"Wer ist eigentlich Messi?!"

SPOX
07. Oktober 201320:43
Nach der Messi-Verletzung zaubern Alexis Sanchez (2.v.l.) und Neymar (r.)getty
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Während Diego Costa gegen die spanischen Verhältnisse rebelliert, macht ein Barca-Duo fast ganz Südamerika wuschi. In England wird viel über Jack Wilshere diskutiert - auch außerhalb des Platzes. Aber der heißeste Boy auf der Insel ist derzeit ein Heimatloser. Rom liegt mal wieder dem Capitano zu Füßen. Dies und mehr von unseren Korrespondenten in Europa.

Premier League

Von Raphael Honigstein

Spiel des Spieltags: Mit Toren ist es bekanntlich so wie mit Londoner Doppeldecker-Bussen: man wartet und wartet, und dann kommen plötzlich zwei auf einmal. Die Fans von West Ham United können ein Lied davon singen, bzw grölen. In der vergangenen Saison war fast jede Auswärtsreise eine Nullnummer, keine Mannschaft in den vier englischen Profiligen traf auf fremden Plätzen so selten (elf Tore!) wie die Hammers. Doch am Sonntag trumpfte United im Londoner Derby bei den Spurs groß auf. 3:0 gewann die Elf von Sam Allardyce an der White Hart Lane - und das mit einer 4-6-0-Taktik.

In der laufenden Spielzeit hatte man zuvor erst zwei Mal getroffen. "Die Taktik ist heute aufgegangen", lobte sich Alladyce selbst, und gab Kollege Andre Villas-Boas gleich noch einen mit. "Wenn man wie die Spurs 100 Millionen Pfund für neue Spieler ausgibt, muss man damit rechnen, dass Villas-Boas den Druck hat, die Mannschaft so schnell wie möglich so hinzubekommen, dass sie ihre Qualitäten ausspielt", sagte der 58-Jährige. Ravel Morrison gelang das schönste Tor. Der 20-Jährige lief mit dem Ball über den halben Platz und lupfte die Kugel dann rotzfrech über Hugo Lloris. Die Geschichte mit den Londoner Bussen galt am Ende auch für die Spurs. Sie hatten vor dem Match erst zwei Tore kassiert.

Mann des Spieltags: Adnan Januzaj feierte beim 2:1-Sieg von Manchester United in Sunderland ein Traumdebüt (erstes Spiel von Anfang an) in der Premier League. Der 18-Jährige Flügelstürmer erzielte beide Treffer für die Elf von David Moyes, das ließ die Gelbe Karte für eine Schwalbe vergessen - Match of the Day (MOTD), das englische Äquivalent der Sportschau zeigte die Szene nicht einmal der Zusammenfassung.

"Er ist ein besonderer Spieler", sagte Moyes, "er macht Tore, er hat Qualität am Ball und wird beide Beine auf dem Boden behalten." Der schottische Coach verglich den in Brüssel geborenen Sohn von Einwanderern aus Albanien mit Wayne Rooney und Ross Barkley, denen Moyes beim FC Everton zu deren ersten Spielen geholfen hatte. Januzay wird nach dem zähen Start von United in die Saison als Hoffnungsträger dringend gebraucht.

Aber für die englischen Medien ist er auch ein gefundenes Fressen, da seine ungeklärte Zukunft viel Raum für Spekulationen lässt. Sein Vertrag läuft im Sommer aus, und angeblich will Manchester City ihn abwerben. Darüberhinaus könnte er (frühestens) 2018 sogar für England auflaufen, denn bisher hat er weder für Belgien noch für Albanien ein Pflichtspiel bestritten. Roy Hodgson hat schon Interesse gezeigt, muss sich aber wie Marc Wilmots erstmal hinten anstellen. Januzaj möchte am liebsten für Albanien spielen; Kosovo, Serbien oder die Türkei wären auch noch Optionen.

What Else?: Nationaltrainer Roy Hodgson wurde von "MOTD" irrtümlich als "bester Torschütze der Premier-League-Geschichte" vorgestellt, das kann man mal passieren. Jack Wilshere wurde mit einer Kippe im Mund vor einem Klub fotografiert. Das sollte nicht passieren. "Er raucht, wann er will" sangen die Arsenal-Fans, nachdem der Engländer den 1:1-Ausgleichstreffer im Auswärtsspiel gegen West Brom erzielte. Wie der "Daily Mirror" enthüllte, ließen sich die Sunderland-Spieler Jozy Altidore und El-Hadji Ba darüberhinaus mit einem "SMB"-Schild fotografieren. Newcastle-Fans hatten sie reingelegt: "SMB" steht für Sad Mackem Bastards. (The Mackems ist der Spitzname des Teams) Kann mal, sollte aber nicht passieren.

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Serie A: Die fliegende Stadt liebt ihren Capitano

Primera Division: Wer ist eigentlich dieser Messi?

