Die Premier League nimmt Abschied vom bekennenden Mussolini-Fan, während David Moyes mit seinem Schicksal hadert. In Italien kriegt Hitzkopf Balotelli vom Trainer einen Maulkorb verpasst und Massimo Moratti geht, aber nicht so richtig. In Spanien schreibt Ronaldo weiter an seiner eigenen Legende. Dies und mehr von unseren Korrespondenten in Europa.
Serie A
Von Oliver Birkner
Spiel des Spieltags: Constantino Marini wunderte sich gestern Abend, als ihn beim Umtrunk mit Kumpels plötzlich dutzende SMS erreichten. "Dein Rekord ist jetzt Geschichte", tippte unter anderem sein Bruder. Marini war der letzte, der bei einer Jugendpartie im März 2006 einen Elfmeter von Mario Balotelli pariert hatte. Es folgten 21 verwandelte von Super Mario bis Napolis Pepe Reine der Serie nun ein Ende bereitete. "Dafür will ich das Trikot des Spaniers - das habe ich mir verdient", forderte Constantino, im Gegensatz zu Balo in diametraler Karriere-Entwicklung mittlerweile Keeper in der Kreisliga B. Für Balotelli verlief der Abend ohnehin zum schnellen Archivieren: Elfer verschossen, Latte getroffen, ein Anschlusstor, das nichts mehr brachte, zwei rüde Fouls kassiert und sich nach Spielschluss deshalb so lange beim Schiri beschwert, bis der ihm Gelb-Rot vor die Nase hielt.
"Wenn das Spiel vorbei ist, hält man den Mund und basta! Solch hysterischen Proteste richten bloß Schaden an", zürnte Coach Max Allegri, dessen Milan eigentlich gar nicht so schlecht gekickt hatte. Doch Neapel zeigte die reifere Spielanlage und vor allem höhere Qualität - insbesondere Gonzalo Higuain bringt die SSC-Tifosi derzeit in Ekstase. Ein Argentinier besitzt in Neapel freilich einen immensen Bonus, nach dieser Woche erst recht. Ein Higuain-Treffer verhalf den Himmelblauen zum ersten Sieg bei Milan seit Maradonas-Napoli 1986 (danach neun Remis und zehn Niederlagen). Überhaupt machte "el Pipita" bereits vier Tore in fünf Partien, darunter das wichtige 1:0 gegen Dortmund, wonach er neun Mal von Stadio San Paolo und dem stadionsprechenden Pep-Guardiola-Lookalike donnernd gefeiert wurde. Napoli rockt - mit Gonzaaaaaalo Higuain!
Tränen des Spieltags: Bisweilen lassen Profis ihre Coolness fallen. Zwei Jahre lang besaß Federico Balzaretti keinen leichten Stand bei der Roma. Viele kreideten ihm auch die 0:1-Niederlage im Pokalfinale gegen Lazio vergangenen Mai an. Zu allem Überfluss brachte Torschütze Senad Lulic vor dem Derby am Sonntag auch noch eine Kollektion "Lulic71" heraus - er hatte in der 71. Minute zum Coppa-Erfolg getroffen. Am Sonntagmittag traf Balzaretti den Pfosten, und es schien mal wieder durchwachsen zu laufen. Doch gleich in der Folgeszene servierte Totti und der 32-Jährige traf zur Führung. Von der dröhnenden Südkurve kam Balzaretti schluchzend mit tränenüberströmtem Gesicht aufs Feld zurück.
"Ohne diese Fans und diesen Klub wäre ich rein gar nichts", sagte er nach Spielende und wieder kullerten Tränen das Gesicht runter. Ist doch herrlich, wenn es manchmal menschelt. Der neue Coach Rudi Garcia hat bei den Anhängern in jedem Fall einen Stein im Brett. "Derbys spielt man nicht, Derbys gewinnt man", konstatierte er vorher und brachte den Giallorossi den ersten Erfolg nach vier Niederlagen und einem Remis. "Wie man bei uns in Frankreich sagt: Die Kirche steht wieder im Zentrum des Dorfes." Das Dorf wird man ihm im rot-gelben Rom gütig vergeben.
Und sonst? 18 Jahre Massimo Moratti und Inter sind bald vorbei. Moratti tritt 70 Prozent des Vereins an den indonesischen Medienmogul Erick Thohir ab. Der 43-Jährige setzt pro Jahr über zehn Milliarden um und ist sportlich bereits Mitinhaber beim NBA-Klub Philadelphia 76ers und dem Fußballteam aus der Hauptstadt Washington. 250 Millionen Euro zahlte Tohir für die Inter-Kontrolle und will nach Schuldenabbau vor allem Youngster einkaufen. Moratti besaß für derartige Anstrengungen keine Kraft mehr. Er holte in 18 Jahren fast 170 Spieler und pumpte rund 1,4 Milliarden Euro in den Verein - mit 16 Trophäen ist er dafür der erfolgreichste Inter-Präsident der Geschichte.
