Wessels: "Ich hätte der Hertha helfen können"

Von Interview: Florian Bogner
Ex-Bayern-Keeper Stefan Wessels spielt seit Ende Oktober in der Schweizer Liga für den FC Basel
© Imago

Nach langem Suchen hat Stefan Wessels einen Verein gefunden: Er spielt seit 23. Oktober beim FC Basel in der Schweiz. Im Interview mit SPOX spricht der 30-Jährige über alte Seilschaften mit Thorsten Fink, den Reiz der neuen Aufgabe, Sprachprobleme im süddeutschen Raum und die Wirkung der mySPOX-Petition.

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SPOX: Hallo Stefan, erstmal herzlichen Glückwunsch zum neuen Verein!

Stefan Wessels: Danke!

SPOX: Jetzt also der FC Basel, wie kam es dazu?

Wessels: Mein Berater hat mitbekommen, dass sich Basels Torwart Franco Costanzo verletzt hatte und an der Patellasehne operiert werden musste. Er hat darauf hin den Verein kontaktiert. Also hat sich der Verein das durch den Kopf gehen lassen und fand wohl recht schnell, dass ich eine gute Lösung wäre. Ich habe dann mit Thorsten Fink, mit dem ich zusammen beim FC Bayern gespielt habe, telefoniert, und dann war eigentlich relativ schnell alles klar.

SPOX: Wie darf man sich das vorstellen? Dein Berater rief also bei Dir an und sagte: 'Stefan, wie wär's mit Basel?'

Wessels: Ja, so ungefähr. Er hat mich angerufen und mir gesagt, dass er schon mit dem Trainer gesprochen hätte und dass sie Interesse haben. Dann hat mich Fink angerufen...

SPOX: 'Hallo Stefan, hier ist der Thorsten, wir kennen uns ja noch von früher...'

Wessels: Genau. Er hat mir dann die Lage geschildert und gesagt, dass sie einen Backup für ihren Ersatzkeeper brauchen. Wir haben dann für beide Seiten eine kleine Bedenkzeit ausgemacht. Dann haben wir uns mit dem Verein zusammengesetzt und den Vertrag fix gemacht.

SPOX: Was für Eckpunkte waren Dir bei der Vereinssuche wichtig?

Wessels: Ich habe ja immer betont, dass ich mir den Luxus gönne, auf das Richtige zu warten. Ich wollte einen Verein, dessen Ambitionen mit meinen übereinstimmen - und das passt mit dem FCB. Das ist ein toller Verein, eigentlich der Verein schlechthin in der Schweiz.

SPOX: Das hören die Grasshopper-Fans bestimmt gerne.

Wessels: (lacht) Na ja, es ist eben so. Basel ist immerhin seit 2002 vier Mal Meister geworden, war zweimal in der Champions League dabei und hat in der Liga den Anspruch, in jeder Saison oben mitzuspielen.

SPOX: Und dieses Jahr?

Wessels: In der Liga haben wir als Zweiter zwar sieben Punkte Rückstand auf Bern, aber die Saison ist noch lang. Vielleicht können wir oben noch angreifen. In der Europa League läuft's sogar noch besser, da sind wir sogar vor Fulham, dem AS Rom und Sofia auf Platz eins. Sieht nicht schlecht aus. Ich würde gerne meinen Teil dazu beitragen, dass wir weiterkommen.

SPOX: Besteht denn Hoffnung auf ein bisschen Einsatzzeit?

Wessels: Also erstmal hat der Verein nach Costanzos Verletzung Massimo Colomba - der eigentlichen Nummer zwei - das Vertrauen ausgesprochen. Nichtsdestotrotz werde ich mich im Training anbieten und da sein, wenn ich gebraucht werde. Mal sehen, was die nächsten Tage und Wochen passiert. Colomba hat bislang zumindest sehr gut gehalten.

SPOX: Willst Du nicht die Nummer eins werden?

