Vor 45.000 Zuschauern an der ausverkauften Anfield Road ging der BVB früh durch Henrikh Mkhitaryan in Führung (5.). Für den Armenier war es die 44. Torbeteiligung (21 Treffer, 23 Assists) im 47. Pflichtspiel dieser Saison.
Nur vier Minuten später erhöhte Pierre-Emerick Aubameyang auf 2:0 für die Gäste - es war der früheste Doppelpack eines Auswärtsteams in der seit 2009 ausgetragenen Europa League.
Direkt nach der Pause verkürzten die Reds durch Divock Origi auf 1:2 (48.), keine zehn Minuten später legte Marco Reus für die Dortmunder nach (57.).
Zehn Minuten später war wieder Liverpool dran, Philippe Coutinho schoss zum 2:3 ein. Liverpool blieb im Spiel und glich durch Mamadou Sakho zwölf Minuten vor Schluss aus.
In der Nachspielzeit sorgte Dejan Lovren per Kopf mit dem 4:3 für einen kollektiven Ausnahmezustand bei den Hausherren.
Das Halbfinale wird am Freitag um 13 Uhr in Nyon ausgelost. Die Partien finden am 28. April und 5. Mai statt.
Der Spielfilm:
Vor dem Anpfiff: Im Vergleich zum Hinspiel in Dortmund nimmt Klopp eine Änderung seiner Startelf vor: Der verletzte Henderson wird durch Ex-Hoffenheimer Firmino ersetzt. Mit dieser Anfangsformation lief Liverpool noch nie in einem Pflichtspiel auf.
Der BVB mit seiner beinahe besten Aufstellung, lediglich Gündogan sitzt auf der Bank. Zwei Änderungen im Vergleich zum Hinspiel: für Bender (Bank) und Durm (nicht im Kader) spielen Sokratis und Kagawa.
5., 0:1, Mkhitaryan: Kagawa hat links vor dem Strafraum viel Platz und spielt Castro halbrechts an. Dessen Heber in den Fünfer ist perfekt für Aubameyang, der aber aus vier Metern an Mignolet scheitert. Mkhitaryan ist beim Abpraller zur Stelle und schiebt aus sieben Metern ein.
9., 0:2, Aubameyang: Reus hat das Leder im zentralen Mittelfeld und nur noch einen Mitspieler vor sich. Der Pass auf Aubameyang ist allerdings perfekt. Der Gabuner dringt rechts in die Box ein. Aus acht Metern schweißt er den Ball im Fallen über Mignolets Schulter hinweg in den rechten Winkel.
25.: Origi kommt am kurzen Pfosten nach einer Flanke von rechts zuerst an die Kugel. Der direkte Dropkick ist technisch anspruchsvoll und geht links am Kasten von Weidenfeller vorbei.
32.: Piszczek läuft auf der rechten Flanke bis an die Grundlinie im Strafraum. Die Hereingabe ist ebenfalls gut, doch Aubameyang fehlt im Fünfer das Timing, um den Pass ins leere Tor zu drücken.
36.: Diesmal geht es über links und Reus, der ins Zentrum durchsteckt. Wieder ist Aubameyang da, kommt auch an den Ball, schiebt ihn aber klar rechts vorbei.
48., 1:2, Origi: Can treibt das Leder durchs Mittelfeld und steckt auf Origi durch. Der Belgier schiebt es aus 15 Metern am herausstürzenden Weidenfeller vorbei flach in die Maschen.
57., 1:3, Reus: Hummels hat auf links in der Liverpool-Hälfte das Leder und spielt einen tollen Schnittstellen-Pass auf Reus. Sakoh hebt das Abseits auf und kommt dann zu spät gegen Reus. Dieser schiebt das Spielgerät aus elf Metern von links kommend genau in die rechte untere Ecke.