Der Ausstand hätte kaum gebührender laufen können: Nach 18 Monaten reiste er seinem Herzensklub auswärts mal wieder nach. Dabei siegten die Nerazzurri bei Aufsteiger Sassuolo 7:0 mit dem höchsten Serie-A-Sieg der Vereinshistorie fern des San Siro. Diego Milito traf beim Comeback 220 Tage nach dem Kreuzbandriss zwei Mal. "Thohir heißt die Zukunft, doch ich werde immer da sein", sagte Moratti, der den Verein ohne peinliche Klatschpresse, rauschenden Feste oder pompösen Yachten vor Dubai führte. Mit Rationalität habe das nichts zu tun, betonte er oft, denn Inter ist ein Empfinden. Das genießt er künftig ohne Millionen in die Kassen zu pumpen. Dafür ist jetzt Indonesien zuständig.
Serie A: "Derbys spielt man nicht, Derbys gewinnt man"
Premier League: Abschied vom "arroganten Diktator"
Primera Division: CR7 - Puskas: Du bist der Nächste
Premier League
Von Raphael Honigstein
Spiel des Spieltags: Nach den doch eher miesen Kicks in den bisherigen Spitzenspielen in dieser Saison hielt das Manchester-Derby, was es versprach. Zumindest aus Sicht von Manchester City. Die Gastgeber fegten Manchester United mit 4:1 vom Platz; "horrible" fand Nemanja Vidic den Nachmittag im Etihad-Stadion. Ohne den verletzten Robin van Persie lief der Meister Ball und Musik von Anfang hinterher, City wirkte aggressiver und vor allem im Mittelfeld besser geordnet. Ashley Young, der den Vorzug vor Shinji Kagawa erhielt, war ein Totalasufall, Maroune Fellaini auf der Sechser-Position völlig überfordert.
"Vielleicht war das Spiel für uns ein bisschen wichtiger als für sie", sagte City-Kapitän Vincent Kompany. David Moyes wirkte ratlos. "Ich bin enttäuscht, dass wir verloren haben, es gab keinen Grund", sagte der United-Trainer. Insgesamt passten Ergebnis und Leistung jedoch ziemlich gut in den bisherigen Saisonverlauf. Bis auf das 4:2 gegen Bayer Leverkusen hat United in keiner Partie überzeugt. So schlecht wie am Sonntag waren sie allerdings auch noch nicht.
Spieler des Spieltags: Juan Mata saß bei Chelseas 2:0 gegen Fulham nicht einmal auf der Bank. Die Debatten bestimmte er trotzdem (oder gerade deswegen). Jose Mourinho erklärte, der Spanier arbeite nicht hart genug nach hinten, Oscar sei der effektivere Mann auf der Zehner-Position. Das kann man so sehen, aber die Art und Weise, mit der Mata, Chelseas bester Spieler in den vergangenen zwei Jahren, von dem Portugiesen ignoriert wird, lässt nicht-sportliche Gründe vermuten. Die Sunday Times spekulierte, dass Mata für seine Unterstützung von Interim-Coach Rafael Benitez "bestraft" werde. Wie dem auch sei - Chelsea spielte ohne Mata wieder nicht gut, aber gewann.
Anything else? Paolo Di Canio stand nach 0:3 gegen West Brom mit 30 Metern Sicherheitsabstand vor der Gästekurve und hörte sich die Beschwerden der mitgereisten Fans an. Er hob seine Arme, zuckte mit den Schultern, nickte mit dem Kopf: die Gestik war nicht leicht zu entschlüsseln aber sollte wohl irgendetwas zwischen Entschuldigung und Verantwortung ausdrücken. Am nächste Tag lud der Italiener sein Team zu eine Teambesprechung ein und bekam dabei zu hören, dass die Mannschaft seine Methoden ablehnte. Ein paar Stunden später wurde er gefeuert.
In der Vorsaison hatte der Mussolini-Sympathisant Sunderland vom Abstieg bewahrt, doch nach nur einem Punkt aus fünf Partien hatte Klub-Boss Ellis Short genug gesehen. Passend zu seinen politischen Überzeugungen habe der 45-Jährige wie ein "arroganter Diktator" regiert, berichtete die Sun. Seine Spieler öffentlich bloßzustellen war das eine, absurde Verhaltensregeln das andere. Die Spieler sollten an Spieltagen mit niemandem reden, lautete die Order, Angestellte im Klubheim durften sie auch unter der Woche nicht ansprechen. Garniert wurde der Wahnsinn mit überhartem Training. Als Belustigungsobjekt wird "PDC" der Premier League fehlen. Das ist aber schon das Beste, was man über ihn sagen kann.