Wessels: Ich bin erstmal nur Backup, das war die Absprache. Trotzdem stelle mich gerne ins Tor, wenn der Trainer sagt, ich soll spielen. Kein Spieler sitzt gerne auf der Bank. Aber ich bin definitiv nicht der Typ für große Kampfansagen. Ich bin froh, dass ich jetzt bei einem tollen Klub bin und ich glaube, dass ich hier eine gute Zeit haben werde.

SPOX: Wie lange läuft Dein Vertrag?

Wessels: Bis zum 30. Juni 2010.

SPOX: Und nächstes Jahr dann zurück in die Bundesliga? Dort wird sich auf dem Torhüter-Markt nächsten Sommer deutlich mehr tun als dieses Jahr.

Wessels: Stimmt, es gibt sehr viele Torhüter-Verträge, die im nächsten Jahr auslaufen. Möglich, dass sich da einiges bewegt. Für mich bleibt die Bundesliga interessant, keine Frage. Aber jetzt bin ich erstmal in Basel und warte ab, wie es sich entwickelt.

SPOX: Wie ist denn der erste Eindruck?

Wessels: Absolut positiv. Die Stimmung in der Mannschaft ist gut, die ersten Wochen haben sehr viel Spaß gemacht.

SPOX: Thorsten Fink hat ja von Christian Gross ein schweres Erbe angetreten. Ist er dem gewachsen?

Wessels: Auf jeden Fall. Es gab eine schwierige Phase zu Beginn der Saison, ganz klar. Dann aber haben sie in der Europa League 2:0 gegen AS Rom gewonnen, was so eine Art Knackpunkt war. Seit dem läuft's rund. Von meinem ersten Eindruck her passt die Chemie zwischen Trainer und Mannschaft sehr gut.

SPOX: Basel ist ja eine richtige Bundesliga-Enklave. Wenn man sich mal den Kader anschaut: Stefan Wessels, Cagdas Atan, Antonio da Silva, Benjamin Huggel, Alexander Frei und Marco Steller kennt man in Deutschland ja sehr gut. Ist das Zufall, dass so viele Ex-Bundesliga-Spieler bei Basel sind?

Wessels: Zufall? Nein. Deutsche Tageszeitungen sind hier gang und gäbe, auch die Bundesliga wird hier sehr aufmerksam verfolgt. Dementsprechend hoch ist auch ihr Stellenwert. Und wenn dann der Trainer auch noch deutsch ist, wird eben auch in Deutschland geschaut, welche Spieler zum Verein passen.

SPOX: Du hättest ja durchaus auch zu anderen Vereinen gepasst. Dein Name wurde in den letzten Monaten auch mit Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC in Verbindung gebracht.

Wessels: Ich wurde informiert, dass die Hertha Interesse an mir hat. Das hätte ich mir zu dem Zeitpunkt auch gut vorstellen können. Im Nachhinein ist es vielleicht doch ganz gut, dass es nicht geklappt hat. (lacht) Nein, im Ernst: Das Anforderungsprofil der Hertha hätte auf mich gepasst. Ich denke, dass ich ihnen hätte helfen können. Aber sie haben sich letztlich für Timo Ochs entschieden.

SPOX: Du warst ja bis September zeitweise im VDV-Trainingscamp. Wie hast Du Dich danach fit gehalten?

Wessels: Ich habe ein paar Tage bei Hannover 96 mittrainiert, als Robert Enke krankheitsbedingt ausfiel. In der letzten Länderspielpause durfte ich dann in Bielefeld mittrainieren, weil Rowen Fernandez bei Südafrikas Nationalmannschaft war.

SPOX: Wie wichtig war das für Dich?

Wessels: Das Training bei den Bundesligisten war sehr gut für mein Selbstvertrauen, weil ich sehen konnte, dass ich wirklich auf dem Level bin, das ich mir vorgestellt habe. Und wenn ich das VDV-Camp nicht gemacht hätte, wäre ich jetzt wahrscheinlich nicht in Basel, weil ich nicht ansatzweise so fit gewesen wäre und nicht sofort hätte helfen können.

SPOX: Wie hält man düstere Gedanken fern, wenn man so lange ohne Verein ist?

