Der heimliche König des Fußballs

Michael Stadtler
04. Februar 201311:53
Jorge Mendes ist der beste seines Fachs: Kein anderer Spielerberater vollzieht größere Deals als erImago
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Vom Tellerwäscher zum Millionär! Ein gescheiterter Fußballer und durchwachsener Geschäftsmann mit Bars und Nachtklubs avanciert durch eine Kneipenbekanntschaft zum absoluten Big Player im Fußball-Universum. Es ist die Geschichte eines Mannes, der für den größten Transfer aller Zeiten und den bestdotierten Trainer-Vertrag der Welt verantwortlich zeichnet. Es ist die Geschichte von "Superagent" Jorge Mendes.

In feinem Zwirn und mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen betritt Spielervermittler Jorge Mendes wenige Tage vor Ablauf des Jahres 2012 eine Bühne in Dubai. Der elegante Südländer hat eine Vorliebe für feine, dunkle Anzüge. In der Regel meidet der Portugiese das Rampenlicht, er bewegt sich lieber im Hintergrund. Nicht jedoch an diesem 28. Dezember.

Mendes findet sich auf der Bühne der alljährlichen Verleihung der "Globe Soccer Awards" wieder. Er wird in der Kategorie "Bester Agent" ausgezeichnet, zum dritten Mal in Folge. Neben dem portugiesischen Spielerberater werden auch Jose Mourinho als "Bester Trainer" und Radamel Falcao als "Bester Spieler" geehrt. Beide hat Mendes unter seinen Fittichen, beide machte er zu den Besten ihres Fachs.

Mag der Name Jorge Mendes außerhalb des Fußball-Kosmos nur den wenigsten ein Begriff sein, dennoch gehört er zu den absoluten Big Playern im Business. Er hat Macht und Einfluss. Er ist der Spielervermittler, der die ganz großen Verträge für seine Klienten abschließt und im Hintergrund die Fäden zieht. Wenn die exorbitanten Ablösesummen über den Tresen wandern, dann hat Mendes mit großer Sicherheit seine Finger im Spiel.

Auf Umwegen zur großen Karriere

Dabei war nicht abzusehen, dass der 48-Jährige einmal derart Karriere machen würde. Zu seiner aktiven Zeit als Fußballer kann Mendes nur wenig überzeugen. Die Qualität ist schlichtweg nicht vorhanden, es hagelt gar Absagen von zweitklassigen portugiesischen Vereinen.

Deshalb versucht sich Mendes als Geschäftsmann mit Bars, Nachtklubs und einer Videothek. Ein Metier, in dem der Portugiese ebenfalls nur mit überschaubarem Erfolg agiert. Bis es für ihn zu einer schicksalshaften Begegnung kommt. 1996 trifft Mendes in einer Kneipe in Guimaraes auf den Torwart Nuno Espirito Santo. Es sollte der Beginn einer beispiellosen Karriere werden.

Mendes und der Keeper von Vitoria kommen ins Gespräch. Nuno erzählt von seinem Wunsch, zum FC Porto wechseln zu wollen. Die große Rivalität zwischen den beiden Klubs lässt einen derartigen Transfer aber nicht zu. Mendes erkennt eine Chance, die sein ganzes Leben verändern sollte. Er überzeugt den Profi, dessen Interessen vertreten zu dürfen. Prompt bringt er Nuno bei Deportivo La Coruna unter und umgeht das einstigte Transfer-Hindernis. Sechs Jahre später vermittelt er seinen Klienten wie vereinbart zum FC Porto.

Konzentration auf das Spielerberatertum

Mendes verzichtet fortan auf seinen Nachtklub und widmet sich ganz dem Spielerberatertum. Durch die wachsenden Beziehungen nach Spanien zu Depor lässt der nächste Deal nicht lange auf sich warten. Der Portugiese sichert sich die Dienste von Pauleta und verschifft den Angreifer von UD Salamanca ebenfalls in die galicische Provinz.