Serie A

Von Oliver Birkner

Faust des Spieltags: Mancher nennt Antonio Conte auch den Mourinho Italiens. Das wollte der Juve-Coch vor dem Duell gegen Milan mal deutlich unterstreichen. In Manier des Special One hob er zur Brandrede an: "Unsere Feinde sind überall, denn niemand will, dass wir den dritten Titel in Folge holen. Von jeder Seite wird Juve torpediert, um uns zu destabilisieren." Freilich war manche Kritik an den Turinern seitens der nationalen Presse zuletzt etwas überzogen, die die Himmelsstürmer der vergangenen Saison beinahe als mittelmäßige Würstchen darstellte.

Dennoch ist der lästige Verdacht einer Generalverschwörung ebensolcher Nonsens. Torpediert wurde die Signora beim Erfolg gegen Milan tatsächlich in Person von Philippe Mexes, der Giorgio Chiellini einen ungeahndeten Faustschlag von hinten versetzte (eigentlich Rot und Elfmeter). "Das war ein hartes Tackling wie es tausend Mal in jedem Spiel passiert", kommentierte AC-Trainer Max Allegri. Zum Glück nicht. "Man kann mal in der Hitze einen Fehler begehen, ist mir auch schon passiert. Dann sagt man 'Sorry' und weiter geht's. Doch Mexes fuhr mich noch an, ich soll hier keinen auf Kino machen. Fußball ist etwas Anderes", ereiferte sich Chiellini.

Capitano des Spieltags: Wenn Trapattoni spricht, gibt's mit Sicherheit was zu schmunzeln. Von ihm stammen hunderte Klassiker wie "Man muss Ziegelsteine konstruieren, um solide wie Stahlbeton zu sein" oder "Es liegt reichlich Fleisch auf dem Feuer von unserem Bogen - auch wenn man mit dem Bogen eigentlich Pfeile schießt". Am Sonntag kommentierte Trap dann die Tabellenführung der Roma und warnte: "Rom ist eine fliegende Stadt. Mal ganz hoch, mal ganz tief." Freilich gibt es die Redewendung auf Italienisch, doch la Capitale als fliegende Stadt zu bezeichnen hat was. Momentan fliegt sie nahe der Sonne.

Sieben Startsiege, 20:1 Tore und nach dem 3:0 bei Inter ein überragender Capitano Francesco Totti, der nun 300 Profitreffer in seiner Karriere zählt. Nicht jeder mag ihn, an der Weltklasse gibt es allerdings nichts zu diskutieren. Womöglich könnte die UNESCO erwägen, ob man Totti nicht zum italienischen Weltkulturerbe hinzufügen sollte. Oft verkannt, weil er seit dem Serie-A-Debüt 1993 nie für einen anderen Verein auflief, schaut es prächtig aus, wie der 37-Jährige mit kleinen verzeihbaren Auszeiten Fixpunkt und Herrscher über den Spiel-Rhythmus bleibt. Totti ist die Roma, und die Roma ist Totti. "Wer Fußball lebt und liebt, kann Francesco nur eine Legende nennen - einer der Größten der Geschichte", sagte Trainer Rudi Garcia. Und ein Tifoso jauchzte vor dem San Siro: "Wäre ich gay, würde ich den Capitano heiraten. Ich glaub', wir müssen ihn auf den Mars schicken - hier auf der Erde findet er keinen Rivalen mehr."

Totti selbst blieb wie immer bescheiden: "Legende? Meisterschaft? Wir müssen erst einmal wieder in die Champions League kommen. Im Oktober zu träumen, geht im Mai sehr oft böse aus." Na komm, vor zwölf Jahren holte die Roma den letzten Scudetto, da darf der römische Stadthalter seinen Untertanen ruhig mal einige Wochen träumen erlauben. Oder vielleicht auch eine Gay-Hochzeit.

Und sonst?: Etwas Selbstironie kann nie schaden. So sangen die Napoli-Tifosi am Sonntag jene unappetitlichen Chöre (wie zum Beispiel "Oh Vesuv, wasch' sie mit dem Feuer") gegen Neapolitaner, die den Milan- und Inter-Fans jüngst bereits ein Schließen der Fankurve eingebracht hatten. Die SSC-Tifosi sind für Spaß bekannt. In Shakespeare's Romeo und Julia Behausung Verona, wo der Süden gerne verbal malträtiert wurde, präsentierten sie mal das Spruchband: "Julia ist eine Nutte!" Herrlich.

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Primera Division: Wer ist eigentlich dieser Messi?

