Hoden wie Handbälle

SPOX
20. Januar 201420:53
"Eier, wir brauchen Eier" - Alexis Ruano kann es nicht mehr hörengetty
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Während eine Nation um Neymar bangt, hat Getafes Alexis wahrhaftig größere Sorgen. Cassanos Angetraute rechnet mit den Kritikern ab und England lacht über Moyes und Donuts. Dies und mehr von unseren Korrespondenten aus ganz Europa.

Serie A

Von Oliver Birkner

Trainer des Spieltags: Die größte Freude über den kürzlichen Trainerwechsel beim AC Mailand empfand Adriano Galliani. Der nach internen Machtkämpfen mittlerweile halbierte AC-Geschäftsführer durfte statt neben Lady Barbara Berlusconi nämlich an der Seite von Luviana Seedorf Platz nehmen und besaß sichtlich mehr Gefallen an der neuen Konstellation. Ansonsten änderte sich trotz Clarence Seedorf in der ungewohnten Coaching Rolle nicht ungemein viel. Milan ackerte sich spielerisch mäßig zu einem 1:0 über Hellas, was als keine Riesenüberraschung daherkam. Der einzige Verona-Sieg bei den Rossoneri datiert vom 12. März 1922, in der Folge gab es satte 18 Pleiten und zwölf Remis. Da der Aufsteiger offensichtlich Unentschieden Nummer 13 verhindern wollte, setzte Gonzalez zum unnötigsten aller Fouls an und Mario Balotelli verwandelte den fälligen Elfmeter acht Minuten vor Schluss.

Seedorf deklarierte die drei Punkte zum "Sieg der neuen Freude" und bedankte sich, als unbeschriebenes Blatt wie einst Arrigo Sacchi und Fabio Capello auf der AC-Bank engagiert worden zu sein. Nun ja, die beiden verfügten wenigstens über eine prominentere Belegschaft. Immerhin soll bald eine zweite niederländische Ära folgen: Auf der Tribüne saßen Jaap Stam und Edgar Davids, die er im Sommer (neben Hernan Crespo) im Stab installieren möchte. Und zusätzlich schickte Aloysius Paulus Maria, Rufname Louis, van Gaal Glückwünsche zum Debüt-Erfolg. Der hatte Seedorf einen speziellen Trainer-Lehrgang vorbereitet und lobte: "Selten sah ich jemanden, der sich dabei so reinhängte wie Clarence." Mit dem gnädigen Segen von Paulus Maria sollte wahrlich nichts mehr schieflaufen. Kommendes Holland-Opfer: Udinese am Mittwoch im Pokal-Viertelfinale.

SPOXSumpf des Spieltags: Es war auf dem Apennin nicht gerade ein elysisches Wochenende, an dem die Piazze verlockend in Sonnenstrahlen funkeln. So erinnerte die Partie Genoa gegen Inter eher an die Wasserschlacht von Frankfurt 1974. Im Stadio Marassi wartete man jeden Moment darauf, dass die Walzen anrücken würden. Bei jedem ächzenden Pass, der Herkules-Anstrengungen bedurfte, schien der Ball voll Wasser und Schlamm 40 Kilo zu wiegen. Der Gerd Müller jenes Juli-Tages hieß Luca Antonelli, der per Kopf zum 1:0 von Genua traf - der erste Sieg der Gastgeber über Inter seit Ende 1994.

Nur ein Erfolg aus den letzten acht Partien, lediglich zwei Törchen in den vergangenen fünf, Inter-Krise scheint nahezu ein Euphemismus. "Ich würde gerne mal sauschlecht spielen und gewinnen", seufzte Trainer Walter Mazzarri und fügte an: "All die anderen Klubs kaufen und kaufen, wir hingegen...". Vom neuen indonesischen Besitzer Erick Thohir hatte man sich große Investitionen erwartet. ET telefonierte aus Djakarta jedoch nach Hause: "Ich bin nicht Superman und werde erst einkaufen, wenn der Klub finanziell gesund dasteht." Das könnte noch gut zwei Jahre dauern. Bis dahin Augen zu und alles wieder auf null setzen.

Und sonst? In Unterzahl kam Bologna in letzter Minute zum 2:2-Ausgleich gegen Napoli. Der oft kritisierte Doppeltorschütze Rolando Bianchi, erst drei Treffer in 16 Einsätzen, meinte im Anschluss: "Ich habe in letzter Zeit genug Scheiße gefressen. Die Tore widme ich jetzt mal mir." Im Gegensatz zum bescheidenen Alessandro Matri. Ohne Glück bei Juventus, noch weniger Glück bei Milan, letzter Treffer des Stürmers Ende Oktober - nun ging er als Leiharbeiter nach Florenz und netzte prompt zwei Mal: "Die Probleme in Turin und Mailand habe ich nur mir selbst zuzuschreiben." Ungewöhnlich ehrlich.

