Lira Bajramaj: (lacht) Ja, das stimmt. Das ist echt total schade und macht mich traurig, dass Gladbach bei den Männern in der Bundesliga ganz unten steht.
SPOX: Sind Sie ein richtiger Fan der Borussia?
Bajramaj: Früher war ich immer mal wieder im Stadion, mit Schal und Trikot und hab die Mannschaft angefeuert. Heute geht das kaum noch, weil ich in Potsdam spiele und selbst viel unterwegs bin. Aber ich habe auf meinem iPhone einen Live-Ticker, den ich dann offen habe, wenn die Borussia spielt. Leider muss ich mich derzeit häufiger ärgern, weil es nicht so läuft.
SPOX: Die Nähe zur Borussia liegt auf der Hand: Sie sind in Mönchengladbach aufgewachsen, Ihre Eltern leben heute noch dort. Würden Sie über Gladbach sagen: dort bin ich zuhause?
Bajramaj: Auf jeden Fall. Ich habe dort rund 14 Jahre gelebt und meine Familie und viele Freunde sind immer noch dort. Ich schaffe es leider nur etwa einmal im Monat, nach Gladbach zu fahren, aber wenn ich da bin, ist das einfach immer total schön. An Gladbach kommt nichts ran.
SPOX: Sie sind im Kosovo geboren und mit Ihrer Familie mit vier Jahren nach Deutschland gekommen. Welche Verbindung haben Sie noch zu Ihrem Geburtsland?
Bajramaj: Den Kosovo habe ich noch immer im Herzen. Es ist schön, wenn ich von dort etwas höre oder wenn ich ein-, zweimal im Jahr für ein paar Wochen dort bin. Aber meine Heimat ist jetzt Deutschland.
SPOX: Sie mussten den Kosovo im Alter von vier Jahren fluchtartig verlassen. Welche Erinnerungen haben Sie noch an die Zeit?
Bajramaj: Die Flucht ist nicht mehr so präsent, aber das Leben schon. Gerade wenn wir im Kosovo zu Besuch sind, kommen die Erinnerungen wieder hoch. Unser Haus wurde wieder genauso aufgebaut, wie es vor dem Krieg war. Wenn man dann wieder davor steht, kommen einem schon Gedanken an damals.
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SPOX: Welche Gedanken sind das?
Bajramaj: Ich habe eigentlich nur positive Erinnerungen an damals. Wir hatten eine sehr schöne Kindheit im Kosovo, sehr herzlich. Umso trauriger war die Flucht dann.
SPOX: Sie mussten den Kosovo in einer Nacht-und-Nebel-Aktion verlassen und landeten schließlich in einem für die Familie völlig fremden Land. Wem fiel das Einleben schwerer: den Kindern oder Ihren Eltern?
Bajramaj: Ich denke schon uns Kindern. Wir haben im Flüchtlingsheim schnell Kontakte geknüpft und Freunde gefunden. Meine Eltern waren da eher zurückhaltend, vor allem wegen der Sprache. Mein Papa hat versucht, schnell Arbeit zu finden, um uns über die Runden zu bringen. Meine Mama ging zunächst gar nicht raus. Mit der Zeit wurde es dann aber besser.
SPOX: Sie haben von positiven Erinnerungen an Ihr Leben im Kosovo gesprochen. Wie sind die Erinnerungen an die erste Zeit in Deutschland?
Bajramaj: Die erste Zeit war sehr ängstlich. Wir hatten im Kosovo beispielsweise immer sehr Angst vor der serbischen Polizei. In Deutschland gab es natürlich auch sehr viel Polizei. Deshalb sind wir anfangs immer schnell ins Haus gerannt, als wir einen Polizeiwagen gesehen haben, weil wir dachten, die würden uns was tun. Und das Thema Rassismus hat uns jahrelang verfolgt.
SPOX: Was passierte damals?
Bajramaj: Es gab immer wieder Sprüche, Beschimpfungen und es wurde auch mal handgreiflich. Meine Brüder und ich wussten ja anfangs nicht, was die gegen uns haben, bis man uns erklärt hat, dass das Leute sind, die Ausländer nicht mögen. Und dann sind wir ihnen aus dem Weg gegangen.
SPOX: Wer hat Sie da aufgeklärt?
Bajramaj: Das war dann in der Grundschule. Dort wurde uns auch die Angst vor der Polizei genommen, als mal ein Polizist zu uns in die Schule kam, sich neben mich gesetzt hat und gesagt hat, dass er mein Freund ist und mir helfen will. Das fand ich ganz toll, weil ich es eben so nicht kannte, dass Polizisten auch freundlich sein können.
SPOX: Haben Sie Ihren Eltern von den Problemen wie Rassismus erzählt oder versucht, das selbst zu lösen, um Ihre Eltern in der schweren Anfangszeit nicht zu belasten?
Bajramaj: Vieles haben wir natürlich nicht erzählt. Vor allem nicht von Vorfällen, wo es zu Handgreiflichkeiten zwischen meinen Brüdern und Rechtsradikalen kam und ich mich eingemischt habe. Da hätten sich meine Eltern nur Sorgen gemacht. Aber natürlich haben wir auch über gewisse Dinge gesprochen, und unsere Eltern haben uns gesagt: Seid stark, geht euren Weg.