Primera Division

Von Frank Oschwald

Duo des Spieltags: Es ist schon - sagen wir mal - gewagt, was die chilenische Zeitung "La Cuarta" nach dem 4:1-Sieg von Barca über Valladolid in riesigen Buchstaben auf ihre Titelseite druckte: "Wer ist eigentlich Messi?!". Im Siegesrausch und völlig benebelt von der Leistung von Alexis Sanchez widmete die chilenische Redaktion ihrem Landsmann die komplette Titelseite. Kaum muss König Messi wegen einer Muskelverletzung im Oberschenkel mal knapp drei Wochen die Segel streichen, läuft es bei dem zuletzt gehemmt wirkenden Sanchez wie am Schnürchen: Zwei Buden und eine Vorlage hatte der Chilene am Ende auf dem Konto.

Doch auch in den brasilianischen Redaktionen wird Samba getanzt. Messi weg, endlich kann unser Neymar zeigen, was er tatsächlich auf dem Kasten hat. Der Brasilianer wurde von Coach Tata Martino auf die Messi-Position gesetzt und brillierte dort wie bislang selten im Barca-Trikot. Doch von Wachablösung ist trotz der euphorisierten Südamerika-Fraktion (minus Argentinien) nach dem achten Ligasieg in Folge weit und breit nichts zu sehen. Mit einem Sack voll Demut und einem frisch aufgewärmten Repertoire an Phrasen ("Messi fehlt immer", "diese Position ist für den Besten der Welt bestimmt, Messi", "der Trainer entscheidet...") stellten sich die Beiden nach dem Spiel vor die Presse. Messi lobhudeln. Hofknicks. Und ab in den Bus.

Team des Spieltags: Apropos Messi. Seit gefühlten 28 Jahren entscheiden der Argentinier und sein königlicher Erzfeind Ronaldo die Torschützenkrone ja unter sich. Nach dem ersten oder zweiten Spieltag kann es zwar mal sein, dass ich da auf Platz eins der Liste mal ein Provinzstürmer nach einem Doppelpack gegen Almeria verirrt, doch spätestens nach fünf Spielen hatte sich das Feld eigentlich immer geordnet. Eigentlich. Denn auf Platz eins thront aktuell Atleticos Diego Costa mit zehn Treffern nach acht Spielen. Der ist beim besten Willen kein Provinzstürmer, stört jedoch in unerhörter Manier die Messi-Ronaldo-Show.

Gegen Celta Vigo traf der Stürmer erneut doppelt und knipste somit in fünf Spielen in Folge. Das schaffte bei Atletico zuletzt Diego Forlan, der in der Saison 2008/2009 sowohl Torschützenkönig der Primera Division als auch den Golden Boot der UEFA absahnte. Auch dank Costa, der aufgrund der doppelten Staatsbürgerschaft bald für Spanien auflaufen könnte, können die Rojiblanco also weiterhin mit Barca Schritt halten: acht Spiele, acht Siege, die weiß rot gestreifte Weste von Atletico bleibt rein.

Während man bei den Königlichen auf den Einbruch des Nachbarn wartet, treten diese die spanischen Verhältnisse jede Woche aufs Neue mit Füßen. Auch der Vater des Erfolges Diego Simeone denkt gar nicht daran, auf die Euphoriebremse zu treten. "Das war vermutlich die beste erste Halbzeit in meiner Zeit als Atletico-Coach. Wir haben das Spiel dominiert und immer Druck auf den Gegner ausgeübt. Das war eine fast perfekte Halbzeit", so Simeone. Richtig so. Her mit der Euphorie. Auch Vigo-Coach Luis Enrique pflichtet bei: "Atletico ist brutal gefährlich. Klar, die Liga ist noch lange, aber wenn sie so weiterspielen, wäre es absurd zu denken, dass sie kein Kandidat für die Meisterschaft sind." SPOX

Und sonst?: Wenn die Königlichen gegen Barcelona spielen, solltest du dich als Real-Präsi sehen lassen. Völlig logisch. Und wenn's ein Finale ist sowieso. Ist ja auch eigentlich immer ein Spektakel, wenn sich beide Teams messen. Wenn das Ergebnis 83:79 statt 3:1 lautet und es sich um Basketball statt Fußball handelt, ist es auch noch zu verkraften. Blöd wird es dann nur, wenn das so geliebte Fußballteam gleichzeitig zur Tat schreitet. So geschehen am Samstagabend.

Während sich Real in Levante zu einem 3:2-Sieg stümperte, litt Florentino Perez beim Basketball-Clasico auf der Tribüne. Ringsum den Präsidenten herrschte VIP-gemäß Ruhe. Nur Perez rutschte unruhig auf seinem Sitz hin und her, checkte alle zwei Minuten via Handy das Ergebnis der Fußballer und rutschte anschließend noch unruhiger hin und her. Backen aufpusten, Handy raus, Brille nach oben schieben, Augenbrauen hoch, oh, oh. Erst als Ronaldo Nanosekunden vor Schluss das Siegtor erzielte, erhellte sich die Miene von Perez. Er riss die Arme hoch und strahlte wie ein Kindergartenkind mit Lolly. Ach ja, Real gewann ganz nebenbei den Basketball-Clasico. Aber haste ja gesehen, Florentino. Glückwunsch.

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