen den FC Bayern spielte. Immer im Spiel, hohe Intensität, ständig gefährlich und nervtötend für den Gegner.
Dem BVB ging deshalb nicht nur die Ruhe im Spielvortrag ab, es mangelte auch bei gut vorbereiteten Angriffen meist an Genauigkeit und technischer Sauberkeit. Es fehlte jene Leichtigkeit, die Tuchels Mannschaft auch bei unterschiedlichen Spielverläufen bislang so konstant ausstrahlte.
"Die Hände wund geschossen"
"Wir haben in der ersten Hälfte sehr nervös, verkrampft, zu verbissen gewirkt", sagte Tuchel. "Ich hatte mir gewünscht, dass die Mannschaft mit einem Lächeln auf den Lippen spielt. Mit einer Freiheit und Lockerheit, das Ganze anzugehen."
Klopp, der sich vor dem Spiel natürlich nicht feiern ließ und nach dem Liverpooler Treffer natürlich auch wie gewohnt jubelte, verpackte seine Freude über die gute Leistung seines Teams in folgenden Worten: "Es hätte vom Ergebnis her schlimmer laufen können, ein 1:1 haben in Dortmund noch keine 30.000 Mannschaften geschafft. Wir hätten einiges besser machen können, hatten aber auch unsere Momente. Rund um das 1:0 waren wir brettstark und in der Phase der zweiten Halbzeit haben wir Roman Weidenfeller die Hände wund geschossen. Dortmund hatte jetzt auch nicht Chancen im Minutentakt."
Lag es auf Dortmunder Seite also doch daran, dass die besondere Konstellation dieser Begegnung die zahlreichen Ex-Klopp-Spieler zu sehr verkrampfen ließ? Nach Spielschluss bejahte dies zwar niemand in Schwarzgelb, richtig schlüssig waren sich die Akteure allerdings auch nicht. Mats Hummels zog gar aktuelle Formschwankungen als möglichen Grund heran
"Sind am Grübeln, ich auch"
Auch Tuchel war sich der Sache nicht sicher: "Wir sind am Grübeln, ich auch", sagte er. "Vielleicht haben wir zu viele Infos reingegeben. Vielleicht war die Anspannung zu hoch. Es ging uns nicht so leicht von der Hand, wie es nötig ist in so einem Spiel. Wir waren verkopft. Das ist auch mal okay."
Das Problem für den BVB: Entspannung wird so schnell nicht mehr eintreten. Die wichtigsten Wochen der Saison haben gerade erst begonnen und werden in atemloser Abfolge weitergehen. Es ist daher zwar keine Überraschung, dass in der Endphase dieser Spielzeit nun auch die wirklich dicken Brocken zur Seite geschafft werden müssen.
Doch schon beim Rückspiel an der Anfield Road, wo noch keine deutsche Mannschaft einen Sieg einfahren konnte, kommt auf Tuchel nun die größte Aufgabe seiner zehnmonatigen Amtszeit zu. Seine Elf muss mindestens Normalform und die am Donnerstagabend fehlende Sicherheit erreichen, um in Liverpool bestehen zu können. Für das Derby auf Schalke kündigte er bereits personelle Veränderungen an, der Mix zwischen Belastung und Frische wird jetzt wichtiger denn je.
Hoffnung auf Gündogan
Nicht ausgeschlossen, dass kommende Woche der mit einer Fußprellung bereits seit über einem Monat fehlende Ilkay Gündogan wieder mit von der Partie sein kann. Dessen ordnende Hand und ruhige Ausstrahlung würden dem BVB enorm gut zu Gesicht stehen.
"Im Rückspiel ist ordentlich Pfeffer drin - jetzt brennt die Anfield Road", ließ Klopp gewohnt markant ausrichten, bevor er sich zum Stelldichein am Mannschaftsbus begab. Tuchel wird bis dahin weiter grübeln, das Duell der beiden Trainer und ihrer unterschiedlichen Spielstile geht in die nächste Runde.
"Die Ausgangslage ist nach wie vor offen", sagte der Borussen-Coach. "Wir fühlen uns alles andere als chancenlos im Rückspiel." Mal sehen, aus welcher Ecke nach Spielschluss in Liverpool Gelächter zu vernehmen sein wird.
Daten & Statistiken: Borussia Dortmund - FC Liverpool