Serie A
Von Oliver Birkner
Schande des Wochenendes: Was blieb von diesem Wochenende war ein Bild der Hilflosigkeit und Groteske. Wie Offizielle und Napoli-Kapitän Marek Hamsik bei einem Ultra-Anführer um Spielerlaubnis zum Pokalfinale bitten mussten.
Wie tatsächlich mit einem einschlägig Vorbestraften verhandelt wird, der ein Shirt trug "Freiheit für Speziale" - jener Catania-Ultra Antonio Speziale, der derzeit eine Haftstrafe wegen vorsätzlichen Mordes an einem Polizisten 2007 absitzt. Wie die Creme von Sport und Politik machtlos auf der Ehrentribüne hockte und Nationalcoach Cesare Prandelli angewidert dreinblickte.
Ähnliches hatte er ja schon 2010 erlebt, als der serbische Hooligan "Ivan der Schreckliche" den Abbruch zwischen Italien und Serbien 2010 in Genua provoziert hatte. Auf dem Zaun saß nun SSC-Ultra Gennaro De Tommaso, besser bekannt als "Genny das Aas". Der Sohn eines Camorra-Mitglieds richtete und der Calcio fügte sich.
Erst mit 45 Minuten Verspätung durfte die Partie dann beginnen. Als Augenzeuge traute man seinen Augen kaum. Zudem hagelte es Leuchtraketen, heftige Knallkörper und allerlei weitere Objekte, die scheinbar problemlos in die Kurve gelangen, während es dem normalen Tifoso unmöglich ist, einen Fruchtsaft ins Stadion zu transportieren.
Vielleicht sollte das alles nicht wirklich verwundern, wenn Italiens bisher einzige Lösung gegen bekannte Fußball-Kriminelle Stadionverbot lautet. Der "Corriere della Sera" kommentierte stimmig: "Das sanfte Stadionverbot kommt dem Urteil gleich, einem Dieb zu verbieten, den Supermarkt oder eine Bank zu betreten."
Wenn, wie in Rom geschehen, Hunderte von italienischen Ultras aller Couleur das Pokalfinale zum Guerilla-Tag nutzen, sollten sie ausnahmslos wie Kriminelle behandelt werden - denn das sind sie. Doch Italien hat sich offensichtlich zu einem Pakt der Duldung entschieden.
Vor der Partie sorgte Daniele De Santis, berüchtigter Ultra-Chef des AS Rom, der samt fünf Kumpanen 2004 das römische Derby wegen der Falschmeldung eines getöteten Fans zum Abbruch zwang, für den traurigen Höhepunkt: De Santis, Inhaber eines Kiosk, soll sechs Schüsse mit den Worten "Ich bringe euch alle um" gegen rund 20 SSC-Anhänger abgefeuert haben. Er selbst wurde später beinahe zu Tode geprügelt und steht jetzt unter Anklage des versuchten Mordes.
Ein von ihm angeschossener Napoli-Anhänger rang lange mit dem Leben. Als diese Nachricht das Olympiastadion erreichte, begann die Groteske in der Arena. Die Frage bleibt: Wenn es unmöglich ist, ein geplantes Fußballfest problemlos auszutragen, wozu ist das Land dann überhaupt noch in der Lage?
In Gesprächen mit Tifosi aller Gesinnungen klang nur eine Reaktion durch: Ekel. Tagelang stöhnte man darüber, in der Fünfjahres-Wertung auf Rang fünf abgerutscht zu sein. Womöglich liegt das Problem des Calcio jedoch ganz woanders. P.S.: Napoli gewann das Finale 3:1.
Und sonst? Nach einem "Wochenende der Schande" (Corriere dello Sport) reicht es gerade noch zu nüchternen Bemerkungen. Juventus trat gar nicht an und feierte trotzdem seine 30. Meisterschaft, weil der schon sichere Zweite Roma, bisher mit einer Granitabwehr, lustlos in ein 1:4 beim Vorletzten Catania taumelte.
Später stieg dann das vielleicht schlechteste Mailänder Derby der vergangenen 20 Jahre (Milan siegte 1:0) und unterstrich die gegenwärtige Trostlosigkeit der beiden Prestige-Vereine. Doch irgendwie passte das ins Bild.
Seite 1: Herzenbrecher und Ergebnisfußball ohne Ergebnis