Alles begann mit Eyjafjallajökull

Von Thomas Gaber
Treffen im europäischen Supercup wieder aufeinander: Pep Guardiola (l.) und Jose Mourinho
© imago

Im europäischen Supercup gegen Chelsea trifft Bayern-Coach Pep Guardiola auf Jose Mourinho (Fr., 20.45 Uhr im LIVE-TICKER). Am Ende seiner Barca-Zeit kapitulierte Guardiola vor dem Psycho-Krieg seines Intimfeindes. Dabei verband ihn einst eine Freundschaft mit dem "scheiß Boss".

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Josep Lluis Nunez hatte sich nicht explizit vorbereitet. Er wusste leidglich, dass Jose Mourinho mittags in sein Büro kommen würde. Mourinho hatte um einen Termin beim Präsidenten des FC Barcelona gebeten und dabei auf äußerste Dringlichkeit gepocht.

Als Mourinho Nunez' Büro betrat, sah sich der Barca-Boss einem wütenden, emotional aufgeladenen Mann gegenüber. Er fühle sich übergangen und sei gekränkt über die verpasste Chance, Cheftrainer des FC Barcelona zu werden, schließlich habe er auch seinen Anteil gehabt an einer überaus erfolgreichen Saison.

Spanischer Supercup, Copa del Rey, Europapokal der Pokalsieger - drei Titel holte Barca in der Saison 1996/97 unter dem Trainergespann Bobby Robson/Jose Mourinho. Robson wechselte nach der Saison ins Management des Vereins, Mourinho wollte ihn als Chefcoach beerben. Nunez hielt Mourinho aber noch nicht für reif genug und holte lieber Louis van Gaal.

Pep setzte sich für Mourinho ein

"Mourinho war frustriert und irritiert. Er dachte, es sei nur logisch, dass er Trainer werden würde. Mir hat das sehr gut gefallen. Ich mag emotionale Menschen und Jose hatte in der Sache auch Recht. Also habe ich ihn gefragt, ob er mein Co-Trainer werden will", erinnert sich van Gaal.

Unterstützung für seine Bewerbung als Chef bekam Mourinho damals auch von Barcas Führungsspielern. Einer davon war Pep Guardiola, den van Gaal gleich zum Kapitän ernannte. "Pep war voll des Lobes über Jose. Er riet mir, stets Joses Meinung einzuholen, vor allem wenn es darum ging, kommende Gegner zu analysieren", so van Gaal.

Vier Jahre arbeiteten Guardiola und Mourinho insgesamt gemeinsam bei Barca und laut Guardiolas Vertrautem Guillem Balague hat sich zwischen ihnen damals eine Freundschaft entwickelt. "Sie haben sich geschätzt und gemocht. Was den Fußball angeht, waren und sind sie seelenverwandt: besessen und detailverliebt", sagte der Autor von Guardiolas in diesem Jahr erschienener Biographie.

Barcas Monsterreise nach Mailand

An der Liebe zum Fußball hat sich bei beiden mit der Zeit nichts verändert. Doch die Freundschaft existiert nicht mehr. Guardiola und Mourinho haben außer Abneigung nicht mehr viel übrig für den anderen.

Erstmals öffentlich gerieten die Trainer im April 2010 aneinander. Mourinho hatte mit Inter Mailand das Champions-League-Halbfinalhinspiel gegen den FC Barcelona 3:1 gewonnen.

Weil eine Aschewolke nach dem Ausbruch des Vulkan Eyjafjallajökull auf Island den gesamten Flugverkehr über Europa für mehrere Tage lahmlegte, hatte der Barca-Tross die Reise von knapp 1000 Kilometern nach Mailand im Bus zurückgelegt. Guardiola sagte nach dem Spiel, dass seine Spieler doch etwas müde gewesen seien angesichts der ungewöhnlich langen Anreise.

Mourinho hielt dies für eine billige Ausrede. "Ich habe zwei Mannschaften gesehen, die für den Zeitpunkt der Saison topfit waren. Und ich habe eine Mannschaft gesehen, die einfach besser war: das war meine."

Nach der 0:1-Pleite im Rückspiel, gleichbedeutend mit Inters Finaleinzug, stürmte Mourinho unmittelbar nach dem Schlusspfiff mit erhobenem Zeigefinger über den Rasen des Camp Nou und machte ein paar provozierende Gesten. "Das war meine schönste Niederlage", sagte er anschließend.

Guardiola: Trainer definieren sich nicht über Titel

Für Balague, der auch Mourinho persönlich gut kennt, lag dessen Verhalten in Barcas Triumphen ein Jahr zuvor begründet. "Guardiola hat gleich in seiner ersten Saison sechs Titel mit Barca geholt. Und die ganze Welt feierte Pep für Barcas Spielweise. Das hat Jose extrem gestört. Er war ganz einfach neidisch, er hielt sich damals doch für den besten Trainer der Welt."

Mit diesem Begriff hat Guardiola per se ein Problem. "Ich habe oft gehört, dass Leute sagen, ich sei der beste Trainer der Welt. Das bin ich nicht und andere sind es auch nicht. Titel entscheiden nicht darüber, ob du ein guter oder schlechter Trainer bist", sagte der Bayern-Trainer kürzlich zu SPOX.

"Nur die Spieler können behaupten, ob du ein guter oder schlechter Trainer bist. Wenn ich einmal von Bayern weggehe und die Spieler sagen: ‚Guardiola war gut, ich habe viel von ihm gelernt und profitiert', kann ich sagen, dass ich gute Arbeit geleistet habe. Es gibt viele gute Trainer, die keine Titel holen können, weil sie nicht die Spieler dafür haben. Deswegen kann sich ein Trainer nicht über Titel definieren."