Ein ebenso nüchterner Kommentar wie jener der Angetrauten von Antonio Cassano, Carolina Marcialis, nach dessen Tor. An sie geht der Preis des sachlichsten Tweets vom Wochenende: "F*ckt euch alle, ihr Kritiker! Grande amore mio numero1!"

Serie A: "F*ckt euch alle, ihr Kritiker!"

Premier League: England lacht über Moyes und Dunkin' Donuts

Primera Division: Hoden so groß wie Handbälle

Premier League

Von Raphael Honigstein

Pleite des Spieltags: Es ist selten ein gutes Zeichen, wenn die gegnerischen Fans einen Trainer feiern. "David Moyes, we want you to stay", skandierten die Anhänger der Blues beim 3:1-Sieg gegen Manchester United voller Gusto. Der arme Schotte wurde hinterher natürlich auch in den Gazetten verspottet: "Men against Moyes", schrieb die Daily Mail in Anlehnung an das Fußballklischee "men against boys", Männer gegen Bubis. Der Meister erlebt gerade die schlechteste Saison in der Premier-League-Geschichte, mit 14 Punkten Rückstand ist die Titelverteidigung schon im Januar kein Thema mehr.

Jose Mourinho sprach gönnerhaft davon, dass er den Red Devils die Qualifikation für die Champions League wünsche, aber der Klub geht bereits auf Nummer sicher. Da man möglicherweise Ende Juli in der Europa-League-Qualifikation ran muss, ist die geplante USA-Reise erstmal auf Eis gelegt, berichtete der Daily Telegraph am Montag. Bitter, bitter. Die Frage ist nun, ob aus dem Witz des Buchmachers Paddy Power, der eine Alex-Ferguson-Puppe in einen Glaskasten steckte und "Im Notfall Glas einschlagen" darüber schrieb, bald Realität werden wird.

PR-Flop des Spieltags: Uniteds Erzrivalen vom FC Liverpool hatten auch kein gutes Wochenende. Das 2:2 gegen Aston Villa war ein Rückschlag im Kampf um die Champions-League-Qualifikation und brachte eine (kleine) Debatte um Steven Gerrard vom Zaun: hat der Kapitän noch die Dynamik, um das Spiel der Reds zu dominieren? In seiner Abwesenheit hatte das Team von Brendan Rodgers zuletzt ja den schönsten und erfolgreichsten Fußball seit einem halben Jahrzehnt gespielt. SPOX

Ein neuer Werbevertrag bracht ebenfalls keine tollen Schlagzeilen, im Gegenteil: die Partnerschaft mit Dunkin' Donuts war ein gefundenes Fressen (hihi) für Spaßvögel in den Medien und sozialen Netzwerken. Man-Utd-Keeper David De Gea, der einst wegen dem vorschnellen Verzehr von amerikanischen Krapfen in einer Tankstelle Probleme bekam, wird wohl nicht an die Anfield Road wechseln, aber es gibt noch andere gute Witze, wie zum Beispiel diesen hier. Fazit: We are all Berliner(s).

Und sonst? Im Fußball ist ja bekanntlich alles möglich. Am Dienstag tritt West Ham im Rückspiel des Ligapokalhabfinals gegen Manchester City an. Die erste Partie endete: 6:0 für die Hellblauen. "Das Pokalfieber steigt", schrieb der Guardian böse. United-Trainer Sam Allardyce hat sowieso andere Sorgen, er muss die Klasse halten. "Big Sam" ist noch nie aus der Premier League abgestiegen, aber den ganz großen Wurf wird er in seiner Trainerkarriere wohl nicht mehr landen. Dabei hätte er durchaus das Zeug dazu - sagt er, zumindest. "Ich passe nicht zu Vereinen wie Bolton oder Blackburn, sondern mehr zu Real Madrid", hat er vor einigen Jahren gesagt, " bei Manchester United oder in Spanien würde ich jedes Jahr Meister werden oder das Double gewinnen." Diese Hypothese wird sich wohl nie testen lassen....

Serie A: "F*ckt euch alle, ihr Kritiker!"