Wessels: Es war ja nicht so, dass ich keine Angebote gehabt hätte. Ich war es ja, der sich den Luxus erlaubt hat, wählerisch zu sein und auf das richtige Angebot zu warten. Ich habe auf meine eigenen Prinzipien vertraut und durchgehalten. Es hat sich ausgezahlt.

SPOX: Gibt es viele, die einem Mut zusprechen oder wird man zunehmend isolierter?

Wessels: Nein, gar nicht. Es hat mich echt total überrascht, wie viele Leute in meiner vertragslosen Zeit an mich gedacht und sich gemeldet haben. Schon allein, wenn man diese Petition bei SPOX nimmt - das war eine super Idee. Da haben über 39.000 Leute draufgeklickt und fast 500 Kommentare dazu abgegeben. Es war echt schön zu sehen, wie viele Leute mit mir mitgefiebert haben. Nach meiner Unterschrift in Basel habe ich jetzt auch unzählige Emails und Einträge ins Gästebuch auf meiner Homepage bekommen - das hat mich total gefreut.

SPOX: Kommt Deine Familie jetzt mit nach Basel? Immerhin hast Du ja ein Haus in Deutschland und einen kleinen Sohn.

Wessels: Ja, aber das Haus ist nur gemietet. Meine Frau und mein Kleiner werden bald nach Basel kommen. Eine Bedingung bei der Vereinssuche war ja auch, dass ich nicht längere Zeit ohne meine Familie sein wollte. Deswegen waren einige Angebote von vornherein ausgeschlossen. Wir werden uns jetzt ein paar Sachen anschauen und hoffentlich bald was finden. Ich kann ja nicht ewig im Hotel wohnen...

SPOX: Und mit den Schweizern kommst Du gut zurecht?

Wessels: Na klar. Ich hatte zwar noch nicht allzu viel Zeit für einen Stadtbummel, aber was ich bisher gesehen und vor allem was ich über die Stadt gelesen habe, gefällt mir sehr gut.

SPOX: Und die Sprache?

Wessels: Na ja, wenn die mal richtig mit Schwizerdütsch loslegen, wird's schwer für mich. Aber ich denke, dass ich mich da schon noch reinfuchsen werde. Ich habe ja auch fünf Jahre in München gelebt...

SPOX: Aufpassen, was Du jetzt sagst! Die SPOX-Redaktion liegt immerhin in München...

Wessels: (lacht) In München war es schon auch so, dass ich Schwierigkeiten hatte, wenn die Frau an der Supermarktkasse mal so richtig in ur-bayrisch losgelegt hat. Aber prinzipiell kann ja jeder so sprechen, dass ich es auch verstehe. Von daher kein Problem.

SPOX: Das erste Spiel, das Du auf der Tribüne verfolgt hast, war gleich ein ganz besonderes...

Wessels: Das Spiel in Luzern? Das war ein Erlebnis! Die bauen gerade ein neues Stadion und spielen dementsprechend auf einer Art umgebautem Dorf-Fußballplatz. Die Atmosphäre war trotzdem sensationell. Und dann ging das Spiel los: Wir machen in der ersten Minute das 1:0, nach sieben Minuten steht's 2:1 für uns, nach 20 Minuten 2:2. Dann liegen wir nach Ablauf der regulären Spielzeit 3:4 hinten, machen aber noch in der Nachspielzeit das 4:4 und 5:4. Wahnsinn. Hab' ich so auch noch nicht erlebt.

SPOX: Hinterher haben Dir aber die Teamkollegen schon gesagt, dass das in der Schweiz nicht immer so ist.

Wessels: Ja, genau. Die kamen dann gleich alle und haben mich beruhigt.

SPOX: Fazit: Statt zuhause dumm rumzusitzen winkt jetzt die große Fußballbühne. Oder hättest Du gedacht, dass Du in dieser Saison noch Europa-League-Luft schnupperst?

Wessels: Nein, wirklich nicht. Umso mehr freue ich mich jetzt drauf. Das werden absolute Highlights, ich freue mich vor allem aufs Stadio Olimpico in Rom. Das wird auf jeden Fall interessant.

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