Neue Gattung Trainer

Mourinho tut das mit Vorliebe. Er lässt kaum eine Gelegenheit aus, auf seine früheren Erfolge hinzuweisen und geht auch hier auf Konfrontationskurs zu Guardiola. "Ich habe in vier verschiedenen Ländern die Meisterschaft geholt. Andere Trainer haben es nur mit einer Mannschaft geschafft, Titel zu gewinnen."

Die Blüte der Gehässigkeiten gab es im April 2011 vor dem Champions-League-Halbfinale zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona. Vier Tage zuvor hatte Real das Copa-del-Rey-Finale gegen Barca mit 1:0 gewonnen und Guardiola bei seiner Analyse ein nicht gegebenes Abseitstor von David Villa erwähnt. Grund genug für Mourinho, eine neue Gattung Trainer auszurufen.

"Bislang hatten wir zwei Arten von Trainern. Eine ganz kleine Gruppe, die niemals mit dem Schiedsrichter spricht. Dazu kommt eine wesentlich größere Gruppe, zu der auch ich gehöre, die Kritik übt, wenn schwerwiegende Fehler gemacht werden. Diese Gruppe lässt es sich allerdings auch nicht nehmen, gute Leistungen der Schiedsrichter zu loben. Und nun, nach der Aussage von Pep, starten wir in eine neue Ära mit einer dritten Gruppe, die korrekte Entscheidungen kritisiert. Derzeit besteht die Gruppe allerdings nur aus ihm."

Guardiolas Seelenstriptease

Nach dem neuerlichen Angriff von Mourinho ging auch Guardiola in die Offensive und legte auf der Pressekonferenz vor dem CL-Spiel ein seelisches Geständnis mit einer gehörigen Portion Sarkasmus ab.

"Herr Mourinho benutzt ja gerne die ‚Du'-Form, wenn er über mich redet. Weil Herr Mourinho mich Pep nennt, nenne ich ihn jetzt Jose. Ich weiß nicht, welche der Kameras hier Joses sind, es sind wohl alle hier im Raum. Wir haben morgen ein Fußballspiel zu spielen. Das möchte ich gewinnen. Die Partie außerhalb des Platzes hat Jose bereits gewonnen. Auf diesem Gebiet ist er ein Phänomen. Ich weiß nicht, wie man dieses Spiel spielt und ich möchte nicht mal für eine Sekunde gegen ihn antreten. Ich schenke ihm seinen eigenen Pokal: des Champions abseits des Platzes. Ich hoffe, er nimmt ihn mit nach Hause und genießt ihn wie die anderen Pokale. In diesem Presseraum ist er der scheiß Boss, der scheiß Meister. Er ist derjenige, der mehr über die Welt weiß, ich nicht."

Im Psychokrieg hisste Guardiola die weiße Flagge, im Duell auf dem Platz waren er und Barca Sieger. Dennoch haben insbesondere die Ereignisse aus dem Frühjahr 2011 deutliche Spuren bei Guardiola hinterlassen.

"Mourinho führt einen Psycho-Krieg, der dich umbringen kann. Seine Art hat große Wirkung erzielt, auch bei Pep. Er würde es nie zugeben, aber Mourinho hat ihn lange emotional destabilisiert, er hat ihn emotional fertig gemacht bis zu dem Punkt, an dem Guardiola keine Freude mehr hatte, seinen Beruf auszuüben", sagt Balague.

Der Gute gegen den Bösen

Guardiola ist ein harmoniesüchtiger Mensch, der in der manchmal aggressiven Welt des Wettkampfs Opfer des zynisch-abgebrühten Mourinho wurde. Die Rollen waren klar verteilt. Hier der Gute, dort der Böse, der die Verschwörung liebt. Der Respektvolle gegen den Konfliktstrategen.

"Mourinho suchte eindeutig die direkte persönliche Konfrontation. In diesen Konflikt wollte Pep nie hineingezogen werden", schreibt Balague in seinem Buch.

Als er Guardiola für seine Aufzeichnungen bat, über Mourinho zu sprechen, habe sich dessen Körperhaltung radikal verändert. "Wenn Pep über Mourinho redet, geht plötzlich eine unsichtbare Mauer hoch. Seine Nackenmuskeln spannen an, er zieht die Schultern hoch und sieht dir nicht mehr in die Augen. Er fühlte sich nicht mehr wohl und wollte das Thema schnell abhaken."

Mourinho: "Pep muss gewinnen"

Im Vorfeld des europäischen Supercups hat Guardiola es ebenfalls vermieden, über Mourinho zu sprechen. Er habe Respekt vor Mourinhos Arbeit als Trainer, mehr gebe es nicht zu sagen.

Für Guardiola ist die Rivalität mit Mourinho Vergangenheit. Er hätte zu seiner Zeit als Barca-Trainer gerne darauf verzichtet. Doch vor dem ersten Duell der beiden seit dem 21. April 2012, als Real Madrid in der Liga 2:1 in Barcelona gewann, hat der Provokateur wieder zugeschlagen.

"Der FC Bayern des Jupp Heynckes war das beste Team Europas. Jetzt haben sie einen neuen Trainer und neue Spieler - und ich bin nicht mehr sicher, ob sie immer noch so gut sind. Und Guardiola muss den Supercup gegen uns gewinnen, er hat das beste Team. Ich dagegen baue eine junge Mannschaft auf", sagte Mourinho.

Und den wahren Grund, warum Guardiola überhaupt Bayern-Trainer wurde, kennt Mourinho auch: "Wer weiß, vielleicht wollte er einfach in eine Liga, wo ich nicht bin."

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