Serie A: "Derbys spielt man nicht, Derbys gewinnt man"
Premier League: Abschied vom "arroganten Diktator"
Primera Division: CR7 - Puskas: Du bist der Nächste
Primera Division
Von Frank Oschwald
Statistik des Spieltags: Was hatten die Katalanen in den letzten Jahren nicht stets für abstruse Ballbesitzwerte. Man erinnere sich nur an die Auftritte im letzten Jahr gegen Valencia und Levante, als Barca jeweils deutlich über 75% Ballbesitz hatte. Oder eben die zweiten 45 Minuten in der Champions League gegen Celtic. Dort kam Barcelona laut UEFA-Statistik auf einen offenbar nie dagewesenen Wert von 93%. Umso größer ist der Aufschrei jetzt. Zwar bügelte man Rayo Vallecano im fremden Stadion mit 4:0 weg, doch nach 315 Spielen (!) ging man zum ersten Mal als Verlierer aus der Ballbesitzstatistik. Wie die Liga nach dem Spiel bekanntgab, kam der Tabellenvorletzte Rayo auf 52%, Barca auf lediglich 48% Ballbesitz.
Alles halb so wild, sollte man als neutraler Beobachter glauben. Doch weit gefehlt. In Barcelona geht nach dem Spieltag ein Aufschrei durch die Stadt. Die Katalanen fürchten um ihre Identifikation und um ihren vom Ballbesitz geprägten Tiki-Taka-Stil. Auch die hohen Flanken aus dem Halbfeld und die weiten Valdes-Abschläge, die unter Ex-Coach Tito Vilanova noch auf dem Index standen, finden beim neuen Trainer Tata Martino immer mehr Einzug ins Barca-Spiel. Während die Fans um "ihren" Fußball bangen, sprechen die Zahlen jedoch für den neuen Coach: Platz eins in der Liga, mehr als drei Tore im Schnitt und am Dienstag könnte man im Heimspiel gegen Real Sociedad den vereinsinternen Startrekord egalisieren.
Die Königlichen des Spieltags: Cristiano Ronaldo schnitzt weiter heftig an seinem eigenen Denkmal. Im Spiel gegen Getafe zog der Portugiese in der ewigen Real-Torschützenliste durch seinen Doppelpack mit nun 209 Toren in 205 Spielen mit dem fünftplatzierten Hugo Sanchez gleich. Der quirlige Mexikaner brauchte für seine 209 Buden jedoch 77 Partien mehr als CR7. Nächstes Opfer des Ronaldo-Höhenflugs könnte "der Major" Ferenc Puskas werden. Dieser liegt mit 237 Toren auf Rang vier. Raul, der die Liste mit 323 Toren anführt, kann sich bislang noch entspannt zurücklehnen.
Doch bei all dem Getrommel um CR7 und 100-Millionen-Mann Gareth Bale, der sich beim Aufwärmen verletzte und dadurch das Heimdebüt verpasste, steht ein Neuzugang der Königlichen ungerechterweise im Schatten der beiden Medienmagneten: Isco kommt in seinen sechs Spielen für die Königlichen auf fünf Tore und drei Assists und hat somit maßgeblichen Anteil am bisherigen Saisonverlauf. Der 21-Jährige, der vor der Saison für knapp 30 Millionen Euro von Malaga kam, wird sowohl bei Coach Carlo Ancelotti als auch bei den Fans immer mehr zum Liebling.
Und sonst so? Tiefes Durchatmen bei den Verantwortlichen des CA Osasuna. Im Kellerduell gegen Aufsteiger Elche sammelte das Team am fünften Spieltag dank eines 2:1-Sieges die ersten Punkte und verschaffte sich somit erstmals Luft im Dauer-Abstiegskampf. Dank einer gnadenlos effektiven Offensive (3 Torschüsse, 2 Tore) reicht man die Rote Laterne nun an den hochdekorierten FC Sevilla weiter. Für die Andalusier setzte es nach dem Barca-Krimi nun gegen Valencia (1:3) die nächste Pleite. Sevilla, das mit einem namhaften Kader vor der Saison noch stark nach Europa schielte, hinkt den eigenen Ansprüchen somit mehr als nur weit hinterher. Am Mittwoch kommt nun der Tabellenvorletzte Rayo Vallecano zum noch viel kellerigen Kellerduell nach Sevilla.
Serie A: "Derbys spielt man nicht, Derbys gewinnt man"