66., 2:3, Coutinho: Coutinho spielt vor dem Strafraum einen Doppelpass mit Milner, der seit der Einwechslung von Allen offensiver agiert. Aus 18 Metern schlenzt der Brasilianer das Leder per Aufsetzer unten rechts ins den Kasten. Weidenfeller ist ohne Chance.
78., 3:3, Sakho: Das gibt es doch nicht, Ausgleich! Ein Coutinho-Eckstoß von links geht bis zentral an den Fünfer durch, wo Sakho seinem Bewacher Piszczek entkommen ist und per Kopf den Ausgleich erzielt.
90., 4:3, Lovren: Der Freistoß kommt rechts neben dem Strafraum zu Sturridge, der den Ball fast verliert, dann aber doch zu Milner durchsteckt. Dessen Flanke findet am langen Pfosten Lovren. Ramos verliert das Kopfballduell gegen den Kroaten.
Fazit: Wahnwitzige Partie in einer glänzenden Atmosphäre. Der BVB sah lange wie der sichere Halbfinalist aus, verlor im zweiten Abschnitt aber zusehends den Zugriff auf die Partie.
Der Star des Spiels: Dejan Lovren. Entschied diese denkwürdige Partie mit seinem Tor in der Nachspielzeit und sicherte sich damit einen Platz in der Historie des Klubs.
Der Flop des Spiels: Da alle Akteure zu einem denkwürdigen Abend beitrugen, hat diesen Spiel eigentlich keinen Flop verdient. Bei Liverpool fiel Sakho trotz seines Treffers defensiv mehrfach negativ auf. Auf Seiten der Dortmunder war Ramos der Pechvogel, der kaum eingewechselt das entscheidende Kopfballduell verlor.
Der Schiedsrichter: Cüneyt Cakir. Der Türke mit sehr umsichtiger Leitung und ohne größere Fehler in einer enorm intensiven, aber auch fairen Begegnung. Sehr gute Auslegung der Vorteilsregel und insgesamt ein souveräner Auftritt des gesamten Gespanns.
Das fiel auf:
- Zwei starke Pässe und anschließende Effektivität veränderten schnell die Vorzeichen dieses Duells zugunsten des BVB. Liverpool bekam in den ersten zehn Minuten überhaupt keinen Zugriff. Dortmund entglitt nach dem frühen Doppelschlag aber teils vollkommen die Spielkontrolle.
- Das hatte zum einen mit vielen Ungenauigkeiten im Umschaltspiel zu tun, Tuchels Elf gab den Ball zu schnell wieder ab. Zum anderen schafften es die in den direkten Duellen sehr robusten Reds vor allem im Zentrum, ihr Pressing ins Ziel zu bringen.
- Liverpool fokussierte sich nach Ballgewinn auf das Spiel über die Flügel, Dortmund verschob schlecht gestaffelt in diese Räume. Die Hausherren kamen so häufig ins Eins-gegen-eins, auch die anschließende Verteidigung des Rückraums beim BVB war mangelhaft. Mit diesen Spielzügen kamen die Reds zu mehreren hochkarätigen Torchancen.
- Das gelang der Borussia auf der Gegenseite jedoch ebenfalls. Gegen Ende der ersten 45 Minuten hatte Dortmund wieder mehr Struktur im Ballbesitzspiel und eine höhere Präsenz in den Zwischenlinienräumen, um von dort aus gefährlich zu werden.
- In der zweiten Hälfte erhöhten die Hausherren das Risiko und standen teils sehr hoch, was dem BVB anfangs viel Platz für das Konterspiel bot. Die Dortmunder verteidigten nun die meiste Zeit in einem 5-3-2, allerdings nur selten kompakt, so dass sie gegen Liverpools Tempo erhebliche Probleme bekamen und immer mehr den Zugriff verloren. Besonders die Standardsituationen verteidigte die Borussia schwach, Liverpools körperliche Präsenz verschob das Momentum in Richtung der Hausherren.
Daten & Statistiken: FC Liverpool - Borussia Dortmund