Bajramaj: "Es gibt noch einige offene Wunden"

Von Interview: Jochen Tittmar
Fatmire Bajramaj spielt in der kommenden Bundesliga-Saison für den 1. FFC Frankfurt
© Getty

Lira Bajramaj war während der Frauen-WM 2011 das Gesicht der deutschen Nationalmannschaft. Zur am Sonntag beginnenden Bundesliga-Saison wechselte die 23-Jährige von Turbine Potsdam zum 1. FFC Frankfurt. Im Interview spricht Bajramaj über die Enttäuschungen und den Trubel der WM, das Karriereende von Birgit Prinz und erklärt, wer für sie der Geheimfavorit der neuen Spielzeit ist.

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SPOX: Frau Bajramaj, Sie hatten im Sommer nur drei Wochen Urlaub. Haben Sie den Umzug von Potsdam nach Frankfurt schon komplett bewerkstelligt?

Fatmire Bajramaj: Leider noch nicht ganz. Ich habe mir einige Wohnungen angeschaut, aber noch nicht das Passende gefunden. Ich stehe total auf Altbau und hoffe, dass sich da demnächst mal etwas tun wird. Derzeit wohne ich noch im Hotel.

SPOX: Läuft das wieder auf eine WG heraus? In Potsdam wohnten Sie ja mit Ihrer Kollegin Coco Schröder zusammen.

Bajramaj: Nein, in Frankfurt werde ich alleine wohnen. Coco ist eine meiner besten Freundinnen und da ich damals von zuhause ausgezogen bin, hat das gut gepasst. Bestimmt wird es nun auch mal so sein, dass ich mich alleine fühle, aber damit komme ich schon klar.

SPOX: Kurz vor dem Saisonstart in der Bundesliga richtet sich der Fokus wieder aufs Sportliche. In Potsdam spielten Sie eine starke Runde, die WM war dann auch für Sie eine Enttäuschung. War die vergangene Saison nun eine gute oder schlechte?

Bajramaj: In der Bundesliga lief es in der Tat super, die WM habe ich mir dagegen ganz anders vorgestellt. So ging es den anderen Spielerinnen aber auch. Niemand von uns wird eine WM im eigenen Land erneut erleben. Da gibt es noch einige offene Wunden, wenn man nur darüber nachdenkt.

SPOX: Im Sommer wurden Sie von deutschen Sportjournalisten zur Fußballerin des Jahres gewählt. Wie erklären Sie sich vor diesem Hintergrund, dass Sie bei Bundestrainerin Silvia Neid plötzlich keine Rolle mehr spielten?

Bajramaj: Dafür gibt's eigentlich keine Erklärung. Man hat mir auch viel Druck gemacht und ich mir selbst auch. Es ist einfach nicht so gelaufen, wie ich es mir gewünscht habe. Das war eine der schlimmsten Niederlagen in meiner Karriere. Daraus werde ich aber lernen.

SPOX: Aber verwundert waren Sie schon, dass Ihre Chancen sanken, je näher es Richtung WM ging?

Bajramaj: Wenn sich die Trainerin für jemand anderen entscheidet, muss ich das so hinnehmen. Natürlich hätte ich gerne viel, viel mehr gespielt. Nach dem Spiel gegen Frankreich habe ich mir schon gedacht, dass ich wieder den Weg ins Team finde. Ich habe die ganze Sache aber mittlerweile recht gut abgehakt. Sich aufregen bringt ja nichts.

SPOX: Auch Birgit Prinz kam bei der WM kaum zum Zug und hat nun ihre Karriere beendet. Das Ende ihrer Laufbahn hat so gar nicht zum Rest gepasst. Nadine Angerer meinte, sie solle noch ein Jahr weiter spielen. Wie haben Sie die Sache aufgenommen?

Bajramaj: Ich habe auch damit gerechnet, dass sie noch ein Jahr dranhängt, aber habe es auch irgendwie kommen sehen. Sie war immer topfit im Training. Ich hätte ihr bei der Nationalmannschaft einen würdigeren Abschied gewünscht. Das ist schon schade, man hat viel von ihr lernen können.

SPOX: Gibt es auch positive Dinge, die Sie von der WM mitnehmen?

Bajramaj: Die ganze Atmosphäre, die Stimmung und die Fans waren schon herausragend, ganz klar. Meine Familie und Freunde waren ja auch zugegen, das war in der Hinsicht eine schöne Zeit.

SPOX: Wie sieht es denn nun mit der Bekanntheit aus: Wurden Sie nach der WM häufiger auf der Straße angesprochen?

Bajramaj: Das hat schon zugenommen, ob beim Einkaufen, beim Bäcker oder beim Flanieren in der Stadt. Ich merke schon, dass ich nun öfter erkannt werde.

SPOX: Rechnen Sie damit, dass sich auch die Bereitschaft, zum Frauen-Fußball der Bundesliga zu gehen, verändert hat?

Bajramaj: Ich denke schon, dass ein paar Hundert Fans mehr kommen werden. Der Kartenverkauf hier in Frankfurt ist im Vergleich zum Vorjahr auch schon angestiegen. Die Topspiele mit den Nationalspielerinnen werden sicher besser besucht sein. Explodieren wird das Ganze aber nicht. Ich bin schon sehr gespannt, welche Auswirkungen die WM auf den Liga-Alltag haben wird.

SPOX: Ihr neues Team hat sich richtig gut verstärkt und geht trotz des Titelhattricks von Turbine Potsdam als Favorit in die neue Spielzeit. Sehen Sie das ähnlich?

Bajramaj: Wir sind auf jeder Position doppelt besetzt. Da sind einige Spielerinnen dabei, die bei uns auch mal auf der Bank Platz nehmen müssen, beim Rest der Liga aber zur Stammelf gehören würden. Wir sind über die gesteigerte Konkurrenz innerhalb des Kaders froh und es macht jedem Spaß. Wenn wir mit der Mannschaft keinen Titel holen, dann weiß ich auch nicht.

SPOX: Welche Teams haben Sie sonst noch auf der Rechnung?

Bajramaj: Potsdam und Duisburg sind die Klassiker. Ich bin vor allem auf Wolfsburg gespannt, die sich mit Nadine Keßler und Lena Goeßling gut verstärkt haben. Das ist für mich der Geheimfavorit.

SPOX: Wenn es gegen Potsdam geht, wird es ein Wiedersehen mit Ihrem Ex-Coach Bernd Schröder geben. Der hat während der WM mit einigen Aussagen für viel Wirbel gesorgt. Er gilt als schwieriger Typ, wie haben Sie ihn bisher erlebt?

Bajramaj: Ich glaube, dass er diese Dinge aus der Emotion heraus gesagt hat. Er war etwas angesäuert, dass ich den Verein verlassen habe. Er hat fest daran geglaubt, dass ich bleibe. Ich habe seine Reaktion auf der einen Seite verstanden, mich aber auch ein bisschen darüber aufgeregt. Er ist ein emotionaler Typ, manchmal meint er es auch nicht so, wie es sich beim ersten Mal anhört.

SPOX: Sie standen vor und während der WM extrem im Fokus der Öffentlichkeit. Kann es so weitergehen oder ist Ihnen der Trubel zu wild?

Bajramaj: Klare Antwort: Es wäre schon nicht schlecht, wenn es ein wenig ruhiger werden würde.

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