Auch wenn Mendes bei seinen ersten Geschäften noch keine Transfererlöse erzielt, seine Reputation wächst. Er macht sich einen Namen im Business und vertritt alsbald auch die Interessen der portugiesischen Nationalspieler Costinha und Capucho.

Die große Qualität von Spielern aus seinem Heimatland weiß Mendes früh geschickt und profitabel zu nutzen. Als der FC Porto im Jahr 2004 die Champions League gewinnt und die portugiesische Nationalmannschaft im eigenen Land Vize-Europameister wird, entwickelt sich Portugal zum idealen Land für Spielervermittler. Mendes ist zur Stelle und sollte sich bald die Pole Position unter den Agenten erarbeiten.

Veiga bricht mit dem FC Porto

Das Reservoir an hochtalentierten, portugiesischen Fußballern ist Mitte des Jahrzehnts schier grenzenlos und der Markt und die heimische Liga sind zu klein, um diese halten zu können. Portugal wird zu einem der größten Fußball-Exportländer der Welt. Und auch für etliche Südamerikaner wird das Land als Sprungbrett zur großen Karriere lukrativ. Am Im- und Exportschalter sitzt ein junger, aufstrebender Agent: Jorge Mendes.

Bei seinem vielleicht entscheidenden Schritt auf dem Weg zu einer Weltkarriere hat der Portugiese trotz all der harten Arbeit und cleverer Schachzüge aber vor allem eines: Glück. Der den portugiesischen Markt beherrschende Agent Jose Veiga, der im Jahr 2000 den 60-Millionen-Euro-Rekord-Transfer von Luis Figo vom FC Barcelona zu Real Madrid eingefädelt hatte, überwirft sich mit dem FC Porto, dem Aushängeschild der heimischen Liga.

Mittelpunkt der Streitigkeiten ist ein Transfer von Sergio Conceicao, der bei der EM 2000 die deutsche Nationalmannschaft mit einem Dreierpack aus dem Turnier wirft. Mendes profitiert von der Posse und steigt zum neuen starken Mann beim FC Porto in Transferfragen auf.

Moneyball als Key-Strategy

Der mächtigste Klub Portugals generiert seit Jahren Transfererlöse wie kein zweites Team in Europa, ja gar auf der ganzen Welt. Immer wieder gelingt es, junge und in Europa völlig unbekannte Talente vornehmlich aus Südamerika an sich zu binden, sie zu Stars zu entwickeln und anschließend für teilweise exorbitante Summen an Topklubs zu veräußern.

Eine Win-Win-Situation. Während junge Spieler geradezu danach lechzen, sich an der portugiesischen Atlantikküste ins Schaufenster stellen zu dürfen, bekommt Porto billige und sportlich wertvolle Arbeitskräfte, die nach einigen Jahren eine enorme Dividende abwerfen.

Das Moneyball, die aus den USA importierte Erhebung aller statistischen Indikatoren einzelner Spieler, wird über die Jahre zur erfolgsversprechenden Key-Strategy des Teams. Seit 2003 erzielt der FC Porto über eine halbe Milliarde Euro (!) durch Spielerverkäufe, gewinnt während derselben Zeitspanne aber dennoch 24 Titel - darunter auch die Champions League 2004, der Uefa-Pokal 2003 und die Europa League 2011.

Teil II: Angriff auf PSG

Um eine solche Strategie fahren zu können, wird ein Mann mit Einfluss und Verbindungen zu Topklubs, Besitzern und Managern benötigt, ein Mann wie Mendes. Der Portugiese handelt etliche Millionen-Profit-Deals des FC Porto aus und macht den Klub zum weltweiten Transfer-König. Die Talente, die er dem Serienmeister vermittelt, reifen über die Jahre zu Topspielern, vervielfachen ihren Marktwert und zählen seit jeher zu seinem Klientel.

Zu den Porto-Deals von Mendes gehören die Transfers von Anderson (Einkaufspreis: 5 Millionen Euro/Verkaufspreis: 31,5 Millionen Euro), Pepe (2/30), Ricardo Carvalho (eigene Jugend/30), Ricardo Quaresma (6/24,6), Jose Bosingwa (1/20,5), Paulo Ferreira (2/20), Maniche (ablösefrei/16), Bruno Alves (eigene Jugend/22) und schließlich auch Radamel Falcao (5,5/47). Der Kolumbianer ist im Jahr 2013 der begehrteste Spieler auf dem Markt.