Premier League: England lacht über Moyes und Dunkin' Donuts

Primera Division: Hoden so groß wie Handbälle

Primera Division

Von Frank Oschwald

Verletzung des Spieltags: In Brasilien hielt unter der Woche eine ganze Nation den Atem an. WM-Heilsbringer Neymar knickte im Pokal gegen Getafe böse um, die ganze Copacabana befürchtete das Schlimmste. Erst Tage danach stellte sich heraus, dass alles doch halb so wild ist und dass der WM-Sieg im eigenen Land für die Selecao nun doch klappt. Viel schlimmer - wirklich viel, viel schlimmer - erwischte es im gleichen Spiel Getafe-Verteidiger Alexis. Dieser wird für das Neymar-Wehwehchen nur ein müdes Lächeln übrig haben. Standardverletzung a la Bänderriss im Knöchel kann sowieso jeder.

Dem 28-Jährigen platzten bei einer Ecke aufgrund einer Hoden-Entzündung mehrere Venen in selbigem. Doch damit nicht genug. Die Hode schwoll im Anschluss an und nahm Übergröße an. "Einer seiner Testikel war ungefähr so groß", sagte Getafe-Coach Luis Garcia und formte mit seiner Hand eine Kugel in der Größe eines Handballs. "Als ich in die Kabine gekommen bin, war ich schockiert. Ich habe so etwas in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen", so Garcia. Ob Alexis am Sonntag wieder spielen könne, wollte ein Journalist wissen. "Die Schwellung geht schon wieder zurück. Es ist nichts Ernstes", meinte der Trainer. Ein Hoden. Temporär so groß wie ein Handball. Nichts Ernstes? Alexis stand am Sonntag gegen Real Sociedad nicht im Aufgebot.

SPOXBesprechung des Spieltags: Der gemeine Betis-Fan an sich ist eigentlich ein recht geduldiger Geselle. Egal in welchen Tabellenregionen das Team unterwegs ist, die Leute strömen zuhauf ins Stadion. Doch angesichts der fürchterlichen Vorstellung gegen Real und angesichts der noch viel fürchterlicheren Tabellensituation mit acht Punkten Rückstand auf das rettende Ufer platzte den Fans der Kragen. Bereits nach dem zweiten Gegentor gab's ein ohrenbetäubendes Pfeifkonzert, welches mit "Trainer raus!"-Rufen garniert wurde. Durchaus verständlich. So kam Trainer Juan Carlos Garrido doch erst im Dezember zu Betis und holte seitdem ein mageres Pünktchen in der Liga und schied im Pokal aus. Doch keine Angst, liebe Betis-Fans, der Trainer weiß, wie die Pleite gegen Real zu erklären ist. "Madrid hat heute gewonnen, weil sie das bessere Team waren", so Garrido schlagfertig. Und nicht nur das. Garrido hat auch schon einen Masterplan, wie es in Zukunft wieder bergauf geht und an welcher Schraube er drehen muss. "Wir müssen viele Dinge ändern. Wir müssen beispielsweise besser spielen und konkurrenzfähiger werden." Recht hat er.

Auch das Team sprach sich nach dem Spiel zwei Stunden lang in der Kabine aus und brütete an einer Lösung für die Misere. Javier Matilla verriet den wartenden Journalisten im Anschluss, zu was die Besprechung, bei der auch Garrido von der Partie war, führte. "Wir haben viele Dinge ganz klar angesprochen und kein Blatt vor den Mund genommen. Aber was gesagt wurde, bleibt in der Kabine. Nur so viel: Wir haben beschlossen, noch mehr zu geben, mehr zu laufen und mehr zu kämpfen." Guter Plan. Garrido wurde nach nur einem Monat noch am Sonntagabend entlassen.

Und sonst? Auch Diego Costa machte sich am Wochenende mal wieder reichlich Freunde. Im Nahkampf mit Sevillas Federico Fazio bohrte er mit seinem Finger mehrere Sekunden lang in dessen Gesicht herum, ging beim Revanchehieb des Verteidigers zu Boden und forderte eiskalt Elfmeter. Bad Boy eben.

Ein Image, an dem Cesc Fabregas noch arbeitet. Ein erster Schritt ist allerdings getan. Nach seiner Auswechslung schlug er mit der flachen Hand heftig gegen das Dach der Reservenbank. Eigentlich keine allzu wilde Geschichte, doch die spanischen Medien waren empört und zeigten das Video mehrfach. Der Clip wurde jedoch mit der Musik aus einem epischen Weltuntergangs-Film unterlegt. Und auf einmal sah die Aktion tatsächlich fürchterlich aus.

Serie A: "F*ckt euch alle, ihr Kritiker!"

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