Mendes vermittelt den Angreifer bereits 2009 für 5,4 Millionen Euro nach Porto. Zwei Jahre später tütet er dessen Wechsel zu Atletico Madrid ein - für die fast zehnfache Ablöse. Ein millionenenschwerer Falcao-Transfer zu einem europäischen Spitzenklub noch in diesem Jahr gilt als wahrscheinlich. Die Millionen fließen.

Mendes zeichnet den Weg der Top-Stars

Doch nicht alle seine Juwelen vermittelt Mendes zum FC Porto. Sein größtes Pferd im Stall steht bereits zu Beginn seiner Karriere bei einem portugiesischen Topteam unter Vertrag, eine Durchgangsstation ist nicht notwendig. Sein 17-jähriges Super-Talent soll sofort zu einem europäischen Spitzenklub vermittelt werden. Dies geschieht im Jahre 2003 auch. Manchester United verpflichtet den noch weitestgehend unbekannten Cristiano Ronaldo für 17,5 Millionen Euro von Sporting.

Ein Jahr später wechselt der damalige Porto-Coach Jose Mourinho zu Mendes und seiner Agentur "Gestifute". Auch der exzentrische Star-Coach sollte nicht mehr lange in Portugal auf einer Trainerbank Platz nehmen. Mendes hat Großes mit dem frisch gebackenen und leicht zu vermittelnden Champions-League-Sieger vor.

Noch im selben Jahr fädelt der Agent den Transfer zu dem mit Geld um sich werfenden FC Chelsea von Milliardär Roman Abramowitsch ein. Seine beiden Klienten Carvalho und Ferreira schickt er zusammen für knapp 50 Millionen Euro gleich mit nach London. Ein enge Geschäftsbeziehung entsteht.

Überhaupt agiert Mendes längst auf der ganz großen Bühne des europäischen Spitzenfußballs und leitet die Blockbuster-Deals in die Wege. 2007 bringt er die Portugiesen Nani, Simao und Pepe sowie den Brasilianer Anderson für insgesamt rund 100 Millionen Euro bei neuen Teams unter. 2008 sind es knapp 90 Millionen Euro für Bosingwa, Danny, Deco und Quaresma.

Der Königs-Transfer des "Superagenten"

Noch im selben Jahr kommt das Aus von Mourinho beim FC Chelsea. Mendes ist wieder am Zug und bringt ihn auf die Gehaltsliste von Inter Mailand. Den Namen Mourinho findet man dabei ganz weit oben. Denn sein Agent machte das, was er am besten kann - und besorgt seinem Schützling den höchstdotierten Trainervertrag aller Zeiten.

Mendes jongliert seine Klienten zwischen den größten Vereinen der Welt hin und her und kassiert dabei ordentlich ab. Nach nur zwei Jahren Mailand schickt er Mourinho weiter zu Real Madrid. Der Champions-League-Triumph des Coaches mit Inter liefert in der Außendarstellung den perfekten Grund für einen Tapetenwechsel - aufhören wenn's am Schönsten ist. Um seine finanzielle Lage muss sich The Special One auch in der spanischen Hauptstadt nicht sorgen - Mendes sei Dank.

Sein Meisterstück feierte der Agent aber nicht mit den Mourinho-Transfers, sondern 2009 mit dem Blockbuster-Deal um Cristiano Ronaldo. Der Spielervermittler handelt für seinen Klienten einen Sechs-Jahres-Vertrag mit einer wöchentlichen Vergütung von 200.000 Euro aus. Der Wechsel geht für eine irrwitzige Ablöse von 94 Millionen Euro über die Bühne.

"Einer der mächtigsten Männer des Fußballs"

Als sich der portugiesische Superstar drei Jahre später in Madrid nicht mehr wohl fühlt und sich traurig gibt, besorgt ihm Mendes einen neuen Vertrag mit einem geschätzten Gehalt von 16 Millionen Euro per annum.

Bereits vor dem Abschluss des Ronaldo-Deals bekommt Mendes seinen simplen wie gleichsam treffenden Spitznamen. Der englische "Independent" tauft ihn kurzerhand zum "Superagent". Der Portugiese sei "einer der mächtigsten Männer des Fußballs, und was Deals angeht, vielleicht der mächtigste".

Macht, die Mendes fortan verstärkt bei den Madridistas einsetzt. Seine beiden wichtigsten Schützlinge Ronaldo und Mourinho stehen bei den Königlichen unter Vertrag, das Verhältnis zu Real-Präsident Florentino Perez wird seit jeher gepflegt und ist intakt. Die Chance, weitere Klienten in der spanischen Hauptstadt zu parken. Für 71 Millionen Euro schickt er Fabio Coentrao, Angel di Maria und Carvalho zu Real und kassiert dafür selbst kolportierte 10 Prozent der Ablöse, also 7,1 Millionen Euro.

Überhaupt gehört Mendes längst zu den absoluten Top-Verdienern im Fußball-Geschäft. Betrachtet man die 15 größten Wechsel des Spielervermittlers und geht von einem bei Mendes-Transfers üblichen Satz von 10 Prozent Berater-Honorar aus, so hat er - respektive seine Agentur - alleine an diesen Transfers umgerechnet rund 50 Millionen Euro verdient.

Loyalität und Zurückhaltung

Neben seinem Spürsinn für erfolgsversprechende Talente und seinem einzigartigen Verhandlungsgeschick, schaffte Mendes vor allem durch die Loyalität seinen Klienten gegenüber und durch seine Zurückhaltung in den richtigen Momenten den Sprung auf den Thron der Fußball-Agenten.

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Als Lionel Messi Anfang des Jahres zum vierten Mal in Folge zum Weltfußballer gewählt wird, titelt Mendes' Agentur "Gestifute" auf ihrer Website: "Eine Ungerechtigkeit gegenüber Cristiano Ronaldo." Ein Zeichen der Loyalität, weiß er doch, wie sehr sich Ronaldo über die Auszeichnung gefreut hätte.

Dennoch ist sein Wirken auch von gelegentlicher strategischer Zurückhaltung geprägt. Dies zeigte Mendes, als er sich eben nicht wie zu erwarten mit Pini Zahavi anlegte, der ehemaligen Nummer eins unter den Spielerberatern. Stattdessen teilte er sich den Markt an südamerikanischen Nachwuchstalenten friedlich mit dem Israeli auf.

Angriff auf Paris Saint-Germain

Trotz zahlreicher Mega-Transfers und Einnahmen im Millionenenbereich ist die Arbeit von Mendes aber noch lange nicht getan. Auch 2013 hat er wohl wieder ein geschäftiges Jahr vor sich. Das neue strategische Ziel scheint mit Paris Saint-Germain auch längst gefunden. Eine Goldgrube für Mendes. Der neureiche Hauptstadt-Klub könnte sein ganz persönliches zweites FC Porto werden. Durch den Transfer seines Schützlings Thiago Silva im vergangenen Sommer für 42 Millionen Euro vom AC Mailand nach Paris hat er schon mal einen Fuß in der Tür.

Dem Vernehmen nach soll der Portugiese auch schon am größten Deal aller Zeiten arbeiten. Ein Wechsel von Cristiano Ronaldo in die französische Hauptstadt soll den bisherigen Rekordtransfer pulverisieren. Neben dem Real-Star kokettieren auch seine Klienten Falcao und Mourinho offen mit einem Wechsel. Lässt Mendes in der französischen Metropole ein neues Trio Infernale entstehen?

Wen auch immer der Superagent im Jahr 2013 in einem Millionen-Deal bei einem anderen Team unterbringen wird: Bei der Wahl zum "Besten Agenten" bei den "Globe Soccer Awards" Ende des Jahres in Dubai wird der Strippenzieher aus Lissabon mal wieder zu den großen Favoriten